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MELDUNG/2172: Gerät die Vorspeise zum Hauptgericht? (SB)



Nathan Cleverly gegen Badou Jack in Mayweathers Vorprogramm

Nathan Cleverly ist derzeit regulärer Weltmeister der WBA im Halbschwergewicht. Der 30jährige Waliser rangiert damit eine Etage unter dem Superchampion dieses Verbands, Andre Ward aus Oakland, der auch die Gürtel der WBO und IBF in seinem Besitz hat. Cleverly, für den 30 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche stehen, verteidigt seinen Titel am 26. August im Vorprogramm des Kampfs zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor in Las Vegas gegen den in der Spielerstadt lebenden Schweden Badou Jack, der 21 Siege, eine Niederlage sowie zwei Unentschieden vorzuweisen hat. Da Mayweather und McGregor nichts unversucht lassen, ihr Duell als einen Event der Superlative anzupreisen, können sich auch die gewissermaßen als Vorspeise mitservierten Akteure Hoffnungen machen, an dem enormen Medieninteresse zu partizipieren.

Der Waliser möchte sich mit einer überzeugenden Darbietung ins Rampenlicht katapultieren, um im nächsten Schritt Andre Ward vor die Fäuste zu bekommen. Da der Sieger des Kampfs in Las Vegas gute Aussichten habe, zum neuen Pflichtherausforderer des Superchampions gekürt zu werden, und dieser das ultimative Ziel für alle sei, die nach den höchsten Weihen streben, liege die Marschrichtung klar auf der Hand. Ob es Cleverly gelingt, den Grundstein für sein ambitioniertes Vorhaben zu legen, muß jedoch mit einem dicken Fragezeichen versehen werden. Er sicherte sich den Titel am 1. Oktober 2016, da sein Vorgänger Jürgen Brähmer aufgrund einer Verletzung am Ellbogen nach der sechsten Runde aufgeben mußte. Der 38 Jahre alte Schweriner lag zum Zeitpunkt des Abbruchs bei allen drei Punktrichtern mit 58:56 in Front und hätte den Kampf unter anderen Umständen wohl auch gewonnen. Wenngleich der Waliser wie üblich in hoher Frequenz schlug und auch häufig traf, konnte der Titelverteidiger doch die klareren und wirkungsvolleren Treffer verbuchen.

Da Cleverly gegen Badou Jack zwangsläufig auf dieselbe Weise vorgehen wird, weil er nicht genügend Wucht für gefährliche Einzeltreffer aufzubieten hat, wird der Kampf wohl ähnlich verlaufen wie der gegen Brähmer. Zwar dürfte es dem Schweden kaum gelingen, den Waliser bereits in der vierten Runde auf die Bretter zu schicken, wie dies Sergej Kowaljow am 17. August 2013 vorgemacht hat, doch sollte Jack in der Lage sein, mit diversen gefährlichen Treffern die Oberhand zu behalten. Er muß nur auf der Hut sein, den fleißiger schlagenden Gegner auf den Zetteln der Punktrichter nicht davonziehen zu lassen. Badou Jack hat zuletzt gegen Lucian Bute und James DeGale zwar nicht verloren, aber dabei auch keine Bäume ausgerissen. So steht zumindest ein spannender Auftritt mit halbwegs offenem Ausgang zu erwarten. [1]

Wenn Cleverly geltend macht, sein Gang mit Jack sei der einzige echte Kampf des Abends in Las Vegas, so ist diese Auffassung nicht ganz von der Hand zu weisen. Mayweather hat ein mageres Vorprogramm zusammengeschustert, wobei mit Shawn Porter der wohl namhafteste Akteur wegen eines Todesfalls in der Familie kurzfristig absagen mußte. Was Floyd Mayweathers Gipfeltreffen mit dem führenden Protagonisten der Mixed Martial Arts betrifft, scheiden sich mehr denn je die Geister, ob es sich dabei ausschließlich um ein maßlos aufgeblasenes Spektakel aus rein kommerziellen Erwägungen oder am Ende doch um eine sportlich hochklassige Auseinandersetzung handeln werde. Kritiker wenden nach wie vor ein, daß Conor McGregor aufgrund seiner fehlenden Erfahrung im Boxsport chancenlos und ein höchst einseitiger Verlauf vorprogrammiert sei.

