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MELDUNG/2191: Es müssen nicht immer die Sieger sein (SB)



Amir Khan und Kell Brook werben für ihren Prestigekampf

Das boomende britische Boxgeschäft macht's möglich. Amir Khan und Kell Brook, die beide bei ihren letzten Auftritten verheerende Niederlagen bezogen haben, sind keineswegs aus dem Rennen um spektakuläre Auftritte vor großer Kulisse und entsprechend lukrative Börsen. Die alten Rivalen um die Gunst des einheimische Publikums planen, ihr schon vor Jahren vieldiskutiertes, aber nie ausgetragenes Duell endlich doch über die Bühne zu bringen und ihren dümpelnden, wenn nicht gar schwindenden Karrierechancen einen frischen Schub zu verleihen. Der ideale Zeitpunkt für ihr Kräftemessen liegt mittlerweile drei oder vier Jahre zurück. Damals war Brook noch IBF-Weltmeister im Weltergewicht und Khans Name auf internationaler Ebene im Gespräch. Der Enkel pakistanischer Einwanderer aus Nordengland träumte jedoch von Kämpfen der Superlative gegen Manny Pacquiao oder gar Floyd Mayweather und wies Brooks Avancen brüsk mit dem Hinweis zurück, der sei nicht seine Kragenweite und müsse sich erst noch bewähren. Seither haben beide viel Lehrgeld bezahlt.

Amir Khan bezog bei seinem letzten Auftritt im Mai 2016 eine schwere Niederlage, als ihn Saul "Canelo" Alvarez in der sechsten Runde mit einem Volltreffer auf die Bretter schickte. Der Brite hatte Mut bewiesen, da er zwei Limits höher im Mittelgewicht angetreten war und den mexikanischen Publikumsliebling in Las Vegas rundenlang boxerisch dominiert hatte, dann aber seiner körperlichen Unterlegenheit Tribut zollen mußte. Er zog sich dabei eine Handverletzung zu, die eines operativen Eingriffs bedurfte, was zu einer langen Zwangspause führte. Hinzu kamen familiäre Probleme, die seine Rückkehr in den Ring ihrerseits verzögerten. Inzwischen scheint er jedoch physisch und mental wieder bereit zu sein, seine Laufbahn fortzusetzen.

Kell Brook mußte nach 36 Siegen die erste Niederlage hinnehmen, als er im September 2016 in der Londoner O2 Arena auf Gennadi Golowkin traf. Auch Brook ist großer Mut zu attestieren, im Mittelgewicht und noch dazu gegen den allseits gefürchteten Kasachen anzutreten. Der Brite war nach einer guten zweiten Runde fast nur noch auf der Flucht, bis sein Trainer in der fünften Runde das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe warf. Sein Schützling hatte sich frühzeitig einen Bruch an der rechten Augenhöhle zugezogen und wurde zudem durch das Eingreifen seiner Ecke vor dem drohenden Niederschlag bewahrt. Im Mai 2017 traf Brook in Sheffield bei einer Titelverteidigung im Weltergewicht auf den ebenfalls für seine enorme Schlagwirkung bekannten US-Amerikaner Errol Spence, der zu Recht als eines der größten Talente in dieser Gewichtsklasse gehandelt wurde. Der Brite boxte geraume Zeit gleichwertig mit, mußte sich aber dem wachsenden Druck in der elften Runde geschlagen geben. Er zog sich diesmal einen Bruch an der linken Augenhöhle zu, so daß nach der zweiten schweren Verletzung dieser Art gravierende Folgeschäden zu befürchten sind.

