Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1422: Der Kapitän verläßt das Schiff (SB)




Richard Schaefer trennt sich von den Golden Boy Promotions

Nach monatelangen Spekulationen über das Ausmaß der Kontroverse zwischen Oscar de la Hoya und Richard Schaefer hat der Schweizer nun Konsequenzen gezogen und ist nach zwölf Jahren als Geschäftsführer der Golden Boy Promotions zurückgetreten, die er von Anfang an mit aufgebaut und maßgeblich geleitet hatte. Dieser nicht unerwartete Schritt hat ein Erdbeben in der Branche mit mutmaßlichen, wenngleich derzeit noch nicht in ihrer vollen Tragweite absehbaren Verwerfungen ausgelöst. Da Schaefers Name mit dem Aufstieg des Unternehmens zum einflußreichsten Promoter der Branche untrennbar verbunden ist, dürften sein Weggang wie auch seine Zukunftspläne erheblichen Einfluß auf die künftigen Kräfteverhältnisse im US-amerikanischen Boxgeschäft haben. [1]

Floyd Mayweather, der mit seinen Auftritten die mit Abstand größten Umsätze im weltweiten Profiboxen erzielt, unterhält eine enge Beziehung zu Schaefer, während er Oscar de la Hoya gegenüber eine tiefe Abneigung hegt. Er hat in jüngerer Zeit keinen Zweifel daran gelassen, daß er nur Schaefers wegen mit Golden Boy zusammenarbeitet. Wie Leonard Ellerbe, der Geschäftsführer der Mayweather Promotions, auf Nachfrage Dan Rafaels vom Sender ESPN postwendend bestätigt hat, werde man keinesfalls weiter mit Golden Boy kooperieren. [2]

Für De la Hoyas Unternehmen ist das zweifellos ein schwerer finanzieller Rückschlag, da Mayweather ganz erhebliche Summen in die Kasse gespült hat. Weil der Superstar im Rahmen seines hochdotierten Vertrags mit dem Sender Showtime noch drei Kämpfe abzuarbeiten hat und danach die Boxhandschuhe an den Nagel hängen dürfte, war das Ende dieser Zusammenarbeit für Golden Boy perspektivisch absehbar, doch kam es nun wesentlich schneller als erwartet. Noch hat man den jungen Mexikaner Saul "Canelo" Alvarez unter Vertrag, der dank seiner enormen Popularität beim hispanischen Publikum auf lange Sicht für Einkünfte sorgen könnte.

Golden Boy muß jedoch fürchten, daß nach Schaefers Weggang auch der einflußreiche Berater Al Haymon, der zu einer Art grauer Eminenz der Branche aufgestiegen ist, seine Boxer abzieht. Sollte das geschehen, verlöre Oscar de la Hoyas Unternehmen fast von einem Tag auf den andern seine dominierende Stellung, die künftig von den Mayweather Promotions übernommen werden könnte. Diese verfügt offenbar über keine Lizenz, so daß die Zusammenarbeit mit Golden Boy bislang das Vehikel war, die Kämpfe Mayweathers über die Bühne zu bringen. Vieles spricht dafür, daß die Mayweather Promotions mit dem Grundstock der Boxer Al Haymons, die zu den namhaftesten der Szene gehören, fortan in vollem Umfang das Ruder übernehmen und über Nacht zum Marktführer aufsteigen.

Wenngleich Richard Schaefer zu seinen weiteren Plänen noch nicht Stellung genommen hat, kann man doch davon ausgehen, daß er eine geschäftsführende Tätigkeit bei Mayweather ernsthaft in Erwägung zieht. Das wäre dann der vollendete Coup, mit dem Mayweather, Schaefer und Haymon ein neues Gravitationszentrum des Boxgeschäfts etablieren und Golden Boy aufs Abstellgleis schieben würden. Zwar spielen persönliche Enttäuschungen und Animositäten bei dieser Entwicklung sicher eine Rolle, doch wäre es zu kurz gegriffen, den bedeutendsten Machtkampf und Konzentrationsprozeß seit Jahren auf solche Befindlichkeiten zu reduzieren. Strategisch gesehen geht es den maßgeblichen Akteuren dieser Umwälzung darum, sich die lukrativsten Pfründe zu sichern und den maßgeblichen Griff auf künftige Verwertungsmöglichkeiten zu erlangen.

Denkbar wäre natürlich auch, daß sich Schaefer ein gänzlich anderes Betätigungsfeld sucht oder künftig als eigenständiger Promoter in Erscheinung tritt. Angesichts seiner anerkannt erfolgreichen Arbeit im Boxgeschäft liegt natürlich nahe, daß er an dem anknüpft, was er am besten kann. Welche Konstellation sich auch immer dabei herauskristallisiert, sie wird um die Namen Mayweather, Schaefer und Haymon kreisen. Erste konkrete Hinweise dürften nicht lange auf sich warten lassen, zumal Floyd Mayweather am 13. September seinen nächsten Kampf bestreitet, für den er einen Gegner sucht.

Für das US-amerikanische Boxgeschäft und dessen Publikum könnte die jüngste Entwicklung insofern eine entlastende Nebenwirkung entfalten, als nach dem Weggang Schaefers die Bereitschaft Oscar de la Hoyas Raum greifen kann, die Spaltung der Branche zu überwinden und wieder mit Bob Arum und Top Rank zusammenzuarbeiten. Ein Ende des "Kalten Krieges" würde endlich wieder Kämpfe zwischen Boxern der bislang verfeindeten Lager zulassen, auf die man lange vergeblich gewartet hat. Manny Pacquiao könnte sich mit einem Gegner wie Adrien Broner oder Marcos Maidana messen, der nicht bei Top Rank unter Vertrag steht. Lucas Matthysse und Brandon Rios, Mikey Garcia und Abner Mares, am Ende gar Manny Pacquiao und Floyd Mayweather - die Liste bislang ausgeschlossener attraktiver Duelle ließe sich schier endlos fortsetzen. Wie tragfähig diese optimistische Perspektive ist, wird allerdings in hohem Maße davon abhängen, welche Rolle Oscar de la Hoya und seine Golden Boy Promotions künftig überhaupt noch spielen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/06/richard-schaefer-resigns-from-ceo-of-golden-boy-promotions/#more-177291

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/06/mayweather-jr-to-stop-working-with-golden-boy-promotions/#more-177301

4. Juni 2014