Im Grunde genommen bleiben Nathan Cleverly wenig Möglichkeiten, im Halbschwergewicht Kämpfe gegen namhafte Gegner auszutragen, denen er nicht von vornherein klar unterlegen ist. Für diese Gewichtsklasse fehlt es ihm schlichtweg an Schlagwirkung, weshalb er theoretisch im Supermittelgewicht besser aufgehoben wäre, wo er WBO-Weltmeister Gilberto Ramirez aus Mexiko, dem britischen IBF-Champion James de Gale oder dem regulären WBA-Weltmeister Tyron Zeuge aus Berlin durchaus Probleme bereiten könnte. Da der Waliser jedoch schon seit Jahren im höheren Limit antritt, dürfte ein Abstieg in die niedrigere Klasse allein schon aus körperlichen Gründen so gut wie ausgeschlossen sein.

Gegen Andre Ward hätte Cleverly keine Chance, wobei er diesen Kampf ohnehin kaum bekommen würde, selbst wenn er Pflichtherausforderer wäre. Der 33jährige Kalifornier wird seit seinen beiden umstrittenen Siegen über Sergej Kowaljow wieder als einer der herausragenden Akteure aller Gewichtsklassen gehandelt und kann sich aussuchen, gegen wen er die allerletzten Kämpfe seiner Karriere austrägt. Im Halbschwergewicht gibt es für ihn nichts mehr zu ernten, und da gefährliche Kandidaten wie die beiden Russen Artur Beterbijew und Dmitri Biwol bedrohlich nachrücken, macht es aus seiner Perspektive durchaus Sinn, wie angekündigt vielleicht einmalig im Cruisergewicht Station zu machen und dann im Schwergewicht womöglich gegen Anthony Joshua zu kämpfen, um dabei am Ende noch einmal sehr viel Geld zu verdienen und vielleicht mit einer allerletzten Sensation abzutreten.

Natürlich könnte Nathan Cleverly eine leichte Beute sein, die Andre Ward nebenbei mitnimmt, um sich dann mit Tony Bellew im Cruisergewicht zu befassen und schließlich Anthony Joshua anzusteuern. Alle drei Kämpfe würden in britischen Arenen sehr viele Zuschauer anlocken und brächten im Pay-TV bei Sky Sports sicher gute Quoten. Das würde allerdings voraussetzen, daß Ward seinen Heimvorteil restlos preisgibt, was er noch nie in seiner Profikarriere getan hat. Ein nicht zu unterschätzender Schlüssel zur Erklärung seines anhaltenden Erfolgs ist ein Kampfgericht, das seine oftmals grenzwertige bis regelwidrige Vorgehensweise toleriert. In einigen wenigen Fällen ist er notgedrungen in Atlantic City aufgetreten, davon abgesehen war Las Vegas der am weitesten von seinem heimischen Umfeld entfernte Schauplatz seines Wirkens.

Ferner ist ungewiß, ob Tony Bellew allen Ernstes vorhat, sich mit Ward zu messen, oder dies nur prahlerisch im Munde führt, um sich selbst ins Gespräch zu bringen. Eigentlich müßte dem Briten klar sein, daß er dabei nur Schiffbruch erleiden kann. Andererseits war Bellew noch nie für eine realistische Einschätzung des eigenen Könnens bekannt und ist dies nun um so weniger, seit er im Schwergewicht seinen Landsmann David Haye überraschend besiegt hat. Wenngleich ihm das nur deswegen gelang, weil sich sein Gegner einen Riß der rechten Achillessehne zuzog und danach praktisch aus dem Stand und unter starken Schmerzen weiterboxen mußte, hält sich Bellew inzwischen für einen Überflieger, der alle Rivalen der Königsklasse in Angst und Schrecken versetzt. Vielleicht dämmert dem Briten ja doch, daß er nach einer verheerenden Niederlage gegen Ward mit einer Revanche gegen Haye nicht mehr allzu viel Geld verdienen würde, weshalb er klug beraten wäre, die Finger von dem Kalifornier zu lassen. Ward würde wie immer klammern und wühlen, halten und gleichzeitig schlagen, dem Briten vielleicht Tiefschläge in Serie versetzen, wie er es ungestraft im Falle Kowaljows tun durfte, und Bellew gnadenlos demontieren. Das alles bleibt aber vorerst spekulativ, wobei sich immerhin abzeichnet, daß Nathan Cleverly in diesem Szenario eher keine Rolle spielen wird.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/08/cleverly-vs-jack-nathan-wants-ward-badou-fight/#more-240721

19. August 2017


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