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MELDUNG/1862: Zwischen den Zeilen gelesen (SB)



Übereinkunft zwischen Alvarez, Golowkin und dem WBC

Saul "Canelo" Alvarez und Gennadi Golowkin könnten im September 2016 den bedeutendsten Kampf austragen, den das Boxgeschäft im kommenden Jahr zu bieten hat. Bei einem Treffen in Los Angeles, an dem Eric Gomez (Golden Boy Promotions), Tom Loeffler (K2 Promotions) und WBC-Präsident Mauricio Sulaiman teilnahmen, wurde die Übereinkunft erzielt, daß die beiden Weltmeister zunächst jeweils eine freiwillige Titelverteidigung absolvieren dürfen, worauf sie anschließend in Verhandlungen über ihr Duell treten.

Alvarez wurde am 21. November in Las Vegas durch einen Sieg über Miguel Cotto neuer WBC-Champion im Mittelgewicht. Der 25jährige Mexikaner, für den 46 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden zu Buche stehen, will am 7. Mai seinen nächsten Auftritt geben, der vom Sender HBO im Bezahlfernsehen übertragen wird. Der populärste Boxstar seines Landes möchte dabei die zeitliche Nähe zum mexikanischen Feiertag Cinco de Mayo nutzen, um wie vordem Floyd Mayweather das größtmögliche Interesse der hispanischen Fangemeinde auf den Plan zu rufen.

Der 33 Jahre alte Golowkin ist in 34 Kämpfen ungeschlagen und Superchampion der WBA sowie Weltmeister der IBF und IBO im Mittelgewicht. Zudem genießt er als Interimschampion des WBC das Vorrecht, sich mit dem Weltmeister dieses Verbands zu messen. Deshalb ist Alvarez gehalten, sich mit dem Lager des in Los Angeles lebenden Kasachen zu einigen, will er den Titel nicht am grünen Tisch verlieren. Golowkin möchte im März oder April seinen nächsten Kampf bestreiten, der ebenfalls von HBO übertragen wird.

Sofern Alvarez und Golowkin ihre Auftritte für sich entscheiden, wird das WBC Ende Mai den beiden Parteien eine Frist von 15 Tagen setzen, um die Konditionen ihres Duells auszuhandeln. Sollten sie sich nicht einig werden, käme es zu einer Versteigerung der Austragungsrechte am Sitz des Verbandes in Mexiko-Stadt. Ist einer von beiden nicht in der Lage, den Kampf auszutragen, verliert er seinen Status, während der andere zum unangefochtenen WBC-Weltmeister erklärt wird.

Wie Sulaiman zudem ausführte, hätten die beiderseitigen Promoter offen und einvernehmlich kommuniziert. Es liege im Interesse aller Beteiligten, die bestmöglichen Bedingungen für ihre Boxer und das Publikum sicherzustellen wie auch das Regelwerk des WBC zu respektieren. Der Verbandspräsident ist offensichtlich bestrebt, diesen hochklassigen und lukrativen Kampf auf den Weg zu bringen. Zudem trifft es zu, daß Golden Boy und K2 bereits in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet haben, als sie das Duell zwischen David Lemieux und Gennadi Golowkin am 17. Oktober über die Bühne brachten, bei dem sich der Kasache auch den IBF-Gürtel sicherte.

Gomez unterstrich denn auch, daß "Canelo" diesen Kampf ebensosehr wünsche wie sein Promoter. Man werde sich zusammensetzen und dafür sorgen, daß nichts der Austragung im Weg steht. Zum einen muß über die Aufteilung der Einkünfte verhandelt werden, wobei der Mexikaner aufgrund seiner Popularität und guten Fernsehquoten das größere Stück vom Kuchen für sich beanspruchen kann. Sollte es zu einer Versteigerung, müßte der Verband die prozentuale Verteilung der Gesamtbörse festlegen. Wichtigster Streitpunkt dürfte in diesen Gesprächen jedoch die Gewichtsgrenze sein, da Alvarez bei seinen letzten vier Auftritten nie die volle Spanne des Mittelgewichts ausgeschöpft, sondern auf einem Limit knapp über dem Halbmittelgewicht bestanden hat. [1]

Nachdem er beim offiziellen Wiegen am Vortag des Kampfs die vereinbarte Grenze erreicht hat, pflegt er bis zu seinem Auftritt im Ring durch Rehydrieren derart an Gewicht zuzulegen, daß er seinem Gegner körperlich überlegen ist. Mit seinen 25 Jahren gelingt es dem Mexikaner bislang leichter als älteren Boxern, solche extremen Gewichtsschwankungen ohne konditionelle Einbußen zu verkraften. Auf diese Weise verschafft er sich durch im Grunde irreguläre Bedingungen Vorteile, die ihm bislang nicht streitig gemacht worden sind.

Da er jedoch inzwischen WBC-Weltmeister geworden ist, müßte ihm dieser Verband eigentlich abverlangen, seinen Titel zu den für das Mittelgewicht festgelegten Konditionen zu verteidigen. Golowkin bräuchte sich als Pflichtherausforderer auf die Sonderwünsche "Canelos" nicht einzulassen. Sollte es in diesem Punkt zu keiner Einigung kommen, müßte das World Boxing Council dem Mexikaner den Gürtel aberkennen.

Liest man jedoch zwischen den Zeilen der aktuellen Vereinbarung, hat Saul Alvarez de facto freie Hand, während Gennadi Golowkin damit rechnen muß, daß der WBC-Weltmeister es am Ende doch ablehnt, gegen ihn anzutreten. Der Kasache hat eine Mehrzahl der Experten auf seiner Seite, die ihn für den führenden Akteur des Mittelgewichts halten und damit rechnen, daß "Canelo" der drohenden Niederlage aus dem Weg gehen wird. Alvarez kann jedoch bislang erheblich mehr Zuschauer mobilisieren und damit höhere Einkünfte generieren, was ihm die Protektion seitens der Verbände und eine stillschweigende Duldung seiner fragwürdigen Gewichtsmanipulationen beschert. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14368136/promoters-canelo-alvarez-gennady-golovkin-agree-allow-interim-fights-prior-anticipated-title-match

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/wbc-gives-canelo-a-voluntary-defense-golovkin-must-wait/#more-20327

16. Dezember 2015


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