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MELDUNG/2186: Zum Auftakt eine harte Nuß (SB)



Daniel Jacobs muß sich mit Luis Arias auseinandersetzen

Daniel Jacobs bestreitet am 11. November im Nassau Coliseum in Uniondale, New York, den ersten Kampf unter der Regie von Matchroom Boxing, wobei der zugleich sein Debüt beim Sender HBO gibt. Der frühere reguläre Weltmeister der WBA im Mittelgewicht, für den 32 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, trifft dabei auf den in 18 Kämpfen ungeschlagenen Kubaner Luis Arias. Daß der führende britische Promoter Eddie Hearn mit Jacobs erstmals einen US-amerikanischen Boxer verpflichtet und HBO einen Vertrag über mehrere Auftritte mit dem New Yorker abgeschlossen hat, zeugt von hoch angesiedelten Erwartungen, mit dieser transatlantischen Partnerschaft auf dem US-Markt ein Zeichen zu setzen. [1]

Hearn, der für seine prominentesten Akteure langfristige Pläne zu schmieden und zu bewerben pflegt, will den 30jährigen Jacobs nach dem Kampf gegen Luis Arias mit dem früheren IBF-Champion David Lemieux und schließlich mit Gennadi Golowkin zusammenführen, dem Weltmeister der Verbände WBA, WBC, IBF und IBO im Mittelgewicht. Erfolge gegen Arias und Lemieux vorausgesetzt, müßte Jacobs den hoch eingeschätzten Jermall Charlo und Sergej Derevjanschenko aus dem Weg gehen, um direkt an Golowkin heranzukommen. Beide könnten ihn zu Fall bringen, bevor er das Ziel einer Revanche mit dem Kasachen erreicht. Der britische Promoter ist auch an Saul "Canelo" Alvarez interessiert, der sich Anfang Mai 2018 erneut mit Golowkin messen dürfte. Offenbar geht Eddie Hearn jedoch davon aus, daß der Mexikaner im zweiten Anlauf nicht mehr mit einem geschenkten Unentschieden davonkommt.

Da "GGG" der beste Akteur dieser Gewichtsklasse ist und sämtliche Gürtel bis auf die Trophäe der WBO in seinem Besitz hat, repräsentiert er den höchsten Gipfel, den Daniel Jacobs erstürmen soll. Um diese Option aufzuladen, versteift sich Hearn auf die Behauptung, der New Yorker sei im Kampf gegen Gennadi Golowkin der bessere Boxer gewesen. Daß ein erfahrener Promoter wie der Brite das tatsächlich glaubt, ist eher nicht anzunehmen. Er versteht eben sein Geschäft und redet seine Akteure stark, um ihren und seinen Interessen mit allen Mitteln zur Durchsetzung zu verhelfen. So verkündete er auf einer Pressekonferenz in Manhattan, es sei für eine absolute Ehre, mit diesem jungen Mann zusammenzuarbeiten. Als er sich mit ihm zusammengesetzt und unterhalten habe, sei ihm unverständlich gewesen, warum Daniel Jacobs lediglich ein Star und nicht ein Superstar sei. Seines Erachtens sei er die Nummer eins im Mittelgewicht. [2]

Das ist natürlich zweckoptimistisch übertrieben, läßt aber zumindest auf Hearns Überzeugung schließen, er könne Jacobs noch einmal einen Karriereschub verschaffen. Da der New Yorker inzwischen zehn Jahre im Geschäft ist, aber noch keinen vollwertigen Titel errungen hat, ist dieses Vorhaben zwangsläufig mit gewissen Risiken behaftet. Bei seinen Niederlagen gegen Dmitri Pirog 2010 und Gennadi Golowkin am 18. März 2017 zeichnete sich deutlich ab, daß Jacobs einem Schlagabtausch mit gefährlichen Gegnern kaum gewachsen ist und lieber auf Rückzug setzt, zumal seine Nehmerqualitäten beschränkt sind.

