Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2244: Schwergewicht - ein windiges Angebot ... (SB)



Eddie Hearn schiebt Deontay Wilder auf die lange Bank

Das seit Jahren geforderte Duell der Weltmeister im Schwergewicht zwischen dem Briten Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF) und dem US-Amerikaner Deontay Wilder (WBC) wird wohl erst 2019 über die Bühne gehen, wenn es denn überhaupt dazu kommt. Joshuas Promoter Eddy Hearn hat Wilders Manager Al Haymon ein ultimatives Angebot gemacht, das dieser schlichtweg nicht annehmen kann: Der WBC-Champion könne die Pauschale von 12,5 Millionen Dollar erhalten, doch lehne er ab, werde Joshua seinen nächsten Kampf gegen den russischen Pflichtherausforderer Alexander Powetkin bestreiten und danach gegen Jarrell Miller aus den USA antreten, der bei Hearn unter Vertrag steht.

Die möglichen Einkünfte bei einem Kampf zwischen Joshua und Wilder werden auf bis zu 80 Millionen Dollar geschätzt, auf die sich der Erlös aus dem Pay-TV, den Eintrittskarten und sonstigen Quellen summieren dürfte. Das Angebot Hearns sieht also vor, daß sein Boxer im günstigsten Fall 67,5 Millionen Dollar einstreichen kann, während die Gegenseite nur einen geringen Bruchteil erhalten soll. Wie der britische Promoter hinzufügte, könne man ja im Falle einer Ablehnung irgendwann im nächsten Jahr die Verhandlungen erneut aufnehmen. Da man damit rechnen muß, daß Hearns Angebot auch dann nicht höher ausfallen würde, wird Wilder mit denkbar ungünstigen Aussichten auf die lange Bank geschoben.

Als Anthony Joshua im März in Cardiff dem WBO-Weltmeister Joseph Parker den Titel abnahm, erhielt der Neuseeländer einen Anteil von 33 Prozent. Daß Wilder sogar nur rund 20 Prozent bekommen soll, obwohl der US-Amerikaner erheblich höher als Parker einzuschätzen ist, zeugt vom Desinteresse Hearns, diesen Kampf zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszutragen. Ginge es ihm lediglich darum, die von Wilder zuletzt geforderten 40 Prozent zu drücken, hätte er keine endgültige Offerte, sondern ein Verhandlungsangebot vorgelegt. Wenngleich nicht auszuschließen ist, daß sich der britische Promoter noch höhere Einkünfte davon verspricht, den Kampf längere Zeit reifen zu lassen, legt seine Verfahrensweise doch vor allem nahe, daß er eine Niederlage Joshuas fürchtet und Wilder deshalb aus dem Weg gehen will.

Daß Hearn von 12,5 Millionen Dollar spricht, was aus Perspektive der Öffentlichkeit nach sehr viel Geld für Wilder klingt, scheint Bestandteil dieser Strategie sein. Wäre von einer Aufteilung der Einkünfte im Verhältnis 80:20 die Rede gewesen, auf die der genannte Betrag hinauslaufen dürfte, wäre dem Boxpublikum sofort ein Licht aufgegangen, was für ein Spiel da gerade über die Bühne geht. Wie man wissen muß, stehen einem Pflichtherausforderer 25 Prozent der Gesamtbörse zu. Daß man Wilder, obgleich dieser Weltmeister ist und von vielen Experten stärker als Joshua eingeschätzt wird, mit nur 20 Prozent abspeisen will, spricht Bände. Joshua hat wiederholt erklärt, er fürchte den WBC-Champion nicht und wolle ihm eine Lektion erteilen, wer der weltbeste Schwergewichtler ist, dem alle vier maßgeblichen Titel zustehen. Daß er seinen Promoter nicht drängt, Wilder ein anständiges Angebot zu machen, damit der US-Amerikaner einschlagen und der Kampf stattfinden kann, läßt darauf schließen, daß ihm in Wirklichkeit sehr gelegen kommt, dieser Prüfung aus dem Weg zu gehen.

Es fällt schwer, Eddie Hearns Vorgehensweise überhaupt als Verhandlung zu bezeichnen, da er im Stile eines Machtkampfs nach der Devise "friß oder stirb" einen Brocken hinwirft. Im Grunde signalisiert er Wilders Team, daß er nicht zu Verhandlungen bereit ist und den Kampf ablehnt. Das könnte sich natürlich als Eigentor erweisen, falls Joshua oder Wilder demnächst verliert und das lukrative Duell damit entweder endgültig gestorben ist oder sehr viel weniger Geld einbringt, als derzeit die Kassen klingeln ließe. Hearn setzt also darauf, daß beide Weltmeister ungeschlagen bleiben und er sich im nächsten Jahr den Löwenanteil sichern kann.

