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MELDUNG/1878: Überflieger vergrault die Konkurrenz (SB)



Gennadi Golowkin möchte 2016 alle Titel vereinen

Gennadi Golowkin versucht seit geraumer Zeit, alle Titel im Mittelgewicht zu vereinen. Daß ihm das noch nicht gelungen ist, liegt keineswegs an mangelndem Können, sondern im Gegenteil an seiner Gefährlichkeit. Wer immer einen Gürtel zu verlieren hat, geht ihm unter allerlei Vorwänden aus dem Weg, um nicht auf den Brettern zu landen. Da der Kasache in 34 Kämpfen ungeschlagen ist und seine letzten 21 Gegner ohne Ausnahme vorzeitig besiegt hat, sind die Chancen denkbar gering, auch nur zwölf Runden mit ihm durchzustehen. Lediglich der Kanadier David Lemieux war mutig genug, seinen IBF-Titel aufs Spiel zu setzen, den er prompt am 17. Oktober durch K.o. in der achten Runde verlor. Da Golowkin zudem Superchampion der WBA und Weltmeister des kleineren Verbands IBO ist, fehlen ihm noch die Trophäen des WBC und der WBO, um seine Sammlung zu komplettieren.

Beim Verband WBC ist der Kasache Interimsweltmeister und damit Pflichtherausforderer des Mexikaners Saul "Canelo" Alvarez, der den Puertoricaner Miguel Cotto am 21. November durch einen Punktsieg entthront hat. Nachdem sich schon Cotto von der Pflicht, mit Golowkin in den Ring zu steigen, freigekauft hatte, schiebt auch Alvarez diese höchst unangenehme Aufgabe hinaus. Inzwischen sind die beiden Lager übereingekommen, den Vereinigungskampf nicht vor Herbst 2016 auszutragen, um ihn durch eine längere Vorbereitung aufzuwerten und noch einträglicher zu gestalten. In der Zwischenzeit wird der Kasache im April und Alvarez am 7. Mai in den Ring steigen, wobei in beiden Fällen der Gegner noch gefunden werden muß.

Der Kasache würde sich bei dieser Gelegenheit am liebsten den Gürtel der WBO sichern, den Billy Joe Saunders jüngst gewonnen hat. Der in 23 Kämpfen ungeschlagene Brite setzte sich am 19. Dezember knapp nach Punkten gegen den Titelverteidiger Andy Lee durch, den er in der dritten Runde zweimal niedergeschlagen hatte. Tom Loeffler von K2 Promotions verhandelt derzeit mit seinem britischen Kollegen Frank Warren über ein Duell der beiden Weltmeister, das in den USA stattfinden und von HBO übertragen werden könnte. Wie Loeffler gegenüber ESPN.com erklärte, habe er Warren ein substantielles Angebot gemacht. Da Gennadi Golowkin alle Titel im Mittelgewicht zusammenführen wolle, stehe ein Kampf gegen Billy Joe Saunders ganz oben auf der Prioritätenliste. Auf britischer Seite sei man interessiert, habe aber noch nicht definitiv geantwortet.

Frank Warren bestätigte den Eingang eines entsprechenden Angebots, wobei er keinen Zweifel daran ließ, daß die Höhe der Börse den Ausschlag geben werde. Wenngleich Saunders bislang der Auffassung gewesen sei, daß Golowkin derzeit noch zu früh für ihn käme, spreche im Boxen nun einmal das Geld lauter als alles andere. Da eine ansehnliche Summe im Spiel sei, werde er sich mit seinem Boxer zusammensetzen, sobald dieser seine Urlaubspause beendet habe. Der neue Weltmeister könne unter mehreren vielversprechenden Optionen wählen, so daß in jedem Fall eine attraktive Variante dabei herauskommen werde.

