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MELDUNG/1817: Zwerge prügeln geht denn doch zu weit (SB)



Terry Flanagan überrollt den winzigen Diego Magdaleno

Terry Flanagan hat den Titel der WBO im Leichtgewicht erfolgreich verteidigt. Er setzte sich in seiner Heimatstadt Manchester bereits in der zweiten Runde gegen den Ranglistenersten Diego Magdaleno aus den USA durch und blieb damit in 29 Profikämpfen ungeschlagen. Für den in Las Vegas lebenden Herausforderer stehen nun 28 Siege und zwei Niederlagen zu Buche.

Beim ersten von drei Niederschlägen in der zweiten Runde traf Flanagan seinen Gegner mit der Rechten, als dieser gerade ausrutschte und daraufhin zu Boden stürzte. Dennoch wertete Ringrichter Terry O'Connor diesen Zwischenfall als reguläre Aktion. Wenig später stellte der Lokalmatador den Kontrahenten an den Seilen und schickte ihn mit der Linken erneut auf die Bretter. Der dritte und letzte Niederschlag resultierte definitiv aus einer regelwidrigen Aktion, da der Champion seinen Gegner mit einer Hand am Hinterkopf festhielt, während er mit der anderen zweimal zuschlug. Die Auseinandersetzung endete schließlich nach 2:38 Minuten dieses Durchgangs, als Magdaleno an den Seilen Schläge in Serie einstecken mußte, worauf der Referee einschritt und den Herausforderer aus dem Kampf nahm.

Trotz dieses unangefochtenen und raschen Erfolgs kann man schwerlich von einer Glanzleistung des Weltmeisters sprechen, spottete das körperliche Mißverhältnis doch jeder Beschreibung. Der 1,77 m große Brite überragte seinen Kontrahenten nicht nur um 9 cm, sondern wirkte nach dem Rehydrieren wie ein leichter Mittelgewichtler von etwa 70 kg. Der demgegenüber geradezu winzig erscheinende Magdaleno hatte schlichtweg keine Chance, dieser Masse etwas entgegenzusetzen. Daß Flanagan es schafft, vor dem offiziellen Wiegen derart viel Gewicht zu reduzieren, das er hinterher wieder zulegt, verzerrt nicht nur die Wettkampfbedingungen ins Absurde, sondern ist auf Dauer auch seiner Gesundheit abträglich. Für gewöhnlich ist ein solcher Vorgang mit einer unmittelbaren Schwächung verbunden, die im aktuellen Fall wohl nur deshalb nicht zum Tragen kam, weil der Kampf nicht über eine längere Distanz ging.

Flanagan sollte vernünftigerweise im Weltergewicht antreten, wo seine Chancen freilich weitaus schlechter stünden als gegen körperlich unterlegene Kontrahenten im Leichtgewicht. Seinen Sieg relativiert zudem der Umstand, daß Magdaleno im Grunde nicht zu den Top 10 seiner Gewichtsklasse gehört. So sind Yuriorkis Gamboa, Rances Barthelemy, Miguel Vazquez, Mickey Bey, Ray Beltran und Denis Schafikow weit stärker einzuschätzen, was die Rangliste der WBO, deren Nummer eins Magdaleno bislang war, zu einem unerforschlichen Mysterium macht.

Promoter Frank Warren möchte Terry Flanagan am liebsten bereits am 19. Dezember erneut in den Ring schicken, wo er im Vorprogramm des Titelkampfs der Mittelgewichtler Andy Lee und Billy Joe Saunders auftreten könnte. Nach dem schnellen Gang mit Diego Magdaleno wäre das nicht einmal zu kurzfristig, doch war von leichten Verletzungen des Weltmeisters im Trainingslager die Rede, die den Plan durchkreuzen könnten. [1]

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Liam Smith neuer WBO-Champion im Halbmittelgewicht

Liam Smith ist neuer Weltmeister der WBO im Halbmittelgewicht. Der 27jährige sicherte sich in Manchester durch einen Sieg über den ein Jahr jüngeren John Thompson in der siebten Runde den vakanten Titel. Der ungeschlagene Champion aus Liverpool, für den 21 Siege sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, wurde bislang an Nummer drei der WBO-Rangliste geführt. Zwei Plätze dahinter stand sein Gegner aus Newark, New Jersey, der nun 17 gewonnene und zwei verlorene Auftritte vorzuweisen hat.

In den ersten fünf Runden machte Smith keine gute Figur, da er von dem US-Amerikaner nach Strich und Faden ausgeboxt wurde. Hätte Thompson in dieser Phase alles auf eine Karte gesetzt und den Briten mit seinen schnellen Schlägen heftiger attackiert, wäre ein umgekehrtes Ergebnis nicht auszuschließen gewesen. So aber gelang es dem Liverpooler in der sechsten Runde, einen linken Haken ins Ziel zu bringen, von dessen Folgen sich Thompson nicht mehr erholte. Sichtlich angeschlagen und aus dem Tritt gebracht, mußte er weitere Treffer einstecken. In der folgenden Runde setzte Smith energisch nach und schlug so lange auf seinen Gegner ein, bis dieser zu Boden stürzte und der Kampf nach 1:44 Minuten abgebrochen wurde.

Vor der entscheidenden Aktion hatte der Brite seinen Gegner allerdings in Ringermanier zu Boden geworfen, ohne daß der Referee diese regelwidrige Aktion geahndet hätte. Auch dies trug zu dem Eindruck bei, daß sich die einheimischen Akteure bei dieser Veranstaltung in Manchester eines gewissen Freibriefs in der Wahl ihrer Mittel erfreuten. Davon abgesehen gibt es im Halbmittelgewicht wesentlich gefährlichere Kontrahenten als Thompson, wenn man beispielsweise an Erislandy Lara, Demetrius Andrade oder die Zwillingsbrüder Jermall und Jermell Charlo denkt. Auch in der ansonsten seltsam schwach besetzten WBO-Rangliste tauchen mit Austin Trout, Vanes Martirosian und Michel Soro zumindest drei Kandidaten auf, die Liam Smith größte Probleme bereiten könnten. Frank Warren möchte auch seinen neuen Champion am 19. Dezember boxen lassen, sofern dieser es wünscht. Es würde sich dann um eine freiwillige Titelverteidigung gegen einen leichten Gegner handeln, an denen es unter den Top 15 der WBO-Rangliste nicht mangelt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/flanagan-vs-magdaleno-live-results/#more-200214

13. Oktober 2015


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