Vermutlich wird er Wilder zuvor abermals einen Kampf gegen Dillian Whyte anbieten, den er gewissermaßen als Anthony Joshuas Leibwächter installiert hat. Wer sich mit dem Champion messen will, muß zuerst einen Gang mit Whyte absolvieren. Deontay Wilder hat dieses Angebot bekommen und abgelehnt, da es ihn zu einem Kandidaten degradieren würde, der sich erst noch für einen Kampf gegen Joshua qualifizieren muß. Der US-Amerikaner hatte im Zuge der Kontroverse sogar eingewilligt, gegen Whyte anzutreten, sofern ihm Hearn vertraglich einen Kampf gegen Joshua zusichert, wozu der britische Promoter jedoch nicht bereit war. Wilder ist kein Anwärter auf einen Titelkampf, sondern trägt den Gürtel des WBC, den viele Boxinteressierte traditionell für den wichtigsten der Branche halten.

Shelly Finkel, der neben dem einflußreichen Berater Al Haymon als persönlicher Manager die Interessen Deontay Wilders vertritt, bestätigte das einmalige Angebot Eddie Hearns. Man werde dennoch in Kürze ein Gegenangebot vorlegen und wenn es Joshua ernst damit ist, gerne gegen ihn antreten. Nach Lage der Dinge ist es jedoch wenig wahrscheinlich, daß der britische Promoter sein ultimatives Angebot zugunsten tatsächlicher Verhandlungen revidiert. Wenngleich die Debatte, welcher Anteil Wilder zustehen sollte, angesichts der Kräfteverhältnisse in dieser Auseinandersetzung eher müßig ist, kann man ihn ohne weiteres auf 40 oder sogar 45 Prozent taxieren, die ihm eigentlich zustünden, gäbe es so etwas wie ein faires Angebot. [1]

Legt man die letzten Auftritte der Rivalen zugrunde, wird deutlich, daß sich Wilder in sportlicher Hinsicht keinesfalls vor dem Briten zu verstecken braucht. Dieser setzte sich am 31. März in einem langweiligen Kampf nach Punkten gegen Parker durch und ging dabei derart vorsichtig zu Werke, als habe er einen Heidenrespekt vor den Schlägen des Neuseeländers. Joshua spielte seine größere Reichweite aus und boxte zumeist mit dem Jab aus der Distanz, während er sofort zurückwich, sobald Parker zum Schlag ansetzte. Offenbar versuche der Brite, Wladimir Klitschko zu kopieren, fiel denn auch vielen Experten auf. Dabei kam dem Briten der Ringrichter zu Hilfe, der regelmäßig einschritt und die Kontrahenten voneinander trennte, sobald Parker dem Gegner zu Leibe rückte und dabei die bessere Figur machte. Wenngleich es wohl zu weit ginge, von einer gezielten Manipulation zu sprechen, war doch offensichtlich, daß er Referee mit dieser befremdlichen Auslegung des Regelwerks den Neuseeländer klar benachteiligte.

Hingegen lieferte Deontay Wilder am 3. März in New York dem Kubaner Luis Ortiz, der als Nummer drei im Schwergewicht gilt, einen mitreißenden Kampf, in dem er kein Risiko scheute. In der siebten Runde war er schwer angeschlagen und rettete sich gerade noch in die Pause, in der neunten und zehnten drehte er den Spieß um, bis sich Ortiz nach zwei Niederschlägen vorzeitig geschlagen geben mußte. Der Fernvergleich zwischen den beiden Weltmeistern hätte nicht klarer zugunsten des US-Amerikaners ausfallen können, zumal Joshua ohne die Intervention des Ringrichters womöglich sogar verloren hätte. Joseph Parker wurde systematisch seiner stärksten Waffe beraubt, da ihn der Referee nicht an den größeren und langarmigeren Briten herankommen ließ.

Wenngleich man argumentieren könnte, daß sich die beiden Kämpfe nicht vergleichen lassen und Anthony Joshua dazugelernt hat, wie er auf Nummer Sicher gehen kann, drängt sich doch der Eindruck auf, daß der Brite und sein Promoter gute Gründe haben, Wilders gewaltige Schläge tunlichst zu meiden.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/hearn-gives-wilder-12-5m-take-it-or-leave-it-offer-for-joshua-fight/#more-260785

12. April 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang