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MELDUNG/2069: Nach der Niederlage zur Notoperation (SB)



Eduard Gutknecht nach Kampf gegen George Groves in der Klinik

In einem Kampf des Supermittelgewichts hat sich der favorisierte Brite George Groves in der Londoner Wembley Arena einstimmig nach Punkten gegen den früheren Europameister Eduard Gutknecht durchgesetzt (119:110, 119:109, 119:109). Der Gifhorner war nach sechs Jahren im Halbschwergewicht erstmals wieder ins niedrigere Limit zurückgekehrt und scheiterte beim Versuch, sich den Internationalen Titel der WBA zu sichern. Während für den 28jährigen Lokalmatador nun 24 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche stehen, weist die Bilanz seines sechs Jahre älteren deutschen Gegners 30 Siege, fünf Niederlagen sowie ein Unentschieden auf.

In den ersten drei Runden griff der Herausforderer stürmisch an und traktierte den Briten mit seinem Jab und der Rechten in hoher Schlagfrequenz. Groves, der zahlreiche Treffer einstecken mußte, ließ sich von diesen Angriffen jedoch nicht aus dem Konzept bringen und legte dabei eine Konditionsstärke an den Tag, die er bei seinen Niederlagen gegen Carl Froch und Badou Jack vermissen ließ. Allerdings zeichnete sich frühzeitig ab, daß der Londoner relativ leicht zu treffen war und vor allem deshalb in keine ernsthaften Schwierigkeiten geriet, weil Gutknecht nur eine mäßige Schlagwirkung entfalten konnte.

Nachdem Groves in der vierten Runde zwei wuchtige Rechte zum Kopf des Herausforderers durchgebracht hatte, wendete sich das Blatt. Gutknecht ließ nach, während der Londoner die Oberhand gewann und das Geschehen im Ring mehr und mehr dominierte. Im achten Durchgang erlahmte der Widerstand des Gifhorners, der kaum noch schlug, als sammle er Kräfte für einen Endspurt. Das war jedoch nicht der Fall, da er auch in der Folge keine besonders hohe Schlagfrequenz aufbieten konnte und sich in der neunten Runde unter den Treffern des Briten eine Rißwunde unter dem rechten Auge zuzog, das danach fast vollständig zuschwoll.

Wenngleich der Herausforderer noch etliche steife Jabs ins Ziel brachte, sparte er mit wuchtigen Schlägen, so daß Groves weitgehend ungehindert schalten und walten konnte. Der Brite ließ es langsam angehen und setzte auf Einzeltreffer seiner Rechten, die jedoch des öfteren das Ziel verfehlten. Dann und wann kam Gutknecht mit einem schnellen linken Haken durch, doch konnte er den Titelverteidiger damit nicht erschüttern, der den Kampf ungefährdet nach Hause boxte.

Trotz seines Erfolges sichtlich gezeichnet, legte Groves nach seinem Sieg eine Euphorie an den Tag, als habe er einen Gegner von Weltklasse bezwungen. Dabei hatte Gutknecht in den letzten drei Jahren mit Kontrahenten wie Steve Kroekel, Slavisa Simeunovic und Pablo Sosa vorwiegend schwache Rivalen besiegt und gegen den regulären WBA-Weltmeister Jürgen Brähmer eine klare Niederlage bezogen, so daß er nicht einmal unter den Top 15 der Rangliste notiert war. Dessen ungeachtet verkündete der Brite, nach dieser Vorstellung sei er bereit, einen Champion herauszufordern. Im nächsten Jahr werde er bedeutende Kämpfe bestreiten, alle namhaften Gegner besiegen und sich ganz an die Spitze setzen. [1]

Woher Groves diese Zuversicht nimmt, ist schleierhaft, da er im Kampf gegen den klaren Außenseiter aus Gifhorn keinen wesentlich besseren Eindruck als bei seinen vorangegangenen Auftritten hinterließ. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß er tatsächlich eine Revanche mit dem WBC-Weltmeister Badou Jack bekommt, dem er sich 2015 knapp geschlagen geben mußte. Zuvor hatte er bereits zweimal in Folge vorzeitig gegen seinen Landsmann Carl Froch verloren, der inzwischen seine Karriere beendet hat. Ungeachtet dieser drei Niederlagen in Titelkämpfen schafft es Groves immer wieder, sich als Herausforderer eines Champions ins Gespräch zu bringen.

Da sich auch gegen Gutknecht gezeigt hatte, wie leicht Groves zu treffen ist, hätte er wohl gegen die Weltmeister James DeGale (IBF), Badou Jack (WBC) oder Gilberto Ramirez (WBO) schlechte Aussichten, den Ring als Sieger zu verlassen. Auch sein Landsmann Callum Smith oder die Brüder Andre und Anthony Dirrell könnten ihn vor unlösbare Probleme stellen, um nur einige zu nennen. Vielleicht würde er sich gegen den regulären WBA-Weltmeister Tyron Zeuge durchsetzen, dem es mit seinen 24 Jahren noch an Erfahrung in der internationalen Spitzenklasse fehlt. Allerdings ist kaum anzunehmen, daß ihr gemeinsamer Promoter Sauerland Event auf diese Option setzt, zumal seine Titelträger längst Mangelware geworden sind.

George Groves war ein ambitionierter und gefährlicher Titelaspirant, bis er im Spätherbst 2013 auf Carl Froch traf. Der junge Herausforderer lag nach Punkten in Führung, als er konditionell einbrach und einem schweren Konter zum Opfer fiel. Zur Revanche strömten Anfang Juni 2014 rund 80.000 Zuschauer ins Londoner Wembley-Stadion, die einen ähnlichen Verlauf zu sehen bekamen. Als Groves auf die Siegerstraße einzubiegen schien, ließ er sich leichtfertig an den Seilen stellen und zu Boden schicken, wo er geraume Zeit reglos liegenblieb, während Froch längst seinen erneuten Erfolg ausgiebig feierte. Seither wirkt George Groves wie ein Boxer, dem die entscheidenden Qualitäten abhanden gekommen sind, es zum Weltmeister zu bringen.

Leider hatte der Kampf zwischen Groves und Gutknecht ein bitteres Nachspiel, da sich der Gifhorner wegen einer Gehirnschwellung einer Notoperation unterziehen mußte. Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer, bestätigte den Vorfall: "Wir wurden unterrichtet, dass es nach dem Kampf Gehirnblutungen bei Eduard Gutknecht gab und eine Notoperation erforderlich war. Wir wünschen unserem Boxer natürlich alles Gute und drücken die Daumen, dass er bald gesund nach Deutschland zurückkehren kann", so Pütz. Englische Medienberichte, wonach Gutknecht im Anschluß an den Kampf in der Kabine kollabiert sei und reanimiert werden mußte, dementierte sein Manager Winfried Spiering. Sein Schützling stehe derzeit in einer Londoner Klinik unter Beobachtung. Man müsse die Entscheidung der Ärzte abwarten, wie weiter zu verfahren sei. George Groves zeigte sich auf Twitter "tief besorgt", und sein Trainer Shane McGuigan schrieb: "Die Gedanken sind nach dem heutigen Kampf bei Eduard Gutknecht." [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/11/george-groves-vs-eduard-gutknecht-results/#more-221474

[2] http://www.spiegel.de/sport/sonst/boxen-deutscher-eduard-gutknecht-nach-kampf-notoperiert-a-1122127.html

20. November 2016


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