Golowkin hatte bekanntlich gehofft, daß Andy Lee den Kampf gewinnen würde, weil dieser dem US-amerikanischen Publikum bekannt ist und auf eine loyale irische Fangemeinde an der Ostküste bauen kann. Hingegen ist Saunders dort weithin unbekannt und hat in der Vergangenheit im Gegensatz zu Lee keinerlei Interesse an dem Kasachen erkennen lassen. Wenngleich daher noch ungeklärt ist, wen Golowkin im April vor die Fäuste bekommt, geht Tom Loeffler bereits daran, den Veranstaltungsort zu klären. Der Madison Square Garden sei sehr an einem weiteren Auftritt des Kasachen interessiert, der bei seinem Kampf gegen Lemieux erstmals seit langem wieder für ein komplett ausverkauftes Haus gesorgt habe, das mit 20.548 Zuschauern gefüllt war. Zudem hätten Veranstalter in Texas ihr Interesse signalisiert, zum ersten Mal einen Auftritt des Kasachen über die Bühne zu bringen, für den natürlich auch das Forum in Los Angeles in Frage komme. Dort hatte er am 16. Mai 2015 vor 12.372 begeisterten Zuschauern Willie Monroe jun. in der sechsten Runde besiegt. [1]

Hätte Andy Lee entschlossener gekämpft und den nach seinen beiden erfolgreichen Niederschlägen fortgesetzt entweichenden Saunders konsequent verfolgt, wäre der Brite nicht Weltmeister geworden. Nun läuft dieser Gefahr, vom erstbesten gefährlichen Herausforderer entthront zu werden. Daher steht er im Grunde vor der Alternative, seinen Titel für eine gewisse Frist mit Kämpfen gegen relativ schwache Gegner zu melken oder gegen Golowkin unterzugehen, dabei jedoch sehr viel Geld zu verdienen.

Was Saul Alvarez betrifft, hat dieser den von ihm selbst reklamierten Ruf zu verlieren, er sei nach dem Abschied Floyd Mayweathers der neue Superstar der Branche. Viele Kritiker ziehen diesen Anspruch ohnehin in Zweifel, der jedoch vollends zur Makulatur würde, ließe sich der junge Mexikaner von Golowkin demontieren. "Canelo" besteht nach wie vor auf einem vereinbarten Limit knapp über dem Halbmittelgewicht, während Golowkin verständlicherweise nicht einsieht, warum zwei Weltmeister im Mittelgewicht nicht zu dessen üblichen Bedingungen gegeneinander antreten sollten. Dem Kasachen ist natürlich klar, daß sich Alvarez mit diesem Trick Vorteile verschaffen will, da der Mexikaner stets nach dem offiziellen Wiegen durch Rehydrieren derart viel Gewicht zulegt, daß er seinem Gegner körperlich weit überlegen ist. Eine solche Prozedur geht meist zu Lasten der Kondition, was sich bei dem erst 25jährigen Alvarez aber noch nicht bemerkbar gemacht hat.

Wenngleich es dem acht Jahre älteren Golowkin als vergleichsweise leichtem Mittelgewichtler sicher möglich wäre, das von "Canelo" geforderte Limit zu erreichen, geht er das Risiko einer möglicherweise damit verbundenen Schwächung nicht ein. Der ohnehin massiver gebaute Alvarez wirkte bei seinen letzten Auftritten wie ein Supermittel- oder gar Halbschwergewichtler, was die von ihm geforderte Gewichtsbeschränkung vollends absurd macht.

So schlüssig und vielversprechend die Pläne Golowkins und seines Promoters anmuten mögen, sich im April den Gürtel der WBO und im September die Trophäe des WBC zu sichern, um damit noch 2016 sämtliche Titel im Mittelgewicht zusammenzuführen, wird es wohl nicht dazu kommen. Ob Saunders und Alvarez tatsächlich glauben, sie könnten den Kasachen besiegen, ist natürlich nicht bekannt. Das mit einem solchen Kampf verbundene Risiko, als nächstes Opfer Golowkins auf den Brettern zu landen, dürfte jedenfalls aus ihrer Sicht so groß sein, daß sie ihm höchstwahrscheinlich aus dem Weg gehen. [2]

Vermutlich wird Saunders eine so hohe Börse fordern, daß Golowkins Lager schließlich abwinken muß. Alvarez wird von seiner bevorzugten Gewichtsgrenze nicht abrücken, um die Schuld am Scheitern der Verhandlungen der Gegenseite in die Schuhe zu schieben. Beide Weltmeister werden versichern, daß sie keine Angst vor dem Kasachen haben und auf jeden Fall später gegen ihn antreten werden. Sollte sich diese nüchterne Prognose wider Erwarten nicht bestätigen, um so besser!


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14473244/camps-gennady-golovkin-billy-joe-saunders-talks-unification-fight

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/golovkin-wants-saunders-in-april-and-canelo-in-september/#more-203711

3. Januar 2016


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