Nachdem er als erster Gegner Golowkins seit 2008 die volle Distanz überstanden und sogar nur relativ knapp nach Punkten verloren hatte, beklagte sich Jacobs allenthalben, man habe ihn um den verdienten Sieg gebracht. Wer das Geschehen aufmerksam verfolgt oder die Aufzeichnung in aller Ruhe studiert hat, wird zu einem anderen Ergebnis neigen. Zum einen hat Golowkin damals zwölf Runden lang im zweiten Gang geboxt und sich im wesentlichen darauf beschränkt, den Gegner fortgesetzt mit dem Jab zu traktieren. Zum anderen landeten jede Menge Schläge des New Yorkers auf den Handschuhen des Kasachen. Offenbar haben sich die Punktrichter von der akustischen Kulisse im Madison Square Garden beeindrucken lassen, wo die Menge jeden Schlag des Lokalmatadors euphorisch feierte, als habe er einen Volltreffer gelandet. Zieht man die Schläge auf Golowkins Deckung ab, bleiben nur drei oder vier Runden übrig, die man Jacobs gutschrieben kann. Wollte man daher eine Benachteiligung bei der Punktwertung monieren, so ging diese zu Lasten des Kasachen.

Der 27jährige Arias ist ein gefährlicher Gegner und hat bei seinem letzten Auftritt die wohl beste Leistung seiner Karriere geboten, als er Arif Magomedow am 17. Juni in der fünften Runde besiegte. Er bewegte sich sehr geschmeidig und schlug mit beträchtlicher Wirkung zu, wobei insbesondere seine Körpertreffer den Kontrahenten in Mitleidenschaft zogen. Möglicherweise haben die Verantwortlichen bei HBO darauf bestanden, daß Daniel Jacobs eine anspruchsvolle Aufgabe zugeteilt bekommt, die ihm alles abverlangt und beim Publikum einen bleibenden Eindruck hinterläßt. Der New Yorker hat seit der Niederlage gegen Pirog vor sieben Jahren keine allzu schweren Widersacher vor den Fäusten gehabt, wenn man einmal von Peter Quillin und Gennadi Golowkin absieht.

Wie Jacobs auf der Pressekonferenz erklärte, habe man mit Luis Arias einen jungen hungrigen Löwen ausgewählt, um den Fans eine hochklassige Vorstellung zu bieten. Wenngleich der Kubaner womöglich dem breiteren Publikum nicht bekannt sei, könne doch jeder Experte die Qualitäten dieses ungeschlagenen Kandidaten bestätigen. Er werde Arias keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen, der die Chance seines Lebens nicht ungenutzt verstreichen lassen wolle. Jedenfalls freue er sich auf sein Debüt im Coliseum und werde am 11. November mit einem Paukenschlag den Beweis antreten, daß er der führende Akteur im Mittelgewicht sei.

Arias, der als Außenseiter vor dem heimischen Publikum seines Gegners antreten muß, gab sich selbstbewußt und sparte nicht mit kühnen Worten. Zum Auftakt parodierte er einen Fernsehsprecher, der mit sich überschlagender Stimme die sensationelle K.o.-Niederlage des Favoriten kommentiert. Dann verkündete er an Jacobs gewandt, er bereite sich nicht auf einen Marathon vor. Er fordere ihn daher auf, sich zum Kampf zu stellen und nicht ständig wegzulaufen. Gegen Golowkin habe der New Yorker des öfteren den Eindruck erweckt, er sei nicht zum Boxen sondern zum Laufen in den Ring gestiegen. Daniel Jacobs müsse sich warm anziehen, da er auf einen Gegner treffe, der ins Rampenlicht dränge und aller Welt zeigen werde, daß mit ihm zu rechnen sei. Zuversicht sei stets sein Erfolgsrezept gewesen, und so zweifle er keinen Augenblick daran, daß er vor dem großen Sprung an die Spitze stehe.

Mundfaul ist Luis Arias jedenfalls nicht, und daß Werbung nicht zuletzt auch die eigenen Taschen füllt, hat er offensichtlich begriffen. Nun darf man gespannt sein, ob er tatsächlich so gut ist, wie einige Kommentatoren meinen, und Daniel Jacobs in die Enge treibt.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/10/danny-jacobs-vs-luis-arias-announced/#more-244251

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/20906290/daniel-jacobs-treat

6. Oktober 2017


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