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MELDUNG/2077: Mexikanische Fangemeinde erhofft Gipfeltreffen (SB)



Saul "Canelo" Alvarez gegen Julio Cesar Chavez im Gespräch

Ein Kampf zwischen den beiden Mexikanern Saul "Canelo" Alvarez und Julio Cesar Chavez jun. ließe sich zweifellos ausgezeichnet vermarkten, da er zumindest für ihre Landsleute zu Hause und in den USA eine absolute Sternstunde böte. "Canelos" Promoter Golden Boy legt sich jedenfalls ins Zeug, dieses Duell im ersten Halbjahr 2017 auf die Beine zu stellen. Alvarez, für den 48 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden zu Buche stehen, stiege fraglos als Favorit mit Chavez in den Ring, der 50 Auftritte gewonnen, zwei verloren und einen unentschieden beendet hat. Wenngleich die beiderseitigen Bilanzen nahezu übereinstimmen, wird Alvarez doch als Superstar gehandelt, während sein potentieller Kontrahent nach einer verheerenden Durststrecke gerade erst wieder Tritt gefaßt hat. [1]

Von den Börsen der Boxer abgesehen, dürfte die Einigung auf eine beiderseits akzeptable Gewichtsgrenze eines der Hauptprobleme in den Verhandlungen sein. "Canelo" hat, zumindest was das offizielle Wiegen betrifft, nie höher als knapp an der Untergrenze des Mittelgewichts geboxt und ist derzeit WBO-Champion im Halbmittelgewicht. Chavez war in seinen letzten fünf Kämpfen seit 2013 nie leichter als ein Supermittelgewichtler. Beide treten zu ihren Kämpfen mit einer Statur an, die auf ein tatsächliches Gewicht weit über dem Ergebnis des Wiegens am Vortag schließen läßt, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Während Chavez bekanntermaßen enorme Gewichtsprobleme hat, macht Alvarez das Abkochen vor dem Gang auf die Waage und das anschließende extreme Rehydrieren zu einem seiner entscheidenden Vorteile im Ring, da er fast immer schwerer als sein Gegner ist. "Canelo" und Chavez, die beide früher WBC-Weltmeister im Mittelgewicht waren, müßten sich auf eine Grenze irgendwo in diesem Limit einigen. [2]

Scheitern könnten die Gespräche auch an dem noch nicht beigelegten Streit zwischen Oscar de la Hoya und Al Haymon, da der Chef der Golden Boy Promotions den einflußbereichen Berater im Mai 2015 vor einem Bundesgericht mit einem Streitwert von 300 Millionen Dollar verklagt hat. De la Hoya wirft Haymon vor, dieser verstoße mit seinem Geschäftsmodell, bei dem er weder als Manager noch Promoter der mehr als 200 prominenten Boxer auftritt, die er unter Vertrag hat, gegen Antitrustgesetze und den Muhammad Ali Boxing Reform Act, der eine strikte Trennung zwischen den Funktionen des Managers und Promoters verlangt. Da sich jedoch Bob Arum, der eine nahezu identische Klage gegen Al Haymon eingereicht hatte, inzwischen außergerichtlich mit ihm geeinigt hat, dürfte auch im aktuellen Fall eine Übereinkunft möglich sein.

Eric Gomez, der Präsident der Golden Boy Promotions, geht von einem beiderseitigen Interesse an dem geplanten Kampf aus, über dessen Realisierung man bereits seit einem Monat im Gespräch sei. Ob sich dieses Duell tatsächlich als angemessene Vorbereitung auf das seit langem geforderte Aufeinandertreffen von Saul Alvarez und Gennadi Golowkin einstufen läßt, das im Herbst 2017 über die Bühne gehen könnte, steht freilich auf einem anderen Blatt. Während der Kasache seinen Teil dazu beiträgt, indem er wie von der WBA gefordert gegen deren regulären Weltmeister Daniel Jacobs antritt, scheint "Canelo" einen wesentlich leichteren Weg vorzuziehen, indem er mit Chavez plant, der noch schwächer als James Kirkland anmutet, mit dem der Mexikaner keine nennenswerte Probleme hatte.

