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MELDUNG/1176: Extrawurst - Vitali Klitschko boxt erst im Frühjahr 2014 (SB)




Politik, Handverletzung und Protektion des WBC-Präsidenten

Vitali Klitschko wird auf Grund einer Verletzung an der Hand seine Pflichtverteidigung erst im nächsten Jahr bestreiten. WBC-Präsident José Sulaimán, den er in Mexiko-Stadt persönlich aufsuchte, gewährte dem 42jährigen Ukrainer einen Aufschub bis März oder April 2014. Die letzte Titelverteidigung gegen Manuel Charr im September 2012 liegt bereits elf Monate zurück, und normalerweise muß ein Weltmeister pro Jahr eine Pflichtverteidigung bestreiten. Klitschkos letzte Pflichtverteidigung war jene am 10. September 2011 gegen den Polen Tomasz Adamek.

Entrüstet über diese Nachricht ist der 34jährige Pflichtherausforderer Bermane Stiverne, der gehofft hatte, noch in diesem Jahr seine Chance zu bekommen. Der Kanadier fühlt sich vom WBC benachteiligt und wirft der Verbandsführung Ungleichbehandlung vor. Er könne diese Entscheidung nicht nachvollziehen, da man dem verletzten Timothy Bradley den Gürtel abgenommen habe. Als sich Oleg Maskajew seinerzeit vor dem Kampf gegen Samuel Peter verletzt hatte, sei dieser zum Interimsweltmeister ernannt worden. Die willkürliche Handhabung seitens des WBC sei unfair, respektlos und schlecht für das Boxen.

Sein Manager Camille Estephan hofft, daß man Stiverne zwischenzeitlich wenigstens um den Interimstitel kämpfen läßt. Klitschko sei ein großer Champion und Botschafter für das Boxen gewesen, doch müsse ein echter Weltmeister seinen Titel im Ring verteidigen. Der Ukrainer solle beiseite treten, damit Bermane um den Interimstitel kämpfen kann. Schon der Umstand, daß die Klitschkos nicht gegeneinander kämpfen, halte er für ein großes Manko, da es auf diese Weise nie einen einzigen Champion im Schwergewicht gebe.

Es sei inakzeptabel, daß Vitali seinen Titel nun seit fast einem Jahr nicht mehr verteidigt hat. Damit stehe die Glaubwürdigkeit des Sports auf dem Spiel. Bermane habe alles getan, um sich eine Titelchance zu verdienen. Zwei gewonnene Ausscheidungskämpfe, drei verschobene Versteigerungen der Austragungsrechte des Kampfs gegen Klitschko, und nun das. Warum sollte er dafür bestraft werden, daß Vitali seinen Titel nicht verteidigt? Er erwarte, daß der Aufsichtsrat des WBC die richtige Entscheidung fällt, so Estephan. [1]

Vitali Klitschko erklärte, daß er derzeit nicht zurücktreten wolle. Er fühle sich noch fit, und der Sport unterstütze ihn bei seinem Vorhaben, sich um die Präsidentschaft seines Landes bei den Wahlen 2015 zu bewerben. Wenn er eines Tages zurücktrete, wünsche er sich seinen Bruder Wladimir als WBC-Weltmeister. Der knapp fünf Jahre jüngere Wladimir Klitschko ist Superchampion der WBA und WBO sowie Weltmeister der IBF und IBO.

Wie Klitschkos Manager Bernd Bönte mitteilte, wolle Vitali gern noch einen Kampf bestreiten. Er habe jedoch noch nicht die Zeit gefunden, sich ernsthaft vorzubereiten. Trainer Fritz Sdunek besteht für einen Kampf gegen Stiverne auf eine Vorbereitung von mindestens acht Wochen. Vitali müsse sich hundertprozentig aufs Boxen konzentrieren, ansonsten sei eine Titelverteidigung zu riskant.

