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MELDUNG/1821: Wachablösung in Down Under (SB)



Joseph Parker demontiert Kali Meehan

Der in 16 Profikämpfen ungeschlagene neuseeländische Schwergewichtler Joseph Parker hat in Auckland den in Australien lebenden Kali Meehan in der dritten Runde bezwungen und damit den fünften vorzeitigen Sieg in Folge eingefahren. Während der 23jährige Hoffnungsträger damit seinen bislang namhaftesten Kontrahenten in die Schranken weisen konnte, dürfte der Abschied des 43 Jahre alten Australiers eingeläutet sein, für den nunmehr 42 gewonnene und sechs verlorene Auftritte zu Buche stehen.

Der 1,96 m große Meehan hielt dem nur wenige Zentimeter kleineren Parker lediglich in der ersten Runde stand. Gleich zu Beginn des zweiten Durchgangs mußte er schwere Treffer einstecken, und dieses Bild wiederholte sich gegen Ende der Runde, als der Australier nach einer Rechten Parkers taumelte und sich nur mühsam auf den Beinen halten konnte. Sichtlich angeschlagen und von Schwellungen an beiden Augenpartien gezeichnet, suchte er zur Pause müde seine Ecke auf und schien kaum noch in der Lage zu sein, einen weiteren Durchgang zu überstehen.

Joseph Parker, der von Beginn an mit voller Wucht zugeschlagen hatte, wurde von seinem Trainer zwischen den Runden ermahnt, sich etwas zurückzunehmen und seine Treffer in dieser Phase lediglich zu plazieren, ohne auf einen Niederschlag zu drängen. Anzukommen schien diese Botschaft aber nicht, da sein Schützling nach wie vor alles in seine Schläge legte und Meehan in der dritten Runde in die Seile trieb, wo er ihn heftig mit beiden Händen bearbeitete. Nach einer schweren Rechten ging der Australier schließlich zu Boden und wurde von Ringrichter Ferlin Marsh nach einer Minute des Durchgangs aus dem Kampf genommen, als er sich mühsam aufraffen wollte. Im selben Augenblick kam aus Meehans Ecke, wo man offensichtlich denselben Schluß wie der Referee gezogen hatte, das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe geflogen. [1]

Nach dieser Niederlage dürfte sich Meehans Karriere ihrem Ende zuneigen, deren Höhepunkte inzwischen geraume Zeit zurückliegen. Er bekam am 4. September 2004 die Chance, gegen den WBO-Weltmeister Lamon Brewster um den Titel zu kämpfen. Der Australier verlor diesen Kampf in Las Vegas nur knapp und umstritten nach Punkten. Bei seinem nächsten Auftritt im November 2004 traf er auf den früheren Champion Hasim Rahman, dem er sich in der vierten Runde geschlagen geben mußte. Es folgten einige Aufbaukämpfe gegen unbekanntere Gegner, worauf er im Oktober 2007 den US-Amerikaner DaVarryl Williamson vorzeitig besiegte.

Obgleich Meehan nach einem Auftritt im August 2008 eine lange Pause von 21 Monaten einlegte, blieb er dank seines damals noch einflußreichen Promoters Don King in der WBA-Rangliste gut plaziert. Dies bescherte ihm einen Ausscheidungskampf gegen den ehemaligen WBA-Weltmeister Ruslan Tschagajew, dessen Sieger neuer Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos werden sollte. Der Kampf ging am 22. Mai 2010 in der Rostocker Stadthalle über die Bühne und endete mit einem klaren Punktsieg des Usbeken.

Wie Parker nach seinem Sieg über Meehan zutreffend hervorhob, sei dies angesichts der bedeutenden Kämpfe, die sein Gegner in der Vergangenheit bestritten hatte, sein bislang prominentestes Opfer. Er würdige den Australier als einen ein wahren Krieger, da dieser von Beginn an schwere Treffer weggesteckt habe, die viele andere Boxer unweigerlich von den Beinen geholt hätten.

Der aufstrebende Neuseeländer bestätigte in diesem Kampf erneut seine enorme Schlagwirkung wie auch den Biß, nicht lockerzulassen und seinen Gegner in die Enge zu treiben. Zugleich boxte er jedoch offen wie ein Scheunentor und gab Meehan durchaus Gelegenheit, sich mit diversen Treffern zu revanchieren. Wie sich außerdem zeigte, scheint Parker nur in der Halbdistanz oder dicht am Mann seine Wucht entfalten zu können. Sollte er eines Tages auf hochgewachsene Gegner wie Wladimir Klitschko, Deontay Wilder, Tyson Fury, Anthony Joshua, Dillian Whyte oder Kubrat Pulew treffen, die aus der Distanz gefährlich schlagen und sich seine schwache Deckungsarbeit zunutze machen können, sähe es schlecht für ihn aus.

Der 45jährige Kali Meehan war schlichtweg nicht mehr schnell genug, um seine Größe und Reichweite erfolgreich umzusetzen. Dies erlaubte es Parker, ihn ohne Rücksicht auf Verluste mit aller Gewalt unter Druck zu setzen, bis er unter den Schlägen zusammenbrach. Dieser brachialen Kampfesweise werden weitere Gegner erliegen, doch läuft der Neuseeländer auf die Dauer Gefahr, die Entwicklung weiterer boxerischer Fertigkeiten zu vernachlässigen. Angesichts seines Alters von 23 Jahren hat er natürlich noch Zeit, die erforderliche Palette zu komplettieren. Er wäre jedoch sicher gut beraten, besser heute als morgen auf seinen Trainer zu hören und den frühzeitigen Erfolg nicht gegenüber dem Lernen zu verabsolutieren.

Dies gilt um so mehr, als vielversprechende junge Boxer heutzutage längst nicht mehr so umsichtig aufgebaut werden, wie das in der Vergangenheit üblich war. Insbesondere ungeschlagene Schwergewichtler werden als Titelaspiranten gehandelt, kaum daß sie ein gutes Dutzend Kämpfe gewonnen haben. So taucht der Name Joseph Parker inzwischen wie selbstverständlich in jeder Aufzählung hochkarätiger Akteure der Königsklasse auf, als habe er fast schon Platz am Tisch der Titelaspiranten genommen. Das mag sogar zutreffen, doch übersieht ein Neuling dabei allzu leicht, daß er dort unversehens Gefahr läuft, an dieser Tafel nicht etwa mitzuspeisen, sondern das Futter der Platzhirsche abzugeben, die stets auf der Suche nach unverbrauchtem Nachwuchs sind.

Fürs erste geht es Joseph Parker darum, seine Siegesserie zügig auszubauen. Er will sich bereits am 5. Dezember in Hamilton sein nächstes Opfer zur Brust nehmen, das es in den kommenden Wochen noch auszusuchen gilt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/joseph-parker-tkos-kali-meehan/#more-200597

17. Oktober 2015


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