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MELDUNG/1470: Die Videoaufzeichnung bringt es an den Tag (SB)




Deutscher Verband schließt sich der Revision des Dessauer Urteils an

In der Kontroverse um das Ergebnis des Titelkampfs im Halbmittelgewicht zwischen Anne Sophie Mathis und Christina Hammer in Dessau hat der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) einen Rückzieher gemacht. Er hat die Wertung offiziell in "No Contest" geändert, so daß die Französin Weltmeisterin bleibt und die Dortmunderin mit ihrem Vorhaben gescheitert ist, sich Gürtel in der dritten Gewichtsklasse zu sichern. Damit folgt der aufsichtführende deutsche Verband der World Boxing Federation (WBF), die am Vortag dieselbe Entscheidung bekanntgegeben hatte. Die ebenfalls beteiligte World Boxing Organization (WBO) hat sich noch nicht abschließend geäußert.

In der fünften Runde des von einem fortgesetzten Halten und Schieben geprägten Kampfes war die zu diesem Zeitpunkt auf den Punktzetteln führende Dortmunderin nach einem Haken der Titelverteidigerin sichtlich angeschlagen. Als die Französin nachsetzte, klemmte Hammer den linken Arm ihrer Gegnerin ein. Ringrichter Manfred Küchler unterband die Aktion nicht, worauf Mathis mit ihrer freien rechten Hand eine Serie von Haken auf das linke Ohr der Deutschen schlug.

Von diesen Haken schwer getroffen ging Christina Hammer zu Boden und konnte den Kampf nicht fortsetzen. Anstatt sie auszuzählen und auf einen K.o.-Sieg für Anne Sophie Mathis zu entscheiden, disqualifizierte Ringrichter Manfred Küchler die Französin wegen vermeintlicher Schläge auf den Hinterkopf. Die zur Siegerin erklärte Dortmunderin vermutete später, ihre Gegnerin habe sie mit dem Ellbogen getroffen. Wie die Zeitlupenwiederholung aber deutlich zeigte, waren in der entscheidenden Phase weder Schläge mit dem Ellbogen noch zum Hinterkopf im Spiel.

BDB-Präsident Thomas Pütz brachte im Namen seines Verbands eine Entschuldigung für die Fehlentscheidung zum Ausdruck, die auf Einspruch der Französin bei den beiden beteiligten Weltverbänden korrigiert worden war. Leider sei im Eifer des Gefechts eine vollkommen falsche Entscheidung getroffen worden. Wenngleich es sich um einen Kampf um die Weltmeisterschaft handelte, sei mit Manfred Küchler ein BDB-Ringrichter im Einsatz gewesen. Für dessen Fehlentscheidung wolle er sich in aller Form beim Team von Anne Sophie Mathis entschuldigen. Fehler könnten immer passieren, doch müsse man dann auch die Größe haben, sie anzuerkennen und bestmöglich zu korrigieren.

Pütz stellte eine interne Untersuchung in Aussicht, in der man Manfred Küchler die Gelegenheit gebe, sich zu den Vorfällen zu äußern. In jedem Fall müsse das Ergebnis des Kampfes revidiert werden. Christina Hammer habe diesen Kampf nicht gewonnen. Er halte ein "No Contest", also einen Kampf ohne Wertung, samt der Anordnung eines Rückkampfs für eine gute Lösung. Auf diese Weise bleibe Anne Sophie Mathis Weltmeisterin, und die Kontrahentinnen könnten noch einmal im Ring klären, wer die Bessere ist. [1]

Unmittelbar nach dem Abbruch hatte die Dortmunderin von einem unsauberen Kampf gesprochen, in dem beiderseits nicht gerade die besten Leistungen gezeigt worden seien. Angesichts der unfairen Aktion ihrer Gegnerin mache sie der Titel nicht glücklich, und sie wünsche sich, die Sache noch einmal richtig zu klären. Promoter Ulf Steinforth erklärte ungehalten, das unrühmliche Ende dieses Kampfes rufe bei ihm Zweifel wach, ob eine Revanche überhaupt Sinn mache.

Inzwischen hat man sicherlich auch beim Magdeburger SES-Team die Videoaufzeichnung gründlich studiert und vermutlich die anfängliche Einschätzung revidiert, die Französin habe sich in der entscheidenden Szene regelwidriger Mittel bedient. Wenngleich Christina Hammer in Führung gelegen hatte, kann man letzten Endes froh sein, den Kampf nicht verloren zu haben. Ob und wann es zu einer Revanche kommt, steht derzeit natürlich noch nicht fest.

Davon abgesehen, daß Manfred Küchler nicht zum ersten Mal eine Entscheidung getroffen hat, die einen unzulässigen Heimvorteil vermuten ließ, stellt sich natürlich grundsätzlich die Frage, warum überhaupt ein deutscher Ringrichter diesen Kampf leiten durfte. Wenngleich das Team der Französin offenbar auf dem Vorweg keinen Einspruch dagegen eingelegt hat, steht es einem Kampf um die Weltmeisterschaft mit Boxerinnen aus verschiedenen Ländern schlecht zu Gesicht, keinen der Herkunft nach neutralen Referee zu bestellen.


Fußnote:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6247-bdb-praesident-puetz-ueber-hammer-vs-mathisfehler-koennen-passieren-aber-man-muss-sie-bestm.html

31. Juli 2014