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MELDUNG/1627: Nur nicht das Gesicht verlieren! (SB)




Randnotiz zu einer Groteske

Die namentlich in den US-amerikanischen boxaffinen Gazetten und Webseiten seit Monaten hitzig geführte Debatte, ob Floyd Mayweather und Manny Pacquiao am 4. Mai in Las Vegas zusammen in den Ring steigen, nimmt längst groteske Züge an. Während sich die einen sicher sind, daß dieser Kampf stattfinden wird, verleihen andere ihrer Skepsis Ausdruck und führen Gründe an, warum es keinesfalls dazu kommen wird. Hieß es bereits, die Verhandlungen seien abgeschlossen und die Verträge unterschriftsreif, folgte postwendend die Gegendarstellung, noch sei überhaupt nichts geklärt. Allenthalben melden sich angebliche Insider zu Wort, du zuverlässig zu wissen vorgeben, sie seien über den tatsächlichen Stand der Gespräche im Bilde. Oftmals nur Stunden später erklären heftige Repliken solche Behauptungen für Hirngespinste aufgeblasener Wichtigtuer, die definitiv keine Ahnung hätten. Einige, die es eigentlich wissen müßten, hüllen sich in Schweigen, andere geben sich höchst zuversichtlich, um tags darauf in Pessimismus zu verfallen.

Hinzu kommt die wechselseitige Bezichtigung der Streitparteien, die jeweils andere blockiere die Gespräche. Als sich die beiden Hauptdarsteller jüngst in aller Öffentlichkeit trafen, hielt man jede noch so beiläufige Äußerung und selbst kleinste Gesten wie Offenbarungen zweier Propheten fest, die nur noch der Auslegung durch die mediale Hohepriesterschaft bedürften. Alles sei längst beschlossene Sache und das ganze Theater eine ausgeklügelte Werbekampagne, um das Publikumsinteresse zu binden und zu schüren, erklärten manche Experten. Als aber die Halbzeitpause des Super Bowl ohne die erwartete offizielle Ankündigung des Megaduells verstrichen war, wich die vorgehaltene Sicherheit der Prognosen einer gewissen Ratlosigkeit. Selbst die bereits vor Wochen vermeintlich bestätigte Einigung von Showtime und HBO scheint lediglich eine weitere Falschmeldung in der Kette andauernder Spekulationen gewesen zu sein, da kürzlich berichtet wurde, nicht die Promoter und Boxer, sondern die rivalisierenden Sender seien das Problem, da sie sich nicht einigen könnten.

Selbst die ewige Debatte, ob Mayweather oder Pacquiao der bessere Boxer sei und deshalb diesen Kampf - sollte er denn über die Bühne gehen - auf jeden Fall gewinnen werde, hängt einem längst zum Hals heraus. Gleiches gilt für die Äußerungen diverser weiterer Kandidaten, die ihrerseits gern gegen einen der beiden Superstars antreten würden, was zumindest im Frühjahr natürlich nur möglich ist, sofern die Verhandlungen zwischen den Platzhirschen scheitern. Man muß schon ein Faible für ebenso müßige wie entufernde Wenn-dann-Ketten und kein Problem mit endlosen Wiederholungsschleifen haben, um nicht die Reißleine zu ziehen und erst dann wieder ein Wort über die Malaise zu verlieren, wenn eine endgültige Entscheidung in der einen oder anderen Richtung gefallen ist.

Was allerdings von gewissem Interesse sein könnte, ist die Erörterung der Frage, aus welchen Beweggründen die verschiedenen Fraktionen ein Geschäft dieser Größenordnung aufs Spiel setzen oder womöglich sogar platzen lassen. Schließlich handelt es sich nicht nur um ein sportliches Duell von geradezu epischen Ausmaßen, sondern auch um den absehbar umsatzstärksten Kampf in der Geschichte des Boxsports, der alle früheren Rekordmarken Floyd Mayweathers weit in den Schatten stellen könnte. Geschätzte zwei Millionen Buchungen im Bezahlfernsehen, dazu die internationalen Übertragungsrechte, die Einkünfte vor Ort in Las Vegas sowie diverse weitere Posten würden dem weltweit bestverdienenden Sportler einen weiteren finanziellen Höhenflug bescheren. Pacquiao, der den kleineren Teil der Gesamtbörse bekäme, würde immer noch weitaus mehr verdienen als mit jedem anderen Kampf, der gegenwärtig oder zukünftig für ihn denkbar wäre. Beide haben in ihrer Karriere längst so viel verdient, daß sie auf diesen gewaltigen Happen nicht wirklich angewiesen sind, was jedoch seiner Anziehungskraft keinen Abbruch täte.

Auch Promoter Bob Arum auf seiten des Philippiners, der Berater Al Haymon für Floyd Mayweather, die Trainer und diversen Betreuer, nicht zuletzt die beiden Sender kämen auf ihre Kosten. Daß allseits um das größtmögliche Stück vom Kuchen nach Kräften gefeilscht und gepokert wird, liegt auf der Hand. Würde man aber so weit gehen, um des eigenen geldwerten Vorteils willen das ganze Geschäft in den Sand zu setzen? Wenngleich bekanntermaßen riesige Egos, eine tiefe Abneigung zwischen Arum und Mayweather wie auch ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen Showtime (Mayweather) und HBO (Pacquiao), die sonst nie zusammenarbeiten, das Feld beherrschen und man daher Überreaktionen nie gänzlich ausschließen kann, sind doch alle Beteiligten zugleich sturmerprobte und erfolgreiche Geschäftsleute, die ihre Handlungsweise allenfalls bedingt von Launen diktieren lassen.

Um die befremdlichen Vorgänge zu entschlüsseln, mag es hilfreich sein, die gängige Vorstellung, was ein gutes Geschäft ist, auf den Prüfstand zu stellen. Offenbar ist die enorme Geldsumme, die jeder der beiden Parteien in Aussicht steht, nicht die einzige, ja nicht einmal die entscheidende Größe in diesem monatelangen Armdrücken, das die potentiellen Kunden auf Dauer eher zu verprellen droht als zu begeistern verspricht. Der einträgliche Abschluß von heute tritt hinter den perspektivischen Zugewinn von morgen zurück, der wie immer nur zu Lasten der Konkurrenz erwirtschaftet werden kann. In diesem Machtkampf will niemand eine Schwäche zeigen, da es nicht so sehr um die absolute Höhe des aktuellen Profits, als vielmehr die Relation zu dem des Rivalen geht, die man künftig fortzuschreiben und zu eigenen Gunsten auszubauen hofft. Das hat allenfalls bedingt etwas mit einem Ansehensverlust im landläufigen und zumeist psychologisch mißdeuteten Sinne zu tun. Das Gesicht zu verlieren, indem man sich in diesem Ringen unterwirft, kann unabsehbare Folgen haben - zumindest in einem Kräftemessen dieser Größenordnung, das die gesamte Branche gebannt verfolgt.

5. Februar 2015


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