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MELDUNG/2012: Eine Dosis Höhenluft vor dem Gipfelsturm (SB)



Joseph Parker hält sich mit Alexander Dimitrenko in Schwung

Der in 20 Kämpfen ungeschlagene Schwergewichtler Joseph Parker aus Neuseeland führt die IBF-Rangliste an und ist Pflichtherausforderer des Weltmeisters Anthony Joshua. Wenngleich sich der Brite bei seinem nächsten Auftritt im November diesem Gegner stellen könnte, zieht sein Promoter Eddie Hearn eine weitere freiwillige Titelverteidigung vor, für die er bislang den ehemaligen WBC-Champion Bermane Stiverne favorisiert. Da der 24 Jahre alte Parker davon ausgehen kann, daß er erst 2017 seine Titelchance bekommt, plant er einen zwischenzeitlichen Aufbaukampf im Oktober.

Bei seinem letzten Auftritt machte der Neuseeländer am 21. Juli in Christchurch eine gute Figur, als er seinen 40jährigen Landsmann Solomon Haumono klar dominierte und in der vierten Runde besiegte. Nachdem er sich in den ersten beiden Durchgängen fleißig bewegt und dem Gegner kein Ziel geboten hatte, stellte er sich in der Folge dem Schlagabtausch, den er mit variablen Angriffen und der enormen Wucht seiner Treffer rasch für sich entscheiden konnte. Da in der kampfentscheidenden Szene unklar blieb, ob Haumono nach einem Niederschlag ausgezählt worden oder gerade noch rechtzeitig wieder auf die Beine gekommen war, entspann sich eine Kontroverse über den Abbruch. Die Debatte war jedoch müßig, da Parker in dieser Phase bereits derart überlegen war, daß er seinen Gegner sofort wieder zu Boden geschickt hätte, wäre der Kampf noch einmal freigegeben worden.

Bei seinem nächsten Kampf, der am 1. Oktober in Manakau stattfinden soll, setzt der Lokalmatador nach Angaben seines Promoters Duco Events den Status des Pflichtherausforderers gegen Alexander Dimitrenko aufs Spiel. Für den 34jährigen Russen, der in Hamburg lebt, stehen 38 Siege und zwei Niederlagen zu Buche. Daß Parker seinerseits einen Auftritt einschiebt, wenn er schon auf Joshua warten muß, war abzusehen. Dimitrenko ist zu diesem Zweck keine schlechte Wahl, da er mit einer Größe von 2,01 m Joshua noch um drei Zentimeter übertrifft und einen besseren Jab als der Brite schlägt. Daher bekommt es der 1,93 m messende Neuseeländer mit einem Gegner zu tun, der ihm nicht nur von seiner Statur her, sondern auch in boxerischer Hinsicht Probleme bereiten könnte. Zudem handelt es sich nicht um einen Aufbaugegner, der sich mehr oder minder damit arrangiert hat, das Kanonenfutter für aufstrebende Konkurrenten abzugeben. Dimitrenko könnte sich im Falle eines Sieges durchaus Hoffnungen machen, noch einmal weit vorn mitzumischen, und wird sich deshalb ins Zeug legen, um den Kampf zu gewinnen. [1]

Wie Parkers Trainer Kevin Barry unterstreicht, habe man zur Vorbereitung auf den Kampf gegen Joshua einen hochgewachsenen Gegner ausgesucht. An der Spitze des Schwergewichts stünden mit Tyson Fury, Deontay Wilder, Anthony Joshua und Wladimir Klitschko durchweg Boxer, die um die zwei Meter oder größer seien. Wer daher Weltmeister werden und an den entsprechenden Börsen partizipieren wolle, müsse sich mit solchen Körpermaßen auseinandersetzen. Für den Fall des angestrebten Sieges über Dimitrenko sei ein weiterer Auftritt vor Ende des Jahres geplant. Sollte alles gutgehen, werde man sich erneut einen großen Kontrahenten vornehmen. [2]

Alexander Dimitrenko wurde anfangs sogar mit Wladimir Klitschko verglichen, doch nahm seine Karriere einen ganz anderen Verlauf. Er wurde acht Jahre lang mit relativ ungefährlichen Gegnern versorgt, bis er im Juli 2009 auf Eddie Chambers traf. Obgleich der US-Amerikaner nur 1,85 m groß ist, lektionierte er Dimitrenko regelrecht, der sich am Ende nach Punkten geschlagen geben mußte. Die Wertung wäre noch eindeutiger ausgefallen, hätte nicht einer der drei Punktrichter aus unerfindlichen Gründen ein Unentschieden notiert.

