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MELDUNG/1573: Aufsteigender Stern oder nächster Strohhalm? (SB)




Der Kanadier David Lemieux gilt als Geheimtip im Mittelgewicht

Mehr als 6500 Zuschauer im New Yorker Barclays Center wurden Zeuge eines ebenso spannenden wie hochklassigen Duells zweier Boxer im Mittelgewicht, die zu Recht als kämpferisch und gefährlich angekündigt worden waren. Der Kanadier David Lemieux, der als aufsteigender Stern in den höchsten Rängen dieser Gewichtsklasse gehandelt wird, setzte sich im Hauptkampf der Veranstaltung "Boxing After Dark" des Senders HBO in der zehnten Runde gegen den aus Philadelphia stammenden Gabriel Rosado durch. Während Lemieux beim ersten Auftritt in den USA seine Bilanz auf 33 Siege und zwei Niederlagen ausbauen konnte, stehen für seinen Gegner nunmehr 21 gewonnene sowie neun verlorene Kämpfe zu Buche.

Lemieux ging von Beginn an offensiv zu Werke und versetzte dem Kontrahenten zahlreiche Treffer, die in der zweiten Runde ein Auge des US-Amerikaners zuschwellen ließen, dessen Sicht in der Folge zunehmend eingeschränkt war. Dies dürfte den Kanadier begünstigt haben, als er im nächsten Durchgang mit einem Hagel heftiger Schläge über Rosado herfiel, die diesen taumeln und dann zu Boden stürzen ließen. Er kam jedoch rasch wieder auf die Beine und ließ sich auch in der vierten Runde von weiteren Treffern nicht einschüchtern, sondern revanchierte sich mit wuchtigen Schlägen, die Lemieux mit einer Rißwunde zeichneten.

Nachdem der mitreißende Kampf bis in die mittleren Runden relativ offen verlaufen war, begann der Kanadier in der siebten Runde, den inzwischen sichtlich lädierten Gegner klar zu dominieren. Da Rosado schließlich nur noch auf einem Auge etwas sehen konnte und auch sonst schwer in Mitleidenschaft gezogen war, sprach sich der Ringarzt schließlich im zehnten Durchgang für einen Abbruch aus, den der Referee nach 2:25 Minuten dieser Runde vornahm. Damit gewann David Lemieux durch technischen K.o. und verteidigte erfolgreich den Titel der NABF im Mittelgewicht, der eine Durchgangsstation zu höherwertigen Trophäen darstellt.

Wie der in Montreal lebende Sieger berichtete, habe er sich diesmal auf eine ganz besondere Weise vorbereitet. Da er damit gerechnet habe, daß ihn Rosado in den Schlagabtausch verwickeln wollte, sei der Schwerpunkt beim Training und Sparring darauf gelegt worden, von Beginn an und durchgängig explosiv zu boxen. Sein Gegner habe sich noch besser als erwartet behauptet und ihm einen großartigen Kampf geliefert, der bei den Zuschauern sicher gut angekommen sei. Dies bestärke ihn in der Auffassung, daß er einen anspruchsvollen Test erfolgreich bestanden habe und sich vor keinem Mittelgewichtler bis hinauf zu den Weltmeistern zu verstecken brauche, so Lemieux.

Gabriel Rosado räumte ein, daß er schlecht in den Kampf gekommen und nach dem Treffer am Auge zunehmend eingeschränkt gewesen sei. Er habe einfach Pech gehabt und Lemieux in der Folge dreifach gesehen. Wäre es ihm gelungen, frühzeitig die Kontrolle zu übernehmen, wäre der Kampf wohl anders verlaufen. Das ändere freilich nichts daran, daß er den Kanadier für einen großartigen Boxer halte. [1]

Die Zuschauerschaft in den USA wurde erstmals auf Lemieux aufmerksam, als dieser im Mai 2014 im Vorprogramm der Titelverteidigung Adonis Stevensons gegen den Polen Andrzej Fonfora in Montreal auf Fernando Guerrero traf. Dieser hatte 26 Kämpfe gewonnen und nur zwei verloren, stand aber gegen den Kanadier auf verlorenem Posten und mußte sich bereits in der dritten Runde geschlagen geben.

Der von HBO übertragende Kampf gegen Rosado in Brooklyn diente zweifellos dem Zweck, Lemieux einen spektakulären Auftritt zu verschaffen, der ihn dem US-Publikum näherbringen sollte. Er traf auf einen bekanntermaßen mutigen Kontrahenten, der ihm dennoch nicht das Wasser reichen konnte. Damit bestätigte sich die Einschätzung, daß David Lemieux tatsächlich eine Bedrohung für die besten Akteure seiner Gewichtsklasse darstellt.

Dafür spricht nicht zuletzt, daß er neben seiner beträchtlichen Schlagwirkung inzwischen auch eine robuste Kondition ins Feld führen kann, an der es ihm in der Vergangenheit mangelte. Zu Beginn seiner Profikarriere schickte er seine Gegner reihenweise in den frühen Runden auf die Bretter. Später bezog er jedoch zwei Niederlagen in Folge durch Marco Antonio Rubio und Joachim Alcine, die abwarteten, bis er sich müde geboxt hatte, und ihm dann das Nachsehen gaben. Diese bitteren Rückschläge halfen ihm letztlich dabei, fortan nicht nur auf den Dampf in seinen Fäusten zu setzen, sondern reifer zu werden und im Durchhaltevermögen eine der wesentlichsten Qualitäten eines erfolgreichen Boxers zu erkennen. [2]

Heute scheint er bereit zu sein, sich selbst mit den namhaftesten Gegnern wie Peter Quillin oder Miguel Cotto zu messen, wobei natürlich allen voran Gennadi Golowkin genannt wird. Der ungeschlagene Superchampion der WBA hat seit fünf Jahren sämtliche Kämpfe vorzeitig gewonnen und ist längst der Schrecken des Mittelgewichts, dem die Konkurrenz wenn irgend möglich aus dem Weg geht. US-amerikanische Kommentatoren schwärmen bereits von einem Duell zwischen Lemieux und dem Kasachen, da mit dem Kanadier endlich ein Kandidat in Erscheinung getreten ist, der womöglich genauso kräftig zuschlagen kann wie Golowkin. Dieser bereitet dem Boxgeschäft in den USA schon deswegen Bauchschmerzen, weil er kein Amerikaner, aber unbestreitbar besser als der Rest der Szene ist, was man inzwischen mehr oder minder zähneknirschend einräumt. Wenngleich David Lemieux gewiß kein bloßer Strohhalm ist, nach dem die Branche greift, wäre er doch gut beraten, genauer unter die Lupe zu nehmen, was Golowkin so gefährlich macht. Mit der nichtssagenden Standarderklärung, hinter seinen Schlägen stecke eben viel "Power", ist dem Phänomen "GGG" gewiß nicht beizukommen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/12/david-lemieux-stops-gabriel-rosado/#more-185327

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/12/is-david-lemieux-a-big-threat-at-middleweight/#more-185254

8. Dezember 2014