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MELDUNG/2183: Mehr als nur ein finanzielles Trostpflaster (SB)



"Canelo" und Golowkin machen große Abendkasse

Wenngleich die Wertung des Kampfs zwischen Gennadi Golowkin und Saul "Canelo" Alvarez am 16. September enttäuschend gewesen sein mag, können sich beide Akteure samt diversen weiteren Nutznießern doch über enorme finanzielle Erträge freuen. Wie die Boxkommission von Nevada offiziell bekanntgegeben hat, haben die 17.318 verkauften Eintrittskarten für die T-Mobile Arena in Las Vegas 27.059.850 Dollar und damit das drittbeste Ergebnis aller Zeiten in die Kasse gespült. Den Rekord hält nach wie vor der Kampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao vom 2. Mai 2015 in der MGM Grand Garden Arena mit 72.198.500 Dollar, gefolgt von dem Duell zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor am 26. August, bei dem 55.414.865 Dollar zu Buche standen. Auf den vierten Platz zurückgefallen ist nun Floyd Mayweather gegen "Canelo" vom September 2013 mit 20.003.150 Dollar aus dem Verkauf der Eintrittskarten.

Wie Promoter Oscar de la Hoya verkündet, habe "Canelo" mit diesem bemerkenswerten Resultat einmal mehr unter Beweis gestellt, daß er die größte Zugnummer im Boxsport ist. Und da er erst 27 Jahre alt sei, stünden weitere hochklassige Auftritte zu erwarten, so daß seiner Popularität keine Grenzen gesetzt seien. Wenn der Boß der Golden Boy Promotions sein größtes Zugpferd und damit natürlich auch das eigene Unternehmen in den Himmel hebt, ist dieses Manöver insofern nicht aus der Luft gegriffen, als Saul Alvarez in der Tat eine riesige mexikanische Fangemeinde mobilisiert, die für seine Auftritte vor Ort oder im Pay-TV bezahlt. [1]

Andererseits sind sich fast alle Experten und wohl auch die Mehrzahl der Boxfans in der Auffassung einig, daß Golowkin durch das Unentschieden massiv benachteiligt wurde und den Sieg verdient gehabt hätte. Während Dave Moretti mit 115:113 für den Kasachen halbwegs im Rahmen blieb und Don Trella (114:114) noch am Rande eines Fehlurteils entlangschrammte, schoß Ringrichterin Adalaide Byrd mit ihrem absurden 118:110 für den Mexikaner den Vogel ab. Auf diese Weise behielt Golowkin zwar seine Titelsammlung im Mittelgewicht, doch wurde er de facto um den Lohn eines überlegen geführten Kampfs geprellt. "Canelo" blieb die Niederlage und damit ein gravierender Rückschlag erspart, womit dem Geschäft auch in Zukunft gedient ist.

Golowkins Promoter Tom Loeffler und Eric Gomez, Präsident bei Golden Boy, traten unverzüglich in Verhandlungen über eine Revanche ein, die aller Voraussicht nach am 5. Mai 2018, dem mexikanischen Unabhängigkeitstag (Cinco de Mayo) stattfinden wird. "Canelos" Team beharrt mit Sicherheit auf Las Vegas als Austragungsort, so daß der Mexikaner abermals den Vorteil auf seiner Seite haben dürfte. Dem Kasachen wäre mit einem anderen Schauplatz wie etwa New York weit besser gedient, doch steht nicht zu erwarten, daß sich Loeffler diesbezüglich in den Gesprächen durchsetzen kann. [2]

Man kann wohl davon ausgehen, daß die Eintrittspreise beim Rückkampf höher angesetzt werden, sofern Mayweather nicht abermals in die Quere kommt und mit einem kurz vorher plazierten Auftritt das Wasser abgräbt. Sein Showkampf gegen McGregor war ausgezeichnet orchestriert und durchaus spannend in Szene gesetzt, ließ aber dennoch eine geplante Dramaturgie erkennen, die besser kein zweites Mal strapaziert werden sollte. Der Löwenanteil der Einkünfte resultiert aus dem Pay-TV, dessen Zahlen noch nicht bekannt sind. Oscar de la Hoyas zweckoptimistische Prognose von drei Millionen Buchungen dürfte zu hoch gegriffen sein, doch könnten durchaus zwei Millionen dabei herausspringen. Sollte das zutreffen, würden Golowkin mit 25 Millionen und "Canelo" mit 35 Millionen Dollar jeweils die höchsten Einkünfte ihrer Karriere erzielen.

