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MELDUNG/2238: Schwergewicht - die Füße des Boxers ... (SB)



Anthony Joshua macht eine erstaunliche Entdeckung

Anthony Joshua geht davon aus, daß es ihm seine überlegene Beinarbeit erlauben werde, Joseph Parker binnen acht Runden auf die Bretter zu schicken. Die beiden Weltmeister im Schwergewicht treffen am 31. März in Cardiff aufeinander, um ihre Titel zusammenzuführen. Während der in 20 Kämpfen ungeschlagene Joshua Champion der Verbände WBA, IBF und IBO ist, rangiert sein Kontrahent aus Neuseeland mit 24 Siegen an der Spitze der WBO. Die Ansage des Briten mutet erstaunlich an, da er noch nie für eine leichtfüßige Kampfesweise bekannt war und erfahrungsgemäß ziemlich schnell aus der Puste kommt. Dem Vernehmen nach will der Favorit drei bis vier Kilo leichter antreten als zuletzt gegen Carlos Takam im Oktober und auf diese Weise in besserer konditioneller Verfassung kämpfen. Daß ein etwas geringeres Gewicht den Ausschlag gibt, darf jedoch bezweifelt werden. Joshua war im Kampf gegen seinen Landsmann Dillian Whyte im Jahr 2015 noch erheblich leichter und rang trotzdem bereits nach zwei Runden heftig nach Luft. Daher steht zu befürchten, daß der muskelbepackte Brite zeit seiner Karriere mit diesem Manko leben muß.

Das Duell im Principality Stadium wird von Sky Box Office für die britischen Zuschauer und von Showtime Boxing in den USA übertragen. Wenngleich der Sieger drei der vier wichtigsten Gürtel im Schwergewicht sein eigen nennen darf, ist er noch immer einen entscheidenden Schritt davon entfernt, die Königsklasse anzuführen. Der ebenfalls ungeschlagene US-Amerikaner Deontay Wilder ist Weltmeister des Verbands WBC und hat bereits 40 Kämpfe gewonnen, wobei er nur einmal über die volle Distanz gehen mußte.

Joshua nimmt den 26jährigen Parker nicht auf die leichte Schulter und rechnet damit, daß der Neuseeländer bestens vorbereitet und erheblich stärker als bei seinen letzten Kämpfen in den Ring steigen wird. Er selber habe jedoch inzwischen gelernt, daß man zwar mit den Fäusten schlage, aber alles viel einfacher vonstatten gehe, wenn man auch die Füße in die Bewegung einbinde. Sofern es ihm gelinge, das umzusetzen, woran er mit seinem Trainer in den zurückliegenden Wochen gearbeitet habe, werde er dem Neuseeländer vorzeitig das Nachsehen geben. Daß der Brite die Bedeutung seiner Füße im Gesamtzusammenhang der Bewegung gerade erst entdeckt zu haben scheint, ist denn doch eine ziemlich verstörende Aussage. Andererseits darf man derartige Einlassungen im Vorfeld eines Kampfs nicht auf die Goldwaage legen, sind sie doch nicht zuletzt Teil der Bewerbung wie auch der Kriegsführung, den Kontrahenten womöglich zu verunsichern.

Sollte Joshua von Parker so häufig getroffen werden wie zuletzt von Takam, könnte es übel für ihn ausgehen. Carlos Takam hatte sich offenbar den strategischen Fehler geleistet, sein Gewicht vor dem Kampf in erheblichem Maße zu reduzieren. Jedenfalls ließ er im Ring die Schlagwirkung vermissen, die ihn zuvor ausgezeichnet hatte. Er traf zwar recht häufig, konnte dem Briten jedoch mit seinen Schlägen nicht genug anhaben, um ihn entscheidend zu schwächen oder gar niederzuzwingen.

Der Neuseeländer ist bereits in London eingetroffen, um sich ausreichend zu akklimatisieren. Da beide Akteure bislang ungeschlagen sind, steht ihr beiderseitiger Nimbus und natürlich auch der Rang des Weltmeisters auf dem Spiel. Parker hatte sich zuvor mit seinem Team in Las Vegas vorbereitet, und auch er kündigt an, den Kampf nicht über die Runden gehen zu lassen. Er sei jung, schnell und beweglich, vor allem aber vertraue er auf sein großartiges Team und freue sich auf eine überzeugende Vorstellung.