Nach Gennadi Golowkin hatte auch Errol Spence offengelegt, daß Kell Brook den gefährlichsten Kontrahenten in dieser Gewichtsregion nicht gewachsen ist. Amir Khan hatte den Kampf seines Landsmanns in Sheffield im Team des Senders Sky Sports Kampf verfolgt und hinterher einen innerbritischen Kampf gegeneinander ins Gespräch gebracht. Vor wenigen Tagen griff Brook diese Steilvorlage im Rahmen einer Pressekonferenz auf und forderte Khan wiederholt zu einem Duell im nächsten Jahr heraus. Der stimmte kurz darauf freudig zu, schlug aber beiderseitige Aufbaukämpfe vor, ehe es 2018 zu ihrem Duell kommen solle. Daß die beiden einander dringend brauchen und sich nicht länger gegenseitig vorwerfen können, eines solchen Kampfes nicht würdig zu sein, liegt auf der Hand. Auch eine vorbereitende Zwischenetappe macht Sinn, um wieder Tritt zu fassen und beim Publikum mit einem Sieg zu werben. Allzu viel Zeit lassen sollten sie sich andererseits nicht, da sie verletzungsanfällig geworden sind und im Alter von 31 Jahren den Zenit ihres Könnens überschritten haben.

Wenngleich Khan in seiner jüngsten Stellungnahme behauptete, er stehe auf dem Gipfel seiner Karriere, muß man diesen wohl eher sechs Jahre zurückdatieren. Damals verlor er nacheinander gegen Lamont Peterson und Danny Garcia, worauf er mit durchwachsenem Erfolg versuchte, seine Laufbahn wieder aufzubauen, und dabei immer wieder längere Pausen einlegte. Auch schlug er etliche mögliche Kämpfe aus, um statt dessen ans ganz große Geld zu kommen, was ihm jedoch verwehrt blieb. Nun plant er, im Dezember vor heimischem Publikum in den Ring zurückzukehren, was eine weise Entscheidung sein dürfte. Obgleich seine Fangemeinde in Nordengland zu Hause ist, war er lange auf die US-amerikanische Szene fixiert und hat zuletzt am 27. April 2013 auf britischem Boden gekämpft, als er nach Punkten die Oberhand gegen Julio Diaz behielt. Und diesem einzigen Auftritt war eine zweijährige Abwesenheit vorausgegangen. [1]

Da Khan natürlich mit einem gelungenen Comeback Werbung für den Kampf gegen Kell Brook machen will, der ebenfalls im Dezember einen Aufgalopp ins Auge faßt, muß er sich einen ansehnlichen, aber nicht allzu gefährlichen Gegner aussuchen. Nach seiner langen Pause ist die Gefahr groß, auf einer Bananenschale auszurutschen und alles zu verderben. Er hat im Laufe seiner Karriere 31 Siege und vier Niederlagen gesammelt, dabei gegen Briedis Prescott, Danny Garcia und Saul "Canelo" Alvarez jeweils böse durch K.o. verloren. Selbst Julio Diaz, der zuvor als ungefährlich eingeschätzt worden war, erschütterte ihn mehrfach schwer und schickte ihn einmal sogar zu Boden. Khans Berater Al Haymon muß sich also einige tiefschürfende Gedanken machen und seinen weitreichenden Einfluß ausspielen, um einen optimalen Kandidaten ohne allzuviel Dampf in den Fäusten ausfindig zu machen.

Nachdem Khan anfangs von ein bis zwei Aufbaukämpfen gesprochen hatte, die erforderlich seien, um ihren gemeinsamen Auftritt ins rechte Licht zu setzen, war am Ende seiner Stellungnahme nur noch von einem die Rede. Das sollte reichen, würde doch eine längere Vorbereitung das erklärte Ziel weit verschieben und die Gefahr einer erneuten Verletzung erhöhen. Ihr Kampf im Sommer 2018 wäre eine überschaubare Perspektive, und womöglich hilft ja einer der Verbände wie etwa das World Boxing Council mit, indem es einen besonderen Gürtel dafür kreiert. Die vier maßgeblichen Titel im Weltergewicht liegen für beide Akteure derzeit außer Reichweite, woran sich auch künftig kaum etwas ändern dürfte, denkt man an die amtierenden Weltmeister Keith Thurman (WBA/WBC) und Errol Spence (IBF), die zu stark für die beiden Briten sind. Es käme allenfalls der schwächer eingeschätzte Australier Jeff Horn (WBO) in Betracht, den sich sein Co-Promoter Bob Arum jedoch für eine Revanche mit Manny Pacquiao warmhalten wird, so lange es irgend möglich ist.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/10/khan-vs-brook/#more-244783

14. Oktober 2017


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