Nach dieser Niederlage wandte sich der Russe wieder schwächeren Kontrahenten zu und legte eine kleine Serie von drei Siegen vor. Diese bescherte ihm einen Kampf um den vakanten Titel des Europameisters gegen Kubrat Pulew, der ihn 2012 in der elften Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Der Bulgare hatte das Geschehen von Beginn an diktiert und Dimitrenko immer wieder mit Schlägen eingedeckt. Ein möglicher Rückkampf scheiterte laut Pulews Promoter Sauerland an zu hohen Börsenforderungen Dimitrenkos.

Im Sommer 2013 plante das World Boxing Council (WBC), durch ein Turnier Bewegung in die Schwergewichtsszene zu bringen. Der Verband wollte unter dem Namen "World Cup" ein Verfahren etablieren, mit dessen Hilfe ein Gegner für den Pflichtherausforderer Bermane Stiverne ermittelt werden sollte. Auf diese Weise wollte das WBC im Falle eines Rücktritts Vitali Klitschkos einen Kampf um den vakanten Titel herbeiführen. Für die vier Plätze des Turniers wurden mit Alexander Dimitrenko und Juan Carlos Gomez auch zwei Boxer gehandelt, die früher bei der Hamburger Universum Box-Promotion unter Vertrag standen. Gomez, der in den USA lebte und trainierte, hatte jedoch seit Mai 2012 nicht mehr im Ring gestanden und war in der WBC-Rangliste auf Position 20 abgestürzt, womit er immerhin noch einen Platz besser als Dimitrenko notiert war. Deshalb drohte zwangsläufig juristischer Ärger, sollten die beiden vielen besser plazierten Boxern für das Turnier vorgezogen werden. Dessen Austragung scheiterte jedoch an der schweren Erkrankung des langjährigen WBC-Präsidenten Jose Sulaiman, an der er verstarb.

Dimitrenko vermarktete sich in Eigenregie und arbeitete damals als Sparringspartner David Hayes, der sich auf einen Kampf gegen seinen 2,06 m großen britischen Landsmann Tyson Fury vorbereitete. Der 15 cm kleinere und rund 20 Kilo leichtere Haye galt als der bessere und erfahrenere Boxer, mußte sich aber mit Furys imposanter Statur auseinandersetzen. Dafür hatte er sich neben dem Polen Mariusz Wach und den US-Amerikanern Richard Towers und Deontay Wilder auch Alexander Dimitrenko herangeholt. Der Kampf gegen Fury fiel jedoch aufgrund von Verletzungen Hayes ins Wasser und wurde nach einer Verschiebung schließlich ganz abgesagt.

In jüngerer Zeit kam Dimitrenko im Zusammenhang mit Luis Ortiz beiläufig ins Gespräch. Der in Miami lebende Kubaner hatte im Dezember 2015 den namhaften Herausforderer Bryant Jennings eindrucksvoll besiegt, worauf sich die Suche nach dem nächsten Gegner wochenlang ergebnislos hinzog. Nach Angaben der Golden Boy Promotions, mit denen der unter dem Namen "The Real King Kong" auftretende Ortiz vertraglich verbunden ist, hatten Andy Ruiz, Andrej Fedosow, Carlos Takam, Alexander Ustinow und der ehemalige WBC-Weltmeister Bermane Stiverne nach diesbezüglichen Anfragen abgewinkt. Als schließlich mit Alexander Dimitrenko eine Übereinkunft erzielt worden war, ließ dieser seiner mündlichen Zusage plötzlich eine überhöhte Börsenforderung folgen, die zum Abbruch der Verhandlungen führte. Boshafte Zungen mutmaßten daraufhin, Dimitrenko habe sich wohl zwischenzeitlich die Videoaufzeichnung des Kampfs zwischen Ortiz und Jennings zu Gemüte geführt.

Seit der Niederlage gegen Kubrat Pulew hat der Russe sechs Auftritte mit nicht allzu gefährlichen Gegnern gewonnen und damit seinen Status als Kandidat für mögliche Kämpfe gegen namhafte Akteure gewahrt. Daß er Luis Ortiz aus dem Weg gegangen ist, macht durchaus Sinn, da der Kubaner derzeit neben WBC-Weltmeister Deontay Wilder als weltbester Schwergewichtler gilt und ihm keine Chance gelassen hätte. Früher oder später muß Dimitrenko aber wieder einmal Farbe bekennen und zeigen, wo er derzeit tatsächlich steht. Der Kampf gegen Joseph Parker stellt für den Russen gewissermaßen eine Wegscheide dar, da er im Falle einer Niederlage kaum noch eine weitere Gelegenheit bekommen dürfte, sich mit einem hochklassigen Kontrahenten zu messen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/joseph-parker-vs-alexander-dimitrenko-possible-september/#more-214007

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/17143649/joseph-parker-face-alexander-dimitrenko-oct-heavyweight-bout

26. Juli 2016


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