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MELDUNG/1935: Wer soll das noch glauben! (SB)



Billy Joe Saunders ergeht sich in Ausflüchten

Als gefährlichster Akteur im Mittelgewicht gilt Gennadi Golowkin, der in 34 Kämpfen ungeschlagene Superchampion der WBA sowie Weltmeister der IBF und des kleineren Verbands IBO. Populärer als der Kasache ist dank der riesigen mexikanischen Fangemeinde jedoch WBC-Champion Saul "Canelo" Alvarez, der zugesagt hat, sich im September mit Golowkin zu messen und damit das herausragende und wohl auch lukrativste Duell des Jahres möglich zu machen. Während der Kasache seine Titel am 23. April im kalifornischen Inglewood gegen den in 18 Auftritten unbesiegten Dominic Wade verteidigt, trifft der Mexikaner am 7. Mai in Las Vegas auf den Briten Amir Khan.

Der Verband WBA führt hinter Golowkin noch einen regulären Weltmeister, und diesen Gürtel hat Daniel Jacobs in Besitz, für den 31 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen. Der 29jährige konnte im Dezember 2015 seinen bislang größten Erfolg feiern, als er seinen Freund und Rivalen Peter Quillin binnen 85 Sekunden geschlagen auf die Bretter schickte. Jacobs ist zwar Pflichtherausforderer Golowkins bei der WBA, ignoriert diesen aber geflissentlich, da er seine Grenzen zu kennen scheint und lieber nach Auftritten Ausschau hält, die er auch gewinnen kann.

Weltmeister der WBO ist Billy Joe Saunders, der als schwächster Titelträger im Mittelgewicht angesehen wird. Wenngleich der Brite in 23 Kämpfen ungeschlagen ist, muß man ihn wohl noch unter Jacobs einstufen. Der 26 Jahre alte Saunders setzt seinen Gürtel am 30. April in der Londoner Copper Box Arena gegen Max Bursak aufs Spiel, für den 32 Siege, vier Niederlagen sowie ein Unentschieden notiert sind. Daß der Herausforderer in der WBO-Rangliste erst an Nummer elf auftaucht, legt nahe, wie leicht es sich Saunders ungeachtet gegenteiliger Beteuerungen machen will.

Daniel Jacobs, der noch auf der Suche nach einem geeigneten Gegner ist, hat Billy Joe Saunders in den sozialen Medien herausgefordert, um sich dessen Skalp zu holen. Eine vollmundige Erwiderung des Briten ließ nicht lange auf sich warten, in der er dem New Yorker Prügel androht und ihn einen zweitrangigen Champion nennt, der nicht einmal einen richtigen Titel innehabe. Da der Sender Showtime dieser Option nicht abgeneigt sein dürfte, könnte Saunders auf diesem Wege eine Menge Geld verdienen. Dennoch ist unwahrscheinlich, daß er Jacobs in die Quere kommt.

Eher schon könnte der WBO-Weltmeister darauf verfallen, seinem Landsmann Chris Eubank jun. eine Revanche für dessen einzige Niederlage zu geben. Da er ihn 2014 nach Punkten besiegt hat, stünden die Chancen zumindest nicht schlecht, ihm erneut das Nachsehen zu geben und mit diesem Auftritt vor einem interessierten britischen Publikum ordentlich abzukassieren. Der entscheidende Unterschied zwischen Jacobs und Eubank besteht darin, daß der US-Amerikaner Fehler sofort bestraft und seinen Gegner mit einem Volltreffer sturmreif schießen kann, wie er das gegen den favorisierten Peter Quillin demonstriert hat.

Eubank hingegen braucht viele Treffer, bis er einen Kontrahenten nach etlichen Runden soweit ins Hintertreffen gebracht hat, daß er ihm den Rest geben kann. Sein ungefährdeter Sieg über Nick Blackwell am vergangenen Wochenende verdankte sich einem überforderten Gegner, den er nach Belieben mit dem Uppercut traktieren konnte, seiner einzig halbwegs gefährlichen Waffe. Da er zudem über keinen nennenswerten Jab verfügt, könnte sich Saunders mit seiner bevorzugten Kampfesweise, schnell zuzuschlagen und sofort wieder das Weite zu suchen, vermutlich recht gut aus der Affäre ziehen. [1]

