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MELDUNG/1852: Die Revanche folgt auf dem Fuße (SB)



Wladimir Klitschko macht von der Rückkampfklausel Gebrauch

Nach kurzer Bedenkzeit hat sich Wladimir Klitschko entschlossen, von der Rückkampfklausel im Vertrag mit seinem Bezwinger Tyson Fury Gebrauch zu machen. Wie der als Weltmeister entthronte Ukrainer mitgeteilt hat, habe ihn unmittelbar nach der Niederlage zutiefst frustriert, daß er im Kampf gegen den britischen Herausforderer weit unter seinen Möglichkeiten geblieben sei. Einige kurze Nächte später sei ihm jedoch klargeworden, daß er unbedingt in einer Revanche zeigen wolle, daß er es viel besser könne als bei seinem Titelverlust am vergangenen Samstag in Düsseldorf. Beim zweiten Aufeinandertreffen mit Fury sei Scheitern keine Option.

Nachdem über 50.000 Zuschauer die Arena gefüllt hatten, könnte ein geschickt inszenierter Rückkampf trotz der enttäuschenden Vorstellung beider Akteure zu einem Medienspektakel avancieren. Klitschkos Manager Bernd Bönte denkt bereits laut über weltweites Interesse an diesem Duell nach, das es seines Erachtens zum "Kampf des Jahres 2016" bringen könnte. Bei ihm seien derart viele Anfragen von Fans und Journalisten eingegangen, daß sich eine Revanche geradezu aufdränge. Er werde in Kürze Gespräche mit Furys Promoter Mick Hennessy aufnehmen, um die Einzelheiten wie Ort und Datum zu erörtern.

Aus dem Lager des neuen Champions verlautete bereits, daß das Londoner Wembley-Stadion der ideale Austragungsort sei. Dort hatten im Mai 2014 rund 80.000 Zuschauer dem zweiten Kampf zwischen Carl Froch und seinem britischen Landsmann George Groves beigewohnt. Auszuschließen ist jedenfalls nicht, daß auch die beiden Schwergewichtler für eine ähnlich gewaltige Kulisse sorgen könnten. Furys Beschwerden über ungeeignete Handschuhe, falsches Wiegen, einen zu weich gepolsterten Ringboden und den mutmaßlichen Versuch, ihm nach dem Kampf Drogen mit dem Trinkwasser einzuflößen, kann man wohl unter der Rubrik inszenierte Fehde verbuchen, die bereits die Weichen für eine lukrative Neuauflage stellt. [1]

Kaum hatte Tyson Fury die Gürtelsammlung gewonnen, als sich der Verband IBF zu Wort meldete und dem neuen Weltmeister eine Frist von 30 Tagen einräumte, um sich mit dem Pflichtherausforderer Wjatscheslaw Hlaskow zu einigen. Sollten die beiden Lager keine Übereinkunft erzielen, werde eine Versteigerung der Austragungsrechte anberaumt. Folgenden Tags setzte Promoterin Kathy Duva von Main Events in Vertretung des Ukrainers die IBF davon in Kenntnis, daß sie keine Verhandlungen wünsche und statt dessen eine sofortige Versteigerung beantrage. Das ist zwar sehr ungewöhnlich, nach den Statuten der IBF aber durchaus möglich, die dem Ersuchen tatsächlich stattgab und sofort den 11. Dezember als Termin ansetzte.

Der auf den ersten Blick überraschende Schritt Kathy Duvas wird angesichts der plausiblen Befürchtung nachvollziehbar, daß Fury bei der IBF beantragen könnte, seinen Titel zunächst freiwillig zu verteidigen und erst danach gegen den Pflichtherausforderer anzutreten. Ihr Antrag auf eine sofortige Versteigerung schließe nach den Regularien des Verbands eine Ausnahmegenehmigung für Fury aus, räumt Hlaskows Promoterin freimütig einen taktischen Schachzug zugunsten des bei Main Events unter Vertrag stehenden Boxers ein. Dessen ungeachtet stehe sie in Telefonkontakt mit ihrem britischen Kollegen Mick Hennessy.

Es wird jedoch aller Voraussicht nach weder zu der Versteigerung noch einem Kampf gegen Hlaskow kommen. Da Klitschko von der Option einer sofortigen Revanche Gebrauch macht, hat diese Vorrang. Die IBF wird ihren Titel wahrscheinlich für vakant erklären, worauf der Ukrainer gegen Charles Martin um den Gürtel kämpfen und wohl auch auf einem relativ leichten Weg gewinnen würde. Wjatscheslaw Hlaskow, der bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing eine Bronzemedaille im Superschwergewicht gewonnen hatte, ist im Profilager mit einer Bilanz von 21 Siegen und einem Unentschieden bislang ungeschlagen. Letzteres gilt auch für seinen möglichen Gegner Charles Martin aus Carson in Kalifornien, für den 22 Siege und ein Unentschieden zu Buche stehen.

Dem 31jährigen Hlaskow, der sich kürzlich in Fort Lauderdale, Florida, niedergelassen hat, liegt andererseits auch ein Angebot des WBC-Weltmeisters Deontay Wilder vor, am 16. Januar in New York gegen ihn anzutreten. Kathy Duva verhandelt derzeit mit Wilder, so daß dem Ukrainer alle Türen offenzustehen scheinen. Wie seine Promoterin erklärte, trage sie derzeit alle Informationen zusammen und werde mit Hlaskow wie auch dessen Manager Egis Klimas beraten, was am besten zu tun sei. Mit einer raschen Entscheidung könne man dennoch rechnen, so Duva. [2]

Unterdessen hat Mick Hennessy in harschen Worten klargestellt, daß Tyson Fury den Gürtel der IBF eher in die Mülltonne werfen werde, als wie vom Verband gefordert gegen Wjatscheslaw Hlaskow anzutreten. Am Montag habe die IBF überraschend eine Frist für Verhandlungen mit dem Lager des Ukrainers gesetzt, um dann am Dienstag mitzuteilen, daß es sofort zu einer Versteigerung kommen werde. Dies sei ohne jede Rücksprache mit dem Weltmeister geschehen, der sich von niemandem auf diese Weise herumkommandieren lasse. Hlaskow sei von keinerlei Wert für den Champion, weshalb er als dessen Promoter auch kein Gebot abgeben werde, so Hennessy.

Die Revanche gegen Klitschko genieße absoluten Vorrang und sei der bedeutendste Kampf, den das Schwergewicht derzeit zu bieten habe. Sollte es die IBF vorziehen, einen Plastikkampf zusammenzuschustern und einen Plastikweltmeister zu küren, könne sie niemand daran hindern. Doch dieser Kampf und der dabei vergebene Gürtel wären ohne nennenswerte Bedeutung. [3]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14272563/wladimir-klitschko-decides-exercise-right-immediate-rematch-tyson-fury

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14268593/tyson-fury-ibf-mandated-defense-vs-vyacheslav-glazkov-heads-purse-bid

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14271931/tyson-fury-rather-bin-ibf-belt-fight-glazkov

3. Dezember 2015


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