Als aufmerksamer Beobachter wird Deontay Wilder am 31. März am Ring erwartet, der sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen will, seinen größten Rivalen aus nächster Nähe zu begutachten und zugleich Werbung in eigener Sache zu machen. Für den WBC-Champion aus Tuscaloosa in Alabama kommt es insbesondere darauf an, den Wunsch des Publikums zu nähren, den gewissermaßen ultimativen Kampf um die alleinige Vorherrschaft im Schwergewicht möglichst bald über die Bühne zu bringen. Wilder ist seit langem bereit, sich mit seinen schärfsten Konkurrenten zu messen, was man umgekehrt für Joshua und dessen Promoter Eddie Hearn nicht gerade sagen kann. Wenngleich beide diese Option im Munde führen, scheinen sie doch wenig geneigt zu sein, bereits im nächsten Schritt auf den US-Amerikaner zu treffen und dabei das denkbar größte Risiko einzugehen, im Zweifelsfall alles zu verlieren, was sie über die Jahre dank einer sorgfältigen Auswahl jeweils passender Gegner aufgebaut haben.

Wilder gehört offiziell dem Team von Sky Sports an und wird das Geschehen als Experte kommentieren. Man kann davon ausgehen, daß er unmittelbar nach dem Kampf in den Ring steigen und den Sieger vor laufender Kamera bei der Live-Übertragung und damit einem Millionenpublikum in aller Welt herausfordern wird, gegen ihn anzutreten. Wie Joseph Parker betont, konzentriere er sich voll und ganz auf Joshua, weshalb er nicht über einen möglichen Kampf gegen Wilder reden wolle. Sollte er in Cardiff die Oberhand behalten, wird es unvermeidlich zu einer sofortigen Revanche kommen, die Hearn zweifellos als Option vertraglich festgeschrieben hat. Aus diesem Grund wird der US-Amerikaner sicher Joshua die Daumen drücken, zumal er in einem Kampf gegen den Briten ungleich mehr Geld als mit Parker verdienen könnte. [1]

Jedenfalls läßt Deontay Wilder nichts unversucht, dieses Duell ins Gespräch zu bringen. Ob es noch in diesem Jahr dazu kommen wird, ist derzeit offen. Der US-Amerikaner hatte lange die Hälfte der Einkünfte verlangt, ist inzwischen aber von dieser Forderung abgerückt und will sich mit 40 Prozent begnügen. Mit Eddie Hearn dürfte auch das nicht zu machen sein, da der britische Promoter nicht zu Unrecht geltend macht, daß Anthony Joshua populärer sei und für den Löwenanteil des Erlöses sorgen würde. Zugleich verschafft die Kontroverse um die Höhe der Börsen Hearn Spielraum, den Kampf zu verschieben, sofern er der Auffassung ist, daß sich Joshua lieber zu einem späteren Zeitpunkt mit Wilder messen sollte. So hat er bereits für den Fall des Sieges über Parker als nächsten Gegner Jarrell Miller ins Gespräch gebracht, der ebenfalls bei ihm unter Vertrag steht.

Warum Hearn mit Blick auf Wilder zur Vorsicht neigt, liegt auf der Hand. Der WBC-Weltmeister kann so heftig zuschlagen, wie man dies seit Jahren im Schwergewicht nicht mehr erlebt hat, und Gegner mit einem einzigen Volltreffer auf die Bretter schicken. In seinem letzten Kampf gegen den gefährlichen Luis Ortiz am 3. März, der viel einstecken und seinerseits gewaltige Schläge austeilen kann, zwang er den Kubaner in der fünften Runde erstmals in dessen Karriere zu Boden. Dann ließ es Wilder bis zum neunten Durchgang relativ ruhig angehen, um den Kontrahenten dann kurz vor der Pause mit einer Rechten schwer zu erschüttern. Das vorzeitige Ende folgte schließlich in der zehnten Runde, als Wilder zwei weitere Niederschläge erzielte und den Sieg davontrug. [2]

Nach diesem Erfolg des US-Amerikaners mehrten sich abermals Stimmen, die das seit langem geforderte Duell mit Anthony Joshua auf der Tagesordnung des Briten sehen wollen. Man darf gespannt sein, wie sich Eddie Hearn am 31. März dazu äußern wird, sofern ihm Joseph Parker nicht die Butter vom Brot genommen hat.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/03/joshua-predicting-knockout-of-parker-in-8-rounds/#more-259315

[2] www.boxingnews24.com/2018/03/deontay-wilder-preparing-for-anthony-joshua/#more-259307

18. März 2018


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