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MELDUNG/1364: Sargnagel der Karriere des Kubaners Odlanier Solis? (SB)




Tony Thompson gewinnt Schwergewichtskampf in der Türkei

Tony Thompson könnte sich als der sprichwörtliche Sargnagel der Karriere des Kubaners Odlanier Solis erwiesen haben. Im türkischen Tekirdag mußte sich der Olympiasieger von 2004 nach einem insgesamt unmotivierten Auftritt dem erfahrenen US-Amerikaner knapp mit 2:1 Wertungen geschlagen geben (116:112, 114:115, 113:114). Während der 42jährige Thompson damit den vakanten internationalen Titel des WBC gewann und seine Bilanz auf 39 Siege sowie vier Niederlagen verbesserte, stehen für den neun Jahre jüngeren Kubaner nun 20 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche.

Nachdem Thompson die erste Runde mit seinem Jab und seiner höheren Schlagfrequenz bestimmt hatte, feuerte Solis im nächsten Durchgang einige schnelle Kombinationen ab, bei denen jedoch nur wenige Schläge ihr Ziel erreichten. In der dritten Runde legte wieder der Amerikaner die größere Aktivität an den Tag. Wenngleich Solis deutlich schneller als sein Gegner schlug, griff er viel zu selten an, so daß er aus seinem Vorteil kein Kapital schlagen konnte.

Erstaunlicherweise lag Solis dennoch nach vier Runden auf allen drei Punktezetteln deutlich vorn, weshalb der Amerikaner in der nächsten Runde noch entschlossener angriff. Zwar setzte der Kubaner seine Konter immer besser durch, doch ließen sie die erforderliche Wirkung vermissen und konnten den Angriffsschwung Thompsons nicht bremsen. Nach acht Runden hatte sich der Amerikaner bei zwei von drei Punktrichtern an die Spitze gesetzt, worauf Solis eine sehr gute zehnte und elfte Runde folgen ließ, da er den Gegner phasenweise niedermarschierte und effektiver als dieser boxte. Der Sieg wäre dem Kubaner wohl nicht mehr zu nehmen gewesen, hätte Thompson nicht in der letzten Runde alles auf eine Karte gesetzt und den inzwischen deutlich gezeichneten Solis mit mehreren schweren Treffern in die Schranken gewiesen.

Entgegen manchen Befürchtungen, der Kubaner könnte dank seines türkischen Promoters Ahmet Öner bevorteilt werden, gab es am Ende ein faires Urteil. Tony Thompson hatte insgesamt gesehen engagierter geboxt als sein Gegner, der sein Talent des öfteren aufblitzen ließ, ohne mit letzter Entschiedenheit zur Sache zu gehen. Im vergangenen Jahr war der US-Amerikaner in einem Ausscheidungskampf der IBF an dem starken Bulgaren Kubrat Pulew gescheitert. Nun darf er sich gewisse Hoffnungen auf einen Titelkampf beim WBC machen. [1]

Der WBC-Titel ist nach Vitali Klitschkos Abgang und Beförderung zum Champion im Wartestand derzeit vakant. Am 10. Mai tragen der Kanadier Bermane Stiverne und der US-Amerikaner Chris Arreola ihre Revanche aus, deren Sieger neuer Weltmeister wird. Auf diesen wartet bereits der ungeschlagene Deontay Wilder, der sich jüngst gegen seinen Landsmann und Freund Malik Scott durchgesetzt hat. Darüber hinaus hat das WBC bereits einen Ausscheidungskampf zwischen Bryant Jennings und Mike Perez verfügt, so daß sich Thompson aller Voraussicht nach hinten anstellen muß und erst eine Chance bekäme, wenn die genannten Duelle abgearbeitet sind. Doch das ist graue Theorie, da sich beim Boxen mitunter binnen weniger Monate neue Konstellationen herauskristallisieren können.

Odlanier Solis boxte in diesem Kampf, der als eine Art Kreuzweg seiner Profilaufbahn angekündigt war, kaum weniger zurückhaltend als bei den allermeisten vorangegangenen Auftritten. Über 20 Kilo schwerer als auf dem Höhepunkt seiner Amateurlaufbahn, wirkt er körperlich nicht in der Lage, einen temporeichen Kampf durchzustehen und beständig Druck zu machen. Auch ließen seine Treffer durchschlagende Wirkung bei Thompson vermissen, der dank seiner enormen Erfahrung im Umgang mit den gefährlichsten Gegnern nicht ins offene Messer lief. Solis gab bei seinen früheren Siegen nie eine beeindruckende Vorstellung und verlor gegen Vitali Klitschko wegen einer Knieverletzung bereits in der ersten Runde und nun auch gegen Thompson. Der Rest seiner Gegner war bestenfalls zweitklassig, so daß er den enormen Vorschußlorbeeren nie gerecht wurde, mit denen man ihn 2007 bei seinem Wechsel ins Profilager überhäuft hatte. [2]

Gemessen an seinem technischen Potential gehört er zweifellos zu den besten Schwergewichtlern der Welt. Er machte jedoch durchweg den Eindruck, auf Trainingsfleiß und Entschlossenheit im Ring verzichten zu können, als sei das ein bloßer Notbehelf untalentierter Konkurrenten. Hingegen hat Tony Thompson wiederum vorgeführt, wie man das Beste aus seinen Mitteln und Möglichkeiten macht. Er hat zweimal gegen Wladimir Klitschko und einmal gegen Kubrat Pulew verloren, die gegenwärtig als die beiden weltbesten Schwergewichtler gelten. Dennoch ist der mittlerweile 42jährige immer noch im Rennen, während der technisch überlegene und schneller schlagende Odlanier Solis kaum noch Chancen haben dürfte, je wieder in die Nähe eines Titels zu kommen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/5678-herber-rueckschlag-fuer-solisthompson-gewinnt-wbc-titelkampf-durch-split-decision.html

[2] http://www.badlefthook.com/2014/3/22/5537606/solis-vs-thompson-results-tony-thompson-wins-deserved-split-decision

23. März 2014