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MELDUNG/1948: Die Nagelprobe rückt näher (SB)



Keith Thurman gegen Shawn Porter in trockenen Tüchern?

Keith Thurman verteidigt den Titel des Verbands WBA im Weltergewicht am 25. Juni im Barclays Center in Brooklyn gegen den früheren IBF-Champion Shawn Porter. Der Kampf sollte ursprünglich bereits am 12. März in Uncasville, Connecticut, stattfinden, mußte aber wegen einer Verletzung des Weltmeisters verschoben werden, die sich dieser bei einem Autounfall im Februar zugezogen hatte. Er laborierte an einem Schleudertrauma, das zu Problemen im Schulter- und Nackenbereich führte, als er sein Training fortsetzen wollte. Da der zunächst vorgesehene Veranstaltungsort zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar war, mußte Promoter Lou DiBella auch in dieser Hinsicht umdisponieren. Während der 27jährige Thurman aus Clearwater in Florida in 26 Auftritten ungeschlagen ist, stehen für den ein Jahr älteren Herausforderer aus Las Vegas 26 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche.

Lou DiBella, der die Neuansetzung des mit Spannung erwarteten Duells gemeinsam mit Repräsentanten des Barclays Center am Rande des Kampfs zwischen Errol Spence und Chris Algieri in Brooklyn bekanntgab, sprach nicht zu Unrecht von einem der attraktivsten Duelle, die man derzeit im Weltergewicht veranstalten könne. Die Fans vor Ort in New York und die Zuschauer beim übertragenden Sender CBS erwarte eine Übergabe der Fackel, wenn der gewaltig zuschlagende Titelverteidiger Thurman und der versierte frühere Champion Porter untereinander ausmachten, wer nach der Ära Floyd Mayweathers das Erbe auf dem Thron des Weltergewichts antrete. [1]

Der neue Termin wurde im Einvernehmen mit beiden Lagern festgesetzt, so daß man wohl davon ausgehen kann, daß Thurman sich bis dahin angemessen vorbereiten wird und es zu keiner weiteren Verlegung kommt. Sollte der Weltmeister wider Erwarten einen erneuten Rückzieher machen, wäre die World Boxing Association gehalten, eine Aberkennung des Titels in Erwägung zu ziehen. Shawn Porter sollte nicht noch länger im Limbus der Ungewißheit festgehalten werden, zumal er im Juni bereits ein volles Jahr keinen Kampf mehr bestritten hat. Stünde nicht die Aussicht im Raum, sich mit Thurman zu messen, hätte Porter längst andere Auftritte über die Bühne bringen, gutes Geld verdienen und seine Karriere in Schwung halten können.

Im Juni 2015 hatte sich Shawn Porter souverän gegen Adrien Broner durchgesetzt, den ambitionierten früheren Champion in vier verschiedenen Gewichtsklassen. Broner sah dabei kein Land und mußte sich nach zwölf mehr oder minder einseitigen Runden klar nach Punkten geschlagen geben. Durch diesen in seiner Deutlichkeit überraschenden Erfolg hatte sich Porter weithin ins Gespräch gebracht, weshalb die seither herrschende Funkstille, was weitere Kämpfe betraf, um so bedauerlicher war. Wenngleich sich das geplante Kräftemessen mit Thurman schon geraume Zeit abgezeichnet hatte, zogen sich die Verhandlungen monatelang schleppend hin.

Das gab zu Vermutungen Anlaß, Thurman habe es nicht eilig, auf Porter zu treffen, oder wolle ihm unter irgendeinem Vorwand aus dem Weg gehen. Die Rede war sogar vom ersten schwierigen Kampf in seiner Karriere, weshalb er eine Niederlage befürchte. Wenngleich der Champion stets behauptet hat, er wolle gegen die besten Akteure seiner Gewichtsklasse antreten, zeugen seine bisherigen Kontrahenten eher vom Gegenteil: Julio Diaz, Luis Collazo, Jesus Soto Karass, Diego Chaves, Jan Zaveck, Carlos Quintana und Robert Guerrero sind zwar gute Boxer, jedoch keine Akteure der allerersten Kategorie.

Shawn Porter ist in der Tat die höchste Hürde, an die sich Thurman bislang herangewagt hat. Porter wäre vermutlich immer noch IBF-Weltmeister, hätte er sich nicht bei der umstrittenen Niederlage gegen Kell Brook allzu sehr an die Regeln gehalten. Der Brite klammerte, was das Zeug hielt, ohne vom Ringrichter sanktioniert zu werden. Sobald der Titelverteidiger angriff, hielt Brook ihn fest, worauf Porter nichts mehr unternahm, bis das Trennkommando erfolgte. Auf diese Weise schwammen ihm die Felle weg, da die Punktrichter am Ende mehrheitlich einen knappen Vorsprung des Herausforderers notiert hatten.

Fiele auch der Nachholtermin am 25. Juni ins Wasser, stünde für Porter die Überlegung an, Thurman links liegenzulassen und den WBC-Champion Danny Garcia aufs Korn zu nehmen, sofern sein Berater Al Haymon grünes Licht dafür gäbe. Wäre auch das nicht möglich, böte sich möglicherweise ein Aufstieg ins Halbmittelgewicht an, um dort attraktive Gegner und lukrative Auftritte ausfindig zu machen.

Keith Thurman hat zuletzt im Juli 2015 im Ring gestanden, als er dem Außenseiter Luis Collazo in der fünften Runde das Nachsehen gab. Das war ein ansehnlicher Erfolg, doch leider gegen einen schwachen Herausforderer, der schon von dem Briten Amir Khan vernichtend geschlagen worden war. Dasselbe galt im Grunde auch für Thurmans vorangegangenen Sieg über Robert Guerrero, der den Zenit seines Könnens längst überschritten hat. Hingegen versuchte Errol Spence vergeblich, einen Kampf gegen Thurman zu bekommen. [2]

Warum das so ist, bestätigte sich spätestens am vergangenen Wochenende, als Spence mit Chris Algieri einen namhaften Kontrahenten auf ganzer Linie dominierte und in der fünften Runde vorzeitig besiegte. Diverse Akteure nehmen für sich in Anspruch, legitimer Nachfolger Floyd Mayweathers im Weltergewicht oder womöglich gar in der gesamten Branche zu sein. Errol Spence, der tatsächlich gefährliche Gegner nicht scheut, angriffsfreudig kämpft und das Publikum mit spektakulären Auftritten begeistert, hat viel dafür getan, die künftige Erfüllung dieses hohen Anspruchs für sich zumindest offenzuhalten. Hingegen muß Keith Thurman erst noch den Beweis antreten, daß er willens und in der Lage ist, die Frage der Vorherrschaft in seiner Gewichtsklasse nicht nur mit dem Mund, sondern auch im Ring zu beantworten.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15226364/barclays-center-host-keith-thurman-june-bout-vs-shawn-porter

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/04/thurman-vs-porter-set-june-25-barclays-center-brooklyn-ny/#more-208143

20. April 2016


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