Unterdessen sah sich das WBC veranlaßt, durch die Ausschreibung eines Turniers Bewegung in die Schwergewichtsszene zu bringen. Der Verband möchte unter dem Namen "World Cup" ein Verfahren etablieren, mit dessen Hilfe ein Gegner für den kanadischen Pflichtherausforderer Bermane Stiverne ermittelt wird. Auf diese Weise könnte im Falle eines Rücktritts, den Klitschko allerdings ausgeschlossen hat, ein Duell um den vakanten Titel herbeigeführt werden. Für die vier Plätze des Turniers werden mit Alexander Dimitrenko und Juan Carlos Gomez auch zwei Boxer gehandelt, die früher bei der Hamburger Universum Box-Promotion unter Vertrag standen.

Interesse hat vor allem Dimitrenko, dessen Rückkampf gegen Europameister Kubrat Pulew laut Promoter Sauerland an zu hohen Börsenforderungen Dimitrenkos scheiterte. Statt dessen kämpft der Bulgare am 24. August in Schwerin gegen den US-Amerikaner Tony Thompson um das Vorrecht, IBF-Weltmeister Wladimir Klitschko herauszufordern. Der 31jährige Dimitrenko vermarktet sich in Eigenregie und arbeitet derzeit im europäischen Ausland als Sparringspartner eines Weltklasseboxers, dessen Name nicht offiziell genannt werden soll. Dimitrenko liegen Angebote vor, entweder am 28. September in Manchester beim englischen Prestigeduell zwischen David Haye und Tyson Fury oder am 5. Oktober bei Wladimir Klitschkos Aufeinandertreffen mit Alexander Powetkin im Vorprogramm zu kämpfen. Einen Aufbaukampf vor dem Start ins WBC-Turnier will er unbedingt bestreiten.

Sein Gegner könnte dort möglicherweise Juan Carlos Gomez werden. Der kubanische Ex-Weltmeister im Cruisergewicht, der sich in der Endphase des mittlerweile insolventen Universum-Stalls in erschütternder Verfassung präsentiert hatte, lebt und trainiert wieder in den USA und soll sich dort in Wettkampfform gebracht haben. Allerdings hat der mittlerweile 40jährige seit Mai 2012 nicht mehr im Ring gestanden und ist in der WBC-Rangliste auf Position 20 abgestürzt, damit aber immerhin noch einen Platz besser notiert als Dimitrenko. Deshalb droht zwangsläufig juristischer Ärger, sollten die beiden vielen besser plazierten Boxern für das Turnier vorgezogen werden.

Als Alternative böte sich die Möglichkeit an, das Duell der Briten David Haye (Nummer 7) und Tyson Fury (Nummer 6) oder den für 6. September geplanten Kampf zwischen Seth Mitchell (Nummer 2) und Chris Arreola (Nummer 3) aus den USA als Ausscheidung um die Position des Herausforderers anzusetzen. [2]

In jedem Fall tritt die Willkür des World Boxing Council und seines Präsidenten José Sulaimán, der Vitali Klitschko hemmungslos protegiert, wieder einmal offen zutage. Da der Ukrainer nicht zurücktritt, ist das Turnier als solches ein Ablenkungsmanöver, mit dessen Hilfe die leidige Situation kaschiert werden soll. Hinzu kommt wie fast immer in solchen Fällen die kaum nachvollziehbare Auswahl der Teilnehmer, bei der aller Voraussicht nach besser plazierte Boxer übergangen werden. Möglicherweise hat die Entscheidung, daß Vitali Klitschko erst im Frühjahr 2014 wieder in den Ring steigt und den Gürtel solange behalten darf, aber auch das Turnier so weitgehend entwertet, daß es gar nicht erst zu seiner Durchführung kommt.

Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/stivernes-manager-wir-haben-lange-genug-gewartet-28348

[2] http://www.welt.de/sport/boxen/article119024193/Box-Weltverband-sucht-Ersatz-fuer-Doktor-Eisenfaust.html

15. August 2013