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MELDUNG/1704: Aberwitz läßt grüßen (SB)



Geschäftsgebahren der Verbände schaufelt deren eigenes Grab

Mit drei verschiedenen Weltmeistern in den meisten Gewichtsklassen treibt die WBA die inflationäre Verwendung dieses Titels auf ihre letztendlich ruinöse Spitze. Was den Superchampion vom regulären Weltmeister und diesen vom Interimsweltmeister unterscheidet, dürfte dem breiteren Sportpublikum nicht nur unbekannt, sondern so gleichgültig wie über kurz oder lang das gesamte Profiboxen sein, das um kurzfristiger Profitinteressen willen abgewirtschaftet wird. Kein Wunder, daß ein finanzstarker Monopolist wie der sogenannte Berater Al Haymon, der inzwischen 180 mehr oder minder namhafte Boxer unter Vertrag hat, durchaus in der Lage sein könnte, den Einfluß der Verbände nicht nur einzuschränken, sondern diese sogar vollständig aus dem Feld zu schlagen.

Da die Weltverbände bei allen Titelkämpfen einen prozentualen Anteil an den Börsen abkassieren, liegt ein wesentliches finanzielles Motiv auf der Hand, möglichst viele Weltmeister zu kreieren. Mitunter sieht sich jedoch selbst die WBA veranlaßt, den einen oder andern Titelträger am grünen Tisch zu degradieren, was sich jedoch wiederum handfesten kommerziellen Interessen des Verbands verdankt. So hat die WBA nun dem seit fast einem Jahr untätigen Briten Carl Froch den Gürtel des regulären Weltmeisters im Supermittelgewicht abgenommen. Ein Champion, der nicht boxt und damit auch keine Einkünfte des Verbands generiert, ist auf die Dauer nutzlos für die WBA, zumal sich über einen solchen verblassenden Stern auch kein Einfluß in der Branche ausbauen läßt.

Den höchsten Rang des Superchampions der WBA bekleidet weiterhin der US-Amerikaner Andre Ward, der allerdings sogar schon 16 Monate nicht mehr im Ring gestanden hat. Da der in Oakland lebende Boxer jedoch in 27 Auftritten ungeschlagen ist und darauf brennt, endlich wieder kämpfen zu können, stellt er für den Verband einen Aktivposten dar, dem man gerne Zugeständnisse macht. So darf er am 20. Juni in einem Nichttitelkampf gegen den Briten Paul Smith antreten, dem man nach seinen beiden Niederlagen gegen Arthur Abraham allenfalls eine minimale Außenseiterchance gegen den Kalifornier einräumt. [1]

Die plötzliche Eile des Verbands, Froch den Titel abzunehmen, ist verständlich, ließ sich mit diesem Manöver doch der heutige Kampf zwischen Felix Sturm und Fedor Tschudinow in der Frankfurter Festhalle aufwerten. Sollte dessen Sieger ursprünglich neuer Interimsweltmeister werden, so winkt ihm nun sogar der Gürtel des regulären Champions, den keiner von beiden verdient hat, legt man ausnahmsweise einmal halbwegs solide sportliche Maßstäbe an. Formal geht zwar alles mit rechten Dingen zu, da der 27jährige Russe die WBA-Rangliste anführt und der neun Jahre ältere Kölner gleich dahinter an Nummer zwei folgt. Was sie jedoch dort zu suchen haben, wäre völlig schleierhaft, wollte man eine Rangliste allen Ernstes mit einer mehr oder minder realistischen Einstufung nach dem aktuellen Können verwechseln.

Das ist jedoch bekanntlich eher selten der Fall, und so könnte Tschudinow heute sogar Weltmeister werden, obwohl er erst zwölf Kämpfe bestritten und dabei so unbekannte Gegner wie zuletzt Ben McCulloch und Andy Perez geschlagen hat. Demgegenüber bringt Sturm mit 38 Siegen, vier Niederlagen und zwei Unentschieden eine wesentlich größere Erfahrung samt dem Makel mit, bereits viermal einen Titel verloren zu haben. Im November 2014 trennte er sich unentschieden von Robert Stieglitz, im Mai hatte er gegen den bereits 40 Jahre alten hauptberuflichen Lastwagenfahrer Sam Soliman aus Australien einstimmig nach Punkten Kampf und IBF-Titel verloren. Darf ein Boxer mit einer solchen aktuellen Bilanz um den Gürtel des Weltmeisters kämpfen? Bei der WBA schon, die Sturm schon in der Vergangenheit protegiert hat, als er noch Superchampion im Mittelgewicht war und vor Gennadi Golowkin weglief. [2]

Carl Froch sollte eigentlich gegen Andre Ward antreten, wird nun aber wohl seine Karriere für beendet erklären. Er hatte bereits den Titel der IBF niedergelegt, weil er nicht gegen deren Pflichtherausforderer James DeGale antreten wollte, sondern Grandioses im Sinn hatte. Andre Ward wäre eine solche große Nummer für den Briten gewesen, der jedoch offenbar darauf bestand, in seiner Heimatstadt Nottingham anzutreten, wo er den Kalifornier im Jahr 2009 umstritten nach Punkten geschlagen hat. Ward, der sich seither betrogen fühlte, wäre wohl sogar bereit gewesen, in London gegen Froch zu kämpfen, obwohl er als Superchampion höherrangig und damit Titelverteidiger in diesem Duell gewesen wäre. Wenngleich die Streitpunkte in den Gesprächen zwischen Froch und Ward nicht bis ins letzte bekannt sind, kann man doch davon ausgehen, daß der Brite und sein Promoter Eddie Hearn keine Interesse an einer Revanche gegen Andre Ward hatten. [3]

Ob der Sieger von Frankfurt verpflichtet wird, sich an Frochs Stelle mit dem Kalifornier zu messen, ist ungewiß. Keiner der beiden Kandidaten würde dieses Abenteuer mit heiler Haut überstehen, so daß man im Falle Sturms eher von einem weiteren innerdeutschen Duell ausgehen kann. Tschudinow ist zwar relativ langsam, kann aber ordentlich zuschlagen, weshalb ihn der Kölner vermutlich ausboxen wird. Danach könnte er sich dem amtierenden WBO-Weltmeister Arthur Abraham zuwenden und mit diesem zusammen ein Spektakel auf die Beine stellen, das in Deutschland zweifellos auf enormes Publikumsinteresse stieße. Abraham hat schon dreimal gegen Stieglitz gekämpft, ein viertes Duell ist bereits von der WBA angemahnt worden, die den früheren Champion aus Magdeburg an Nummer eins ihrer Rangliste führt. Wie dieser Umstand belegt, ist aberwitziges Geschäftsgebahren kein Alleinstellungsmerkmal der WBA.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/12795/wba-clarifies-its-position-on-middleweight-titleholders

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/05/felix-sturm-vs-fedor-chudinov-to-fight-for-frochs-vacated-wba-168lb-title-this-saturday/#more-192772

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/05/froch-stripped-of-his-wba-title-for-failing-to-defend-it/#more-192768

9. Mai 2015


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