Schon "Canelos" Kampf gegen Liam Smith um dessen Titel rief Kritik auf den Plan, da sich der Brite wie erwartet als relativ leichte Beute erwies. Oscar de la Hoyas Behauptung, man habe den besten Akteur des Halbmittelgewichts ausgesucht, war an den Haaren herbeigezogen, was sich dann auch bei der Austragung im September bestätigte. Seit seinem umstrittenen Sieg über den Kubaner Erislandy Lara im Jahr 2014 hat sich Alvarez mit keinem gleichwertigen Gegner mehr gemessen, was man wohl als Strategie seines Promoters interpretieren kann, seinen prominentesten Akteur zum Star aufzubauen, ohne allzu große Risiken einzugehen.

Julio Cesar Chavez jun. zehrt vor allem vom Ruf seines legendären Vaters, an dessen Können er jedoch keinesfalls heranreicht. Die riesige mexikanische Fangemeinde glaubt oder hofft jedoch noch immer, im Sohn des Idols einen würdigen Nachfolger sehen zu können. Der jüngere Chavez bot zuletzt eine überzeugende Vorstellung, als er sich 2012 gegen den Iren Andy Lee durchsetzte. Dann verlor er den WBC-Titel an den Argentinier Sergio Martinez, stieg ins Supermittelgewicht auf und befand sich seither auf dem absteigenden Ast. Bei seinen Kämpfen gegen Brian Vera, Andrzej Fonfara und Marcos Reyes war er mehrmals zu schwer für seine Gewichtsklasse und verlor zwei von insgesamt fünf Auftritten.

Nach langer Abwesenheit von 17 Monaten kehrte er am 10. Dezember in Monterrey in den Ring zurück und setzte sich über zehn Runden einstimmig nach Punkten gegen Dominik Britsch durch. Nach Einschätzung seines langjährigen Matchmakers Sean Gibbons hat sich Chavez des öfteren mit den falschen Leuten zusammengetan, die ihm schlechte Ratschläge gegeben haben. Nun folge er jedoch wieder dem rechten Weg und habe vor dem Kampf gegen Britsch das geforderte Gewicht nicht nur problemlos erreicht, sondern sogar absichtlich unterboten. Damit habe er zeigen wollen, wie ernst es ihm ist und daß wieder mit ihm zu rechnen sei. Wie der Sieg über Britsch bestätige, sei er bereit für "Canelo" oder Golowkin.

Daß für den 30jährigen Mexikaner die Gewichtsfrage im Mittelpunkt steht, ist angesichts seiner früheren Probleme natürlich nachvollziehbar. Andererseits ist das zwar eine wesentliche Voraussetzung, sagt aber noch nichts über die Qualitäten im Ring aus. Wenngleich sich Chavez in einer guten körperlichen Verfassung präsentierte, fiel doch auf, daß er relativ langsam und leicht zu treffen war. Das reichte gegen Dominik Britsch aus, wäre aber im Fall "Canelos" oder gar Golowkins bei weitem zu wenig, um eine vorzeitige Niederlage abzuwenden.

Sollte Saul Alvarez tatsächlich Anfang Mai auf Julio Cesar Chavez treffen, wäre dies aus Sicht des Favoriten eine bloße Durchgangsstation auf dem Weg zum Kampf gegen Gennadi Golowkin. "Canelo" ist dem Kasachen in der Vergangenheit bereits mehrfach unter recht absurden Vorwänden aus dem Weg gegangen, da er und sein Promoter Oscar de la Hoya vernünftigerweise davon ausgehen, daß sie derzeit keine Chance gegen Golowkin hätten. Da diese Flucht jedoch dauerhaft nicht ohne Rufschädigung möglich ist, versichert man nun, es werde im September auf jeden Fall zu diesem Kampf kommen - sofern der Kasache die angebotene Riesenbörse nicht ablehne. Das hört sich wie eine sichere Sache an, ist aber nichts weiter als die nächste Finte Oscar de la Hoyas. Er will Golowkin mit einer vorab festgelegten Pauschale abspeisen, die nur einen Bruchteil der gesamten Börse ausmachen würde. Wohl wissend, daß das Team des Kasachen ein Angebot von 20 oder gar nur 10 Prozent natürlich zurückweisen muß, planen De la Hoya und Saul Alvarez offenbar abermals, ungeschoren davonzukommen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/12/golden-boy-planning-canelo-vs-chavez-jr-early-2017/#more-223532

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18290621/canelo-alvarez-julio-cesar-chavez-jr-talking-cinco-de-mayo-weekend-bout

17. Dezember 2016


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