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MELDUNG/1860: Angeber unter sich (SB)



Chris Eubank dominiert überforderten Gary O'Sullivan

Wie durchaus abzusehen war, hat sich Chris Eubank jun., Sohn der gleichnamigen Legende des britischen Boxsports, gegen den überforderten Iren Gary O'Sullivan durchgesetzt. Die Nummer eins der WBA-Rangliste im Mittelgewicht gewann in der Londoner O2 Arena den Ausscheidungskampf, dessen Sieger neuer Pflichtherausforderer des regulären Weltmeisters Daniel Jacobs ist, da sein hoffnungslos unterlegener Gegner von seinen Betreuern nach der siebten Runde aus dem Ring genommen wurde. Während der 26jährige Favorit aus Brighton seine Bilanz auf 21 Siege und eine Niederlage ausbaute, stehen für den fünf Jahre älteren O'Sullivan nunmehr 22 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche.

Hatte der Ire den Gegner schon im Vorfeld mehrfach provoziert, indem er ihn beispielsweise im Rahmen des offiziellen Wiegens am Vortag des Kampfs beim obligatorischen Anstarren kurzerhand küßte, so rächten sich diese Faxen bereits in der ersten Runde. Als er beide Fäuste demonstrativ hinter den Rücken hielt, um Eubank zum Angriff zu verleiten, nutzte dieser die Gelegenheit, dem überheblichen Außenseiter einen heftigen Schlag zu versetzen. Nachdem O'Sullivan im ersten Durchgang seinerseits einige Treffer erzielt hatte, war er mit seiner Kunst auch schon am Ende und beschränkte sich vom zweiten Durchgang an fast ausschließlich auf seinen Jab.

Nun fiel der Brite mit einem Hagel von Schlägen über den Kontrahenten her, der nach einem rechten Uppercut angeschlagen wirkte. Wenngleich O'Sullivan diese kritische Phase überstand, mußte er doch kurz vor der Pause zwei weitere heftige Uppercuts verkraften. Daß in dieser Phase ein frühes Ende in der Luft lag, verleitete Eubank zu der angeberischen Dummheit, die Hände sinken zu lassen, als könne ihm der Ire nichts mehr anhaben. Dieser nutzte das Geschenk und verpaßte dem Briten einen Volltreffer mit der Rechten, dem er wenig später weitere gelungene Schläge folgen ließ. Jetzt blutete Eubank aus der Nase und wirkte wie ein Boxer, der mit dem Sieg vor Augen plötzlich den Faden verloren hat.

O'Sullivan war jedoch schlichtweg zu limitiert in seinen Möglichkeiten, um das Blatt dauerhaft zu wenden. Schon in der vierten Runde ging Eubank wieder auf ihn los und bearbeitete ihm mit geschwinden Kombinationen, die er immer wieder mit dem rechten Uppercut anreicherte, der dem Iren besonders zu schaffen machte. Dieses Bild setzte sich bis in die siebte Runde fort, und da der Außenseiter kein Mittel erkennen ließ, den Kampf ausgeglichener zu gestalten, und nach Punkten aussichtslos im Rückstand lag, entschloß sich seine Ecke zur Aufgabe. [1]

Von einem souveränen Auftritt Chris Eubanks zu sprechen, verbietet sich jedoch schon deshalb, weil dieser trotz des überforderten Gegners erschreckend angreifbar wirkte. Er kämpfte zuletzt mit weit geöffnetem Mund, wirkte müde und boxte derart unpräzise, daß ihn ein gefährlicherer Kontrahent höchstwahrscheinlich schwer in Bedrängnis gebracht hätte. Warum sein Promoter Eddie Hearn ausgerechnet Gary O'Sullivan und nicht etwa einen anspruchsvollen Kontrahenten wie Tureano Johnson ausgesucht hatte, lag auf der Hand.

Eubank, der vor gut einem Jahr im Prestigekampf gegen seinen ebenfalls ungeschlagenen Landsmann Billy Joe Saunders die erste Niederlage bezogen hatte, scheint endgültig auf die Erfolgsspur zurückgekehrt zu sein. Er kämpfe gegen jeden, verkündete er selbstbewußt nach dem Sieg über den Iren, obgleich der keinesfalls ein echter Prüfstein für ihn gewesen war. Daß er sich zum Pflichtherausforderer qualifiziert hat und daher in absehbarer Zeit auf Daniel Jacobs treffen könnte, täuscht über den aktuellen Stand seines Könnens hinweg, das kaum ausreichen dürfte, um dem New Yorker Paroli zu bieten. [2]

Daniel Jacobs brauchte vor Wochenfrist nur 85 Sekunden, um seinen Titel in Brooklyn erfolgreich gegen den früheren WBO-Champion Peter Quillin zu verteidigen. Er besiegte den Favoriten durch technischen K.o. in der ersten Runde und verbesserte seine Bilanz auf 31 Siege und eine Niederlage. Geht man von diesem überzeugenden Auftritt aus, boxt der New Yorker deutlich schneller, präziser und wirksamer als Chris Eubank, der im Kampf gegen ihn absehbar untergehen würde. Ganz davon abgesehen, daß dem Titelträger diverse prestigeträchtigere und lukrativere Optionen winken, als gegen den Briten anzutreten, wird sich dessen Promoter sicher dreimal überlegen, ob er seinen Boxer tatsächlich vor diese nahezu unlösbare Aufgabe stellt.

Überdies gilt es zu berücksichtigen, daß Daniel Jacobs eine Stufe unter Gennadi Golowkin anzusiedeln ist, den der Verband WBA als seinen Superchampion im Mittelgewicht führt. Daß Eubank mehrfach erklärt hat, er habe Schwächen des Kasachen ausgemacht und traue sich durchaus zu, ihn zu besiegen, ist schlichtweg lächerlich, da die beiden nicht in derselben Liga boxen, was ihre Fähigkeiten betrifft. Eddie Hearn wird unter diesen Umständen wahrscheinlich versuchen, seinen Mittelgewichtler vorerst auch von Gegnern wie Daniel Jacobs oder Tureano Johnson fernzuhalten und durch Siege über handhabbare Kontrahenten weiterhin an der Spitze der WBA-Rangliste zu positionieren. Als Pflichtherausforderer könnte sich Eubank von Jacobs finanziell dafür entschädigen lassen, daß er seinen Anspruch zurückstellt. Auf diese Weise ließe sich für ihn zumindest für eine gewisse Frist das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14350596/chris-eubank-jr-beats-spike-osullivan-o2-arena-kevin-mitchell-career-left-doubt

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/eubank-jr-defeats-osullivan/#more-203207

14. Dezember 2015


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