Eine Revanche wäre unter diesen Umständen die naheliegendste Option, da keiner von beiden auf andere Weise auch nur annähernd so viel Geld verdienen könnte. Wahrscheinlich wird der Kasache versuchen, zwischenzeitlich einen anderen Kampf auszutragen, der mit Sicherheit anspruchsvoll wäre. Im Unterschied zu "Canelo", dem zuvor mit Liam Smith und Julio Cesar Chavez jun. vergleichsweise leichte Gegner zugeführt wurden, besteht der Kasache darauf, sich mit den gefährlichsten Kontrahenten zu messen. Da ein attraktiver Rückkampf gegen Daniel Jacobs nicht möglich ist, da der New Yorker am 11. November im Rahmen eines Vertrags mit HBO über mehrere Auftritte mit Luis Arias in den Ring steigt, böte sich Billy Joe Saunders an. Der Brite besitzt mit dem Gürtel der WBO die letzte Trophäe, die Golowkin zur Komplettierung seiner Titelsammlung fehlt. Da Saunders jedoch in der Vergangenheit schon einmal einen Rückzieher gemacht hat, ist eher unwahrscheinlich, daß er sich diesmal ein Herz fassen und gegen den Kasachen antreten würde. Damit bliebe noch Jermall Charlo, der nach seinem Aufstieg ins Mittelgewicht der gefährlichste Akteur neben Golowkin in diesem Limit sein dürfte. Während "Canelo" und De la Hoya ein derartiges Risiko niemals eingehen würden, kennt man solche Bedenken seitens des Kasachen nicht.

Nachdem der Kampf zwischen Golowkin und Alvarez live im Pay-TV ausgestrahlt worden war, folgte eine Woche später eine kostenlose Aufzeichnung ebenfalls bei HBO. Dabei schalteten sich im Schnitt 726.000 und in der Spitze 840.000 Boxfans zu, was angesichts des vorab bekannten Ergebnisses eine ausgezeichnete Quote war. Dabei bekamen auch weniger zahlungskräftige Zuschauer die Gelegenheit, sich die Dominanz Golowkins vor Augen zu führen, der den Kampf kontrollierte und durchweg der bessere Boxer war. "Canelo" wirkte nicht nur körperlich unterlegen, sondern auch konditionell überfordert, da er dem ständigen Druck nicht gewachsen war. Er versuchte zu Beginn jeder Runde, einige Treffer zu landen, und rannte dann weg, um Luft zu schöpfen und den Schlägen des Kasachen zu entgehen, der dennoch fleißiger boxte und häufiger traf, als der Mexikaner. [3]

Der Titelverteidiger wirkte insgesamt reifer, konditionsstärker und gefährlicher als sein Kontrahent, dem es an boxerischen Mitteln und Zuversicht zu fehlen schien, um einen ausgeglichenen Kampf zu liefern. "Canelo" legte es darauf an, eine Punktwertung zu erreichen, wofür er dann mit einem wie auch immer zustande gekommenen Geschenk belohnt wurde. Man kann durchaus einräumen, daß sich das Geschehen im Ring anders darstellen mochte, sofern man es durch eine mexikanische Brille verfolgte. Wer sich einer halbwegs nüchternen Einschätzung verschrieben hat, dürfte aber feststellen, daß Gennadi Golowkin keineswegs in die Jahre gekommen ist und nachgelassen hat, wie dies in jüngerer Zeit des öfteren behauptet wurde. Zumindest war Saul Alvarez, der den Führungsanspruch im gesamten Boxgeschäft für sich reklamiert, nicht in der Lage, diese These unter Beweis zu stellen.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/20830735/canelo-alvarez-gennady-golovkin-gate-third-biggest-boxing-history

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/09/canelo-alvarez-vs-gennady-golovkin-draws-3rd-highest-boxing-gate/#more-243829

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/09/canelo-golovkin-replay-ratings-hbo/#more-243802

28. September 2017


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