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MELDUNG/2229: Supermittelgewicht - Schweigen im Walde ... (SB)



Gilberto Ramirez reißt gegen Habib Ahmed keine Bäume aus

Gilberto Ramirez hat den WBO-Titel im Supermittelgewicht erfolgreich verteidigt und sogar vorzeitig gegen Habib Ahmed gewonnen, dabei aber nach allgemeiner Einschätzung nicht gerade Bäume ausgerissen. Das Publikum im texanischen Corpus Christi verfolgte den Auftritt weitgehend schweigend, was zweifellos ein schlechtes Zeichen war, da sicher zahlreiche Landsleute des Mexikaners anwesend waren, die für gewöhnlich ihren Favoriten stimmgewaltig anfeuern. Hinterher setzte es dann böse Schelte in den sozialen Medien, da man von dem haushohen Favoriten schlichtweg mehr erwartet hatte. Zudem war der Champion an Größe und Gewicht derart überlegen, daß der Kampf von vornherein allzu ungleich anmutete. Top Rank hatte mit der Auswahl eines schwachen Herausforderers derart danebengegriffen, daß der vielbeschworene Aufstieg des Weltmeisters zum überragenden Akteur seiner Gewichtsklasse langsam aber sicher absurd anmutet.

Der 26jährige Ramirez, der nun in 37 Kämpfen ungeschlagen ist, hatte den Titel vor zwei Jahren durch einen souveränen Auftritt gegen den auf ganzer Linie enttäuschenden Arthur Abraham gewonnen. Danach setzte er sich gegen Max Bursak, Jesse Hart und nun Habib Ahmed durch, wobei es am 22. September 2017 gegen Hart ziemlich eng verlief. Von hochklassigen Herausforderern und einer Konfrontation mit den gefährlichsten Rivalen, um die Frage der Vorherrschaft offensiv anzugehen und zu klären, kann eher nicht die Rede sein. Promoter Bob Arum hält auf seine alten Tage den Besitz zusammen und geht allenfalls dann ein Risiko ein, wenn er sich davon einen absehbaren Vorteil verspricht.

Der aus Ghana stammende Habib Ahmed hatte 22 Kämpfe gewonnen und stand an Nummer vier der WBO-Rangliste, so daß er nach formalen Kriterien durchaus ein ansehnlicher Gegner zu sein schien. Er war jedoch bei seinem ersten ersten Auftritt in den USA schlichtweg überfordert und suchte sein Heil in beständiger Flucht, was ihm dank seiner Beweglichkeit geraume Zeit sogar sehr erfolgreich gelang. Ramirez schlug jede Menge Löcher in die Luft und konnte den Herausforderer zunächst nicht stellen, der überdies aufgrund seiner unorthodoxen Bewegungen ein unangenehmer Gegner war. So trug der Mexikaner durch einen Zusammenstoß mit den Köpfen in der dritten Runde eine Rißwunde über dem linken Auge davon, was ebenfalls nicht dazu beitrug, ihn souverän und überlegen aussehen zu lassen.

Ahmed hatte zwar keinerlei Aussichten, den Kampf zu gewinnen, da seine Schlagwirkung zu gering war, um womöglich einen Glückstreffer zu landen und den Mexikaner auf die Bretter zu schicken. Dennoch machte er fünf Runden lang seine Sache gut und ließ sich nicht in die Enge treiben. Was ihn jedoch auf die Dauer beeinträchtigte, waren Körpertreffer, denen er sich weit weniger entziehen konnte als Schlägen zum Kopf. In der sechsten Runde war es schließlich soweit: Ramirez stellte den Herausforderer an den Seilen, wo er ihn mit Haken, Uppercuts und Schlägen zum Körper traktierte. Schließlich hatte Ringrichter Lawrence Cole genug gesehen und brach den Kampf nach 2:31 Minuten des Durchgangs ab. [1]

Für gewöhnlich gelingt es Gilberto Ramirez nicht, seine Kämpfe vorzeitig zu gewinnen, und so lag sein letzter derartiger Erfolg im Jahr 2014 bereits fünf Auftritte zurück. Der Mexikaner hatte vor seiner Titelverteidigung in Corpus Christi angekündigt, er wolle diesmal durch K.o. gewinnen, um ein Zeichen zu setzen. Wie er nach getaner Tat erklärte, sei das wirklich wichtig gewesen. Man habe genau dafür trainiert und die Vorbereitung erfolgreich umgesetzt. Dies sei seine Nacht, denn er habe den Gürtel behalten. [2]

Da überhaupt nicht abzusehen ist, wie Ramirez sich im Supermittelgewicht durchsetzen will, wenn er lediglich nach Punkten gewinnen kann, ist seine Erleichterung verständlich. Wie man allerdings anmerken muß, war Habib Ahmed kein sonderlich harter Prüfstein, weshalb sich die Bedeutung des relativ frühen Endes in Grenzen hält. Jedenfalls hat der Weltmeister seine weiße Weste behalten und möchte eigenen Angaben zufolge am liebsten den Sieger der World Boxing Super Series herausfordern. Dieses spektakuläre Turnier geht derzeit im Cruisergewicht und Supermittelgewicht über die Bühne, wobei im Limit des Mexikaners noch die Halbfinalkämpfe ausstehen.

Am 17. Februar trifft der Weltmeister George Groves auf seinen britischen Rivalen Chris Eubank jun. und am 24. Februar bekommt es der ehemalige Champion Jürgen Brähmer aus Schwerin mit dem Engländer Callum Smith zu tun. Die Sieger werden dann im Mai oder Juni das Finale austragen, so daß sich Ramirez schon bis zum Herbst gedulden müßte, um sich mit dem Turniersieger zu messen. Ob sein Promoter Bob Arum willens und in der Lage wäre, ihm diesen Kampf zu verschaffen, ist zwar ungewiß. Es kann aber bekanntlich nie schaden, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, und so verkündet Ramirez euphorisch, er sei bereit, gegen jeden anderen Weltmeister anzutreten, wo immer der Gegner das wünsche. Es sei für jeden bereit und wolle gegen die Allerbesten kämpfen, um nicht nur an die Spitze des Supermittelgewichts aufzusteigen, sondern der beste Boxer aller Gewichtsklassen zu werden. An dieser Stelle erübrigt sich denn doch jeglicher weitere Kommentar.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/02/gilberto-ramirez-vs-habib-ahmed-results/#more-255675

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/22313439/gilberto-zurdo-ramirez-defeats-habib-ahmed-tko-retain-super-middleweight-title

4. Februar 2018


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