Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1780: Zukunftsentwurf auf tönernen Füßen (SB)



Oscar de la Hoya lobt "Canelo" über den grünen Klee

Nach den Worten des Präsidenten der Golden Boy Promotions, Oscar de la Hoya, ist der Kampf zwischen Saul "Canelo" Alvarez und Miguel Cotto um dessen WBC-Titel im Mittelgewicht bedeutsamer als das Duell mit Floyd Mayweather im September 2013. Sollte es dem Mexikaner gelingen, am 21. November die Oberhand zu behalten, steige er zur neuen Mummer eins im Boxsport auf und werde diese Ausnahmestellung in den nächsten zehn Jahren behalten. Diese kühne Prognose ist offensichtlich der Hoffnung geschuldet, angesichts des absehbaren Rückzugs Mayweathers die Frage der Nachfolge vorab zu eigenen Gunsten zu entscheiden und die Szene auf diese Perspektive einzustimmen.

De la Hoya jongliert bei dieser Vorhersage mit einer ganzen Reihen von Unbekannten und Auslassungen, die bereits im Detail und erst recht in ihrer Gesamtheit die skeptische Einschätzung erhärten, daß das vollmundige Vermarktungskonzept um Saul Alvarez auf tönernen Füßen steht. Zum ersten ist Floyd Mayweather noch nicht zurückgetreten. Wenngleich er versichert, der bevorstehende Kampf gegen Andre Berto sei der definitiv letzte seiner Karriere, ist ein Sinneswandel nicht auszuschließen. Zum zweiten muß sich "Canelo" erst einmal gegen Cotto durchsetzen, und dies auch noch in derart überzeugender Manier, daß man ihn anschließend als künftigen Superstar verkaufen kann. Und nicht zuletzt müßte der Mexikaner eher früher als später gegen Gennadi Golowkin antreten, der längst als der führende Akteur im Mittelgewicht gehandelt wird. Derzeit hätte Alvarez kaum eine Chance, den Kasachen zu besiegen. Zögerte er die Bewährungsprobe aber zwei oder drei Jahre hinaus, stünde der Vorwurf im Raum, er habe Angst vor dieser Konfrontation.

Zudem bedarf es gar keines Vorgriffs auf künftige Eventualitäten, um "Canelos" Anspruch auf Vorherrschaft in Zweifel zu ziehen. Er hat gegen Mayweather so deutlich nach Punkten verloren, daß man von einer regelrechten Lektion sprechen konnte. Zwar setzte er sich in der Folge gegen namhafte Kontrahenten wie Austin Trout und Erislandy Lara durch, doch wurden in beiden Fällen kritische Stimmen laut, die das Ergebnis in Zweifel zogen. Alvarez ist ohne Frage ein guter Boxer, der eine riesige Fangemeinde in den USA und in Mexiko mobilisieren kann. Sollte er Cotto entthronen, wäre er einer der prominentesten und populärsten Akteure seiner Gewichtsregion, doch keineswegs eine Ausnahmeerscheinung mit boxerischen Qualitäten, die ihresgleichen suchen.

Seine Fähigkeiten reichten für den Defensivkünstler und Konterboxer Floyd Mayweather bei weitem nicht aus und würden ihn ebensowenig in die Lage versetzen, den verheerenden Angriffen Gennadi Golowkins Paroli zu bieten. De la Hoya wird aller Voraussicht nach abwarten und hoffen, daß der Kasache in einigen Jahren den Zenit seines Könnens überschritten hat, ehe er Alvarez gegen ihn kämpfen läßt. Davon abgesehen dürfte es noch etliche weitere Kandidaten geben, mit denen "Canelo" seine liebe Mühe hätte. [1]

Der 25jährige Mexikaner ist sich solcher skeptischen Einwände natürlich bewußt. Wie er erklärt, habe er bei der Niederlage gegen Floyd Mayweather viel gelernt, dem es gelungen sei, ihn in der ersten Runde zu überraschen. Seither habe er hochklassige Gegner besiegt und sei als Boxer gereift, was Cotto zu spüren bekommen werde. Dem ist jedoch zu entgegnen, daß ihn Mayweather damals neun Runden lang überrascht hatte und bis zum Ende dominierte, wenngleich er es in den letzten drei Durchgängen etwas ruhiger angehen ließ. Verglichen damit machte der Argentinier Marcos Maidana in seinen beiden Kämpfen gegen Mayweather eine wesentlich bessere Figur, obwohl er nicht annähernd so groß und schwer wie "Canelo" ist.

Was genau Alvarez gelernt haben will, wurde auch in seinen darauffolgenden Kämpfen nicht recht ersichtlich, zumal er von Erislandy Lara ihn ähnlicher Weise wie im Duell mit Mayweather vorgeführt wurde. Deshalb hat Cotto durchaus eine Chance, den Mexikaner zu besiegen, sofern er versucht, ihn konsequent auszuboxen. Stellt er sich "Canelo" zum offenen Schlagabtausch, sieht es hingegen schlecht für den Puertoricaner aus, da er einem körperlich klar überlegenen Kontrahenten gegenübersteht, der die Statur eines Halbschwergewichtlers und nach dem offiziellen Wiegen sicher kräftig Gewicht zugelegt hat. [2]

Unterdessen streut Cottos Trainer Freddie Roach das Gerücht aus, Saul Alvarez habe bei einigen Trainingseinheiten in einer seiner Sportschulen nicht gerade einen fleißigen Eindruck gemacht und bekomme offenbar rasch Konditionsprobleme. Man werde ihn daher frühzeitig mit Körpertreffern schwächen und später die Kontrolle übernehmen, um ihn auf die Bretter zu schicken. Wenngleich Roach dafür bekannt ist, die Gegner seiner Schützlinge im Vorfeld des Kampfs mit seinen Einlassungen zu irritieren und womöglich zu verunsichern, dürfte seine Einschätzung doch nicht ganz aus der Luft gegriffen sein. Zumindest hatte der Mexikaner im Duell mit Austin Trout gravierende Probleme mit dessen Schlägen zum Körper und zog sich in der zweiten Hälfte des Kampfs immer wieder in die Seile zurück, als suche er Erholungspausen. Miguel Cotto, der nicht nur leichter und beweglicher als sein Widersacher ist, sondern auch gefährlich zuschlagen kann, sollte konditionell in der Lage sein, mögliche Schwächen des Gegners bei steigender Rundenzahl zu seinem Vorteil zu wenden. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/08/de-la-hoya-canelo-will-be-the-no-1-fighter-in-boxing-for-the-next-10-years-if-he-beats-cotto/#more-197972

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/08/canelo-i-have-learned-from-the-mayweather-fight/#more-197951

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/08/roach-canelo-is-lazy-and-has-stamina-problems/#more-197965

27. August 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang