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MELDUNG/1970: Stets auf der sicheren Seite (SB)



Adonis Stevenson trifft auf Thomas Williams

Der Kanadier Adonis Stevenson verteidigt den WBC-Titel im Halbschwergewicht am 16. Juli in Quebec gegen Thomas Williams. Die Wahl dieses Herausforderers versetzt die Fangemeinde nicht gerade in Begeisterungsstürme, zumal mit Sergej Kowaljow, Artur Beterbijew, Andre Ward oder Eleider Alvarez eine Reihe namhafterer Rivalen bereitsteht, um den Führungsanspruch in dieser Gewichtsklasse auszufechten. Stevenson, für den 27 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, trifft auf keinen allzu gefährlichen Gegner: Williams hat 20 Auftritte gewonnen, einen verloren und wird an Nummer neun der WBC-Rangliste geführt.

Stevenson hat schon in der Vergangenheit den Ring mit Herausforderern geteilt, die von vornherein mehr oder minder überfordert waren. Das galt zuletzt für Tommy Karpency, und der 28jährige Thomas Williams wird nicht viel stärker eingeschätzt. Sollte der WBC-Champion weiterhin auf Nummer Sicher gehen, könnte er seinen Gürtel noch auf Jahre hinaus relativ ungefährdet verteidigen und das Publikum zusehends langweilen.

Das vielbeschworene Duell mit Sergej Kowaljow, dem Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF, wird wohl nie stattfinden, da die beiden Titelträger mit verschiedenen Sendern zusammenarbeiten. Als beide noch bei HBO unter Vertrag standen, verwahrte sich Stevenson lange unter dem Vorwand, der Russe müsse sich erst noch seine Sporen verdienen, gegen diese Option. Als Kowaljow jedoch immer erfolgreicher seine Bahn zog und ihr Kampf unvermeidlich schien, wechselte der Kanadier zu Showtime. In jüngerer Zeit hat Stevenson zwar des öfteren signalisiert, daß er bereit sei, mit Kowaljow in den Ring zu steigen. Diesbezügliche Gespräche wurden jedoch zuletzt von der Promoterin Kathy Duva abgebrochen, als sich abzeichnete, daß die Gegenseite einen Auftritt unter der Regie von Showtime fordern würde, was Kowaljow angesichts seines laufenden Vertrags mit HBO nicht möglich ist.

Thomas Williams hat im August 2014 gegen Gabriel Campillo verloren, der ihm in der fünften Runde das Nachsehen gab. Williams ging damals stürmisch auf den Italiener los, der sich jedoch nicht beirren ließ, sondern Schritt für Schritt seine Position ausbaute, bis er den Gegner in die Enge getrieben hatte. Der US-Amerikaner revanchierte sich nicht für die bislang einzige Niederlage seiner Karriere, wozu er vermutlich auch nicht imstande wäre, da ihm technisch versierte Kontrahenten wie Campillo nicht liegen.

Seither hat sich Williams gegen Michael Gbenga, Umberto Savigne und zuletzt im April gegen Edwin Rodriguez durchgesetzt. Dieser machte es ihm sehr leicht, da er mit wilden Schwingern zu Werke ging und dabei offen für die linken Geraden und rechten Haken des Gegners war. Rodriguez verzichtete auf technische Finessen und lud den Kontrahenten mit seiner Kampfesweise geradezu ein, ihm einen Volltreffer zu verpassen, was dann auch frühzeitig geschah. Mit einem Sieg in der zweiten Runde brachte sich der in der Rechtsauslage boxende Williams für einen Titelkampf gegen Stevenson ins Gespräch.

Adonis Stevenson hatte sich 2013 durch einen spektakulären Sieg in der ersten Runde über den damaligen US-Star Chad Dawson den WBC-Titel gesichert. Seither hat er zumeist gegen Herausforderer gekämpft, die keine ernste Gefahr für ihn darstellten. Der Kanadier konnte seinen Gürtel bislang sechsmal erfolgreich verteidigen und hat dabei Tavoris Cloud, Tony Bellew, Andrzej Fonfara, Dimitri Suchotski, Sakio Bika und Tommy Karpency in die Schranken gewiesen. Im September 2015 setzte er sich bereits in der dritten Runde gegen Karpency durch, womit er den Ruf fortschrieb, über eine unwiderstehliche Schlagwirkung zu gebieten. Indessen wachsen die Zweifel an der Bereitschaft des 38jährigen Weltmeisters, diese Qualität im Kampf mit hochklassigen Kontrahenten unter Beweis zu stellen.

Dessen ungeachtet ist Stevenson schlichtweg zu stark und zu schnell für Thomas Williams, der die Segel aller Voraussicht nach vorzeitig streichen wird. Kämpft Williams, wie man das von ihm kennt, im mehr oder minder offenen Schlagabtausch, dürfte das Ende nicht lange auf sich warten lassen. Versucht er es ausnahmsweise aus der Distanz und mit einigen taktischen Varianten, könnte sich die Sache etwas länger hinziehen, bis Stevenson als alter und neuer Weltmeister gefeiert wird. [1]

Da er Sergej Kowaljow wohl auch künftig aus dem Weg gehen wird, droht ihm die größte Gefahr von seiten eines anderen Russen, der als nicht minder kompetent wie der Weltmeister gilt. Artur Beterbijew hat zwar erst neun Profikämpfe gewonnen, spricht aber bereits von einer Vereinigung aller vier Titel im Halbschwergewicht. Bei den allermeisten anderen Akteuren wäre das kaum mehr als das übliche Geschwätz eines jungen, ungeschlagenen Boxers, der noch keine harten Prüfsteine kennengelernt hat. Das gilt jedoch nicht für den bereits 31 Jahre alten Beterbijew, der ein erfolgreicher Amateurboxer war und alle Profikämpfe auf spektakuläre Weise vorzeitig gewonnen hat.

Der Russe mußte jedoch aufgrund einer Schulterverletzung ein Jahr pausieren und kehrt nun in Montreal gegen Ezequiel Osvaldo Maderna in den Ring zurück. Sollte Beterbijew wieder im Vollbesitz seiner boxerischen Möglichkeiten sein, wird ihn dieser Gegner nicht an der Fortsetzung seines Siegeszugs hindern. Viele Experten schätzen ihn längst als gefährlichsten Akteur seiner Gewichtsklasse neben Sergej Kowaljow ein, den er zu Amateurzeiten besiegt hat. Dieser trägt im laufenden Jahr bereits fest vereinbarte Kämpfe gegen Isaac Chilemba und Andre Ward aus, so daß er seinem Landsmann erst 2017 zur Verfügung stehen könnte. [2]

Sergej Kowaljow hat bislang keinen gefährlichen Gegner gescheut, weshalb ihm durchaus zuzutrauen ist, daß er Artur Beterbijew nicht auf die lange Bank schiebt. Bei Adonis Stevenson muß man hingegen damit rechnen, daß er nicht im Traum daran denkt, die Wege des aufstrebenden Russen zu kreuzen, der scharf auf seinen Gürtel ist.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/05/adonis-stevenson-fight-thomas-williams-jr-july-16/#more-211083

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/05/artur-beterbiev-wants-light-heavyweight-titles/#more-211125

3. Juni 2016


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