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MELDUNG/1454: Eddie Hearn schwört auf britische Hausmannskost (SB)




Weichen für Novemberkampf zwischen Bellew und Cleverly gestellt

Vor sechs Monaten leckten die beiden Briten Tony Bellew und Nathan Cleverly ihre Wunden, nachdem sie im Halbschwergewicht von dem Kanadier Adonis Stevenson und dem Russen Sergej Kowaljew deklassiert worden waren. Ihrem Promoter Eddie Hearn gelang es jedoch, die in Trümmern liegenden Karrieren dieser Boxer in überraschend kurzer Frist wieder aufzubauen und soweit voranzutreiben, daß zumindest einer von beiden im nächsten Jahr sogar um die Weltmeisterschaft kämpfen könnte. Inzwischen treten Bellew und Cleverly im Cruisergewicht an, wo sie jeweils zwei Kämpfe vorzeitig gewonnen haben. Hearns Pläne sehen definitiv ein Duell der beiden im November vor, womit er offensichtlich an den überwältigenden Zuspruch, dessen sich der ebenfalls innerbritische Kampf zwischen Carl Froch und George Groves vor über 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion erfreute, anknüpfen möchte. Auch Bellew und Cleverly verbindet eine langjährige Fehde, seit sich der Waliser bei ihrem ersten Aufeinandertreffen 2011 einstimmig nach Punkten durchgesetzt hat.

In der Liverpooler Echo Arena gaben Tony Bellew und Nathan Cleverly Proben ihres Könnens, die ihre Funktion eines Aufgalopps für den geplanten Novemberkampf erfüllten. Bellew bekam es mit dem 36jährigen Brasilianer Julio Cesar dos Santos zu tun, der ihm in der dritten und vierten Runde wuchtige Treffer verpaßte. Im fünften Durchgang wollte Santos den Sack zumachen, kam aber bei einem linken Haken um Sekundenbruchteile zu spät gegen denselben Schlag Bellews, der ihn auf die Bretter schickte. Als sich der Brasilianer schwankend wieder erhob, brach der Ringrichter den Kampf ab. Tony Bellew, der es in der Vergangenheit zum WBC-Silverchampion gebracht hatte, baute damit seine Bilanz auf 22 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden aus und hielt die Tür für die Revanche mit dem Waliser offen.

Gleiches gelang dem früheren WBO-Weltmeister Nathan Cleverly, der mit dem 31 Jahre alten Argentinier Alejandro Emilio Valori einen drittklassigen und wenig beeindruckend wirkenden Gegner vor die Fäuste bekam. Valori schlug mit seinen wilden Schwingern viele Luftlöcher, traf aber wirkungsvoller als der Favorit, wenn er doch einmal sein Ziel fand. Cleverly setzte auf Körpertreffer, mit denen er den Argentinier in der zweiten und vierten Runde zu Boden schickte, worauf der schwer angeschlagene Valori aus dem Kampf genommen wurde. So hatte auch der Waliser sein Soll erfüllt und sich auf 28 Siege und eine Niederlage verbessert. Bedenklich stimmte indessen, daß Cleverly etliche Kopftreffer einstecken mußte, mit denen ihn ein erstklassiger Cruisergewichtler in böse Schwierigkeiten gebracht hätte.

Carl Froch, der sich die Auftritte angesehen hatte, übte harsche Kritik an dem Waliser. Verglichen mit der Niederlage gegen Kowaljew im August letzten Jahres könne er keine Verbesserung erkennen. Cleverly sei nach wie vor unglaublich leicht zu treffen und schlage bestenfalls wie ein Mittelgewichtler. Offenbar habe ihn das Debakel gegen den Russen aus der Bahn geworfen. Deshalb wage er die Vorhersage, daß der Waliser im November vorzeitig verlieren werde. Da Froch und Bellew jedoch gute Freunde sind, ist diese Prognose allenfalls die Hälfte wert.

Unterdessen lieferten Bellew und Cleverley einander ein ebenso heftiges wie inhaltsleeres Wortgefecht, das sich auf die beiderseitige Androhung kürzen läßt, der Rivale müsse mit schwersten Prügeln rechnen. Eddie Hearn hörte es dennoch mit Freude, wie die Streithähne ihr Gezänk ausbreiteten, und verkündete, dieser Kampf müsse kommen und werde großartig sein. [1] Man kann davon ausgehen, daß der Promoter keine Bedenken hinsichtlich der Verfassung Bellews und Cleverlys gelten läßt und das Risiko meidet, sie zwischenzeitlich noch einmal in den Ring zu schicken. Beide wirken mittlerweile wieder recht zuversichtlich und dürften die Scharte ihrer letzten Niederlage aus Sicht des Publikums mehr oder minder ausgewetzt haben. [2]

Tony Bellew scheint sich im Cruisergewicht wohlzufühlen und läßt eine gewisse Schlagwirkung erkennen. Allerdings hat er unter den Treffern des Brasilianers bedenklich gewackelt und nur mit einer großen Portion Glück vorzeitig gewonnen. Aus seinen beiden Erfolgen in der neuen Gewichtsklasse sollte man daher keine voreiligen Schlüsse ziehen. Das gilt nicht minder für Nathan Cleverly, dem bei seinen beiden Auftritten im höheren Limit schwache Gegner vorgesetzt wurden. Was vorteilhaft für die Moral und das Geschäft sein mag, entbehrt bislang eines ernsthaften Prüfsteins. Immerhin hat es Eddie Hearn fertiggebracht, das Szenario zweier einheimischer Boxer zu entwerfen, die in einem emotionsgeladenen Duell mit ungewissem Ausgang aufeinandertreffen. Er behält die volle Kontrolle und braucht den Ertrag mit keinem anderen Promoter zu teilen, wobei er in jedem Fall den Sieger weiter vermarkten kann.

Nicht zuletzt lenkt diese Konstellation von dem Umstand ab, daß Nathan Cleverly viele Vorteile auf seiner Seite hat. Er ist vier Jahre jünger, aber dennoch erfahrener als Bellew, den er schon einmal besiegt hat. Der Waliser war Weltmeister im Halbschwergewicht und hat diesen Titel sechsmal erfolgreich verteidigt, bis er sich mit dem Kampf gegen Sergej Kowaljew übernahm, dem selbst Adonis Stevenson und Bernard Hopkins tunlichst aus dem Weg gehen. Sollte es Bellew nicht gelingen, Cleverly mit einem frühzeitigen Glückstreffer auszuschalten, erwarten ihn gravierende Probleme. Er kann es weder in technischer Hinsicht, noch konditionell mit dem Waliser aufnehmen, der zudem über die bessere Defensive verfügt. Den Zuschauern droht daher ein einseitiger Kampf, in dem auch der Sieger den Beweis schuldig bleibt, daß er es mit der Weltspitze im Cruisergewicht aufnehmen kann.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/07/smith-defeats-biosse/#more-178894

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/07/bellew-cleverly-ii-is-not-a-50-50-fight/#more-178917

14. Juli 2014