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MELDUNG/2037: Danaergeschenk lockt David Price (SB)



Eddie Hearn will ihn Joseph Parker zum Fraß vorwerfen

Ginge es nach dem britischen Promoter Eddie Hearn von Matchroom Sport, würde der Schwergewichtler David Price aus Liverpool im Vorprogramm der nächsten Titelverteidigung des IBF-Weltmeisters Anthony Joshua einen Ausscheidungskampf gegen den Neuseeländer Joseph Parker bestreiten. Der 33 Jahre alte Price hat 20 Auftritte gewonnen, aber bereits drei verloren, und steht beim Berliner Promoter Sauerland Event unter Vertrag. In jüngerer Zeit hat sich der 2,02 m große Brite des öfteren als künftiger Herausforderer des IBF-Champions ins Gespräch gebracht. Diese Vorlage greift Hearn nun auf, indem er einen entsprechenden Vorschlag auf den Tisch legt. Nimmt man dieses Gedankenspiel allerdings genauer unter die Lupe, tritt der Pferdefuß offen zutage.

Eddie Hearn möchte seinen in 17 Kämpfen ungeschlagenen Weltmeister bei dessen Auftritt im November mit einem anspruchsvollen Herausforderer in den Ring schicken, wofür er den Kanadier Bermane Stiverne, den Bulgaren Kubrat Pulew und den Neuseeländer Joseph Parker in Erwägung zieht. David Price müsse zunächst mit einem Sieg über einen namhaften Gegner seine Chance auf einen Titelkampf gegen Anthony Joshua rechtfertigen. Er habe bereits mehrere aufschlußreiche Gespräche mit dem Team Parkers geführt, der wie Joshua eine vielversprechende Entwicklung durchlaufe. Auch wenn der Neuseeländer den Weltmeister im November noch nicht vor die Fäuste bekomme, würde er sich doch darüber freuen, sich dem britischen Publikum mit einem Auftritt im Vorprogramm zu präsentieren. Ein Ausscheidungskampf gegen Price wäre unter diesen Voraussetzungen eine ausgezeichnete Option, so Hearn.

Das ist insofern ein seltsamer Vorschlag, als Joseph Parker längst Pflichtherausforderer des IBF-Weltmeisters ist. Wie der britische Promoter auf die Idee kommt, der Neuseeländer solle sich noch einmal für einen Kampf gegen Anthony Joshua qualifizieren, ist schleierhaft. Schließlich kann niemand Parker zwingen, wieder und wieder um dasselbe Vorrecht zu kämpfen. Hearn hat ohnehin schon mehrfach signalisiert, daß er Joshuas unvermeidliche Titelverteidigung gegen den Neuseeländer erst im Frühjahr 2017 auf die Beine stellen will. Allzu lange warten sollte er damit aber nicht, da sich Parker in jüngerer Zeit deutlich verbessert hat und somit als Gegner immer gefährlicher wird. [1]

Davon abgesehen wäre ein Kampf zwischen Parker und Price nicht die schlechteste Wahl, doch ist kaum damit zu rechnen, daß Sauerland dafür grünes Licht geben würde. So verlockend die Aussicht sein mag, mit einem Sieg zum nächsten Herausforderer Anthony Joshuas aufzurücken, wäre eine Niederlage des 33jährigen Liverpoolers doch viel wahrscheinlicher. Während der Neuseeländer nämlich gewaltig zuschlagen kann, sagt man Price wohl nicht zu Unrecht ein Glaskinn nach. Er hat 2013 zweimal in Folge vor heimischem Publikum gegen den alternden US-Amerikaner Tony Thompson verloren, der ihn in beiden Fällen frühzeitig auf die Bretter schickte. Nachdem der Brite bei der erhofften Revanche erneut gescheitert war, dürfte er die Lust endgültig verloren haben, den Ring noch einmal mit Thompson zu teilen.

Noch schlimmer erging es Price am 17. Juli 2015 in einem Kampf um die vakante Europameisterschaft im Schwergewicht gegen Erkan Teper, der ihn in der ersten Runde regelrecht vorführte und in der zweiten schwer geschlagen auf die Bretter schickte. Der Brite wirkte dabei so hilflos und angreifbar, daß nicht abzusehen war, wie er je wieder gegen einen namhaften Kontrahenten bestehen sollte. Daß Teper die Dopingkontrolle zum Verhängnis und das Ergebnis nachträglich annulliert wurde, konnte Price nicht wirklich entlasten, da dies seinen desaströsen Auftritt um keinen Deut besser machte.

Als sich David Price am 29. Mai im Ring zurückmeldete, besiegte er Vaclav Pejsar in der zweiten Runde. Da der Brite jedoch zehn Kilo schwerer als bei seinem vorangegangenen Auftritt war und ihn der drittklassige Gegner anfangs sogar in Bedrängnis gebracht hatte, wurden wiederum Zweifel an seiner Verfassung und Zukunft laut. Wie Price dennoch versicherte, sei er wieder auf einem guten Weg und traue sich durchaus zu, es mit seinem Landsmann Anthony Joshua aufzunehmen. Er brauche nur noch zwei bis drei Aufbaukämpfe, um voll in Schwung zu kommen.

Offenbar schwebt David Price vor, sich weiter an mehr oder minder obskuren Gegnern abzuarbeiten, aber dennoch in der IBF-Rangliste aufzusteigen und einen Titelkampf gegen Joshua zu bekommen. Das ist nicht so abwegig, wie es klingt, da der Einfluß des jeweiligen Promoters beim Verband mitunter Berge versetzen kann und die eigennützige Verbandspolitik oftmals einer sachgerechten Anwendung des eigenen Regelwerks Hohn spricht. Zudem arbeiten Eddie Hearn und Kalle Sauerland seit geraumer Zeit einvernehmlich zusammen, was nicht zuletzt Kämpfe unter beiderseitiger Beteiligung und deren Fernsehvermarktung einschließt.

Hearns Vorschlag, Price gegen Parker im Vorprogramm Anthony Joshuas antreten zu lassen, dürfte aus Sicht des britischen Promoters mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Neuseeländer wird vertröstet, aber zugleich eingebunden, verwertet und beworben, was seinen Kampf gegen Joshua im nächsten Jahr um so attraktiver macht. Er bekommt einen Gegner seiner Statur vorgesetzt, den er vermutlich kurzerhand zerlegen kann. Zudem tut Matchroom seinem Kooperationspartner Sauerland einen Gefallen, der sich allerdings bei näherer Betrachtung als Danaergeschenk ausnimmt. So geht die Zusammenarbeit fast nahtlos in Übervorteilung über, da Price gegen Parker untergehen würde.

Im übrigen macht der britische Promoter kein Geheimnis aus seinen Plänen, da er anmerkt, daß David Price derzeit keine Option für Anthony Joshua sei. Im November komme Stiverne oder Pulew an die Reihe, dann folge Parker und im Sommer stehe ein richtig großer Kampf gegen David Haye oder Tyson Fury an, so Hearn. Ein weit abgeschlagener heimischer Rivale wie David Price taucht in diesem Entwurf natürlich nicht auf, da Joshua an allerhöchste Aufgaben herangeführt werden und weitere Gürtel sammeln soll.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/08/price-vs-parker-eliminator/#more-215608

26. August 2016


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