Um seine tatsächlichen Absichten notdürftig zu tarnen, ist Saunders unterdessen erneut darauf verfallen, einen Kampf gegen Gennadi Golowkin im Munde zu führen, der im Sommer über die Bühne gehen könnte. Diese Idee ist schon deswegen abwegig, weil dem Kasachen nach seiner Titelverteidigung gegen Wade nur fünf Monate bleiben, bevor es im September zum spektakulären Duell mit "Canelo" kommen soll. Deshalb ist selbst bei einem so regelmäßig auftretenden Champion wie Golowkin ausgeschlossen, dazwischen noch einen kurzen Gang mit dem Briten einzulegen, der vermutlich nicht allzu lange vor ihm davonlaufen könnte.

Davon abgesehen dürfte der Kasache ohnehin keine Lust haben, sich ernsthaft mit den Ausflüchten des Briten abzugeben. Man hatte Saunders im Frühjahr für einen Vereinigungskampf am 23. April die mit Abstand höchste Börse in dessen Karriere angeboten, die dem Vernehmen nach im siebenstelligen Bereich lag. Der Brite verlangte jedoch eine noch wesentlich lukrativere Gage absurden Ausmaßes, was offensichtlich dem Zweck geschuldet war, das Angebot de facto auszuschlagen, doch der Gegenseite die Schuld in die Schuhe zu schieben. Dann sah Saunders zu, wie sich Golowkins Team ersatzweise mit dem Pflichtherausforderer Dominic Wade einig wurde. Sobald feststand, daß sich der Kasache anderweitig festgelegt hatte, riß Saunders den Mund wieder auf und forderte ihn verbal heraus, als habe er nicht erst wenige Tage zuvor selbst die Verhandlungen zum Scheitern gebracht. Kaum hatte der Brite erneut behauptet, er würde sich nur zu gern mit Golowkin messen, wählte er mit Max Bursak einen schwachen Gegner aus, den niemand als möglichen Kandidaten für diese Titelchance auch nur in Erwägung gezogen hatte. [2]

Ob Billy Joe Saunders selber glaubt, was er so von sich gibt, oder zumindest hofft, daß ihm das noch irgend jemand abnimmt, ist zwangsläufig ungewiß. Für Gennadi Golowkin dürfte feststehen, daß man dem Briten kein Wort glauben kann und Verhandlungen mit ihm reine Zeitverschwendung wären. Inzwischen fabuliert Saunders von einem Duell mit dem Kasachen im Londoner Wembley-Stadion, das im Vorprogramm der für Juli erwarteten Revanche zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko über die Bühne gehen könnte.

Zum einen scheint Saunders entgangen zu sein, daß sich Fury und Klitschko noch längst nicht geeinigt haben, wo sie in den Ring steigen wollen. Zum anderen hat es Golowkin nicht nötig, im Vorprogramm aufzutreten, da er längst zum Hauptkämpfer der höchsten Kategorie avanciert und in den USA bereits im Pay-TV vermarktet worden ist. Es liegt auf der Hand, daß der Brite am laufenden Band weitere abwegige Konstellationen ins Gespräch bringt, die offensichtlich nicht funktionieren können, aber ihn vom naheliegenden Vorwurf entlasten sollen, er gehe Golowkin aus dem Weg. [3]

Saunders sollte sich in der Tat an Chris Eubank halten, der seit der Niederlage gegen ihn mit Tony Jeter, Gary O'Sullivan und Nick Blackwell drei handverlesene Gegner mehr oder minder problemlos besiegen konnte. Daß Eubank die Gelegenheit ausgeschlagen hat, als Pflichtherausforderer gegen Daniel Jacobs anzutreten, und statt dessen Blackwell den weit darunter angesiedelten Gürtel des Britischen Meisters abgenommen hat, spricht für eine realistische Einschätzung seiner derzeitigen Möglichkeiten. Will er dennoch in absehbarer Zeit Weltmeister werden, führt der einzig für ihn gangbare Weg über Saunders. Allzu lange warten darf er darauf aber nicht, da die Ära seines Landsmanns als WBO-Champion so oder so nur eine kurze Halbwertzeit haben dürfte.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/03/daniel-jacobs-want-billy-joe-saunders/#more-207241

[2] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/15660/jacobs-saunders-calling-each-other-out

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/03/saunders-wants-golovkin-fury-klitschko-undercard/#more-207257

30. März 2016


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