Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2271: Supermittelgewicht - in der Schwebe ... (SB)



Callum Smith will auf George Groves warten

Wie Callum Smith eigenen Angaben zufolge erfahren hat, wird sein Landsmann George Groves nicht vor August oder September in der Lage sein, im Finale der World Boxing Super Series gegen ihn anzutreten. Die beiden britischen Supermittelgewichtler sollten ursprünglich bereits im Mai zum abschließenden Höhepunkt des Turniers aufeinandertreffen. Groves hatte sich jedoch bei seinem Sieg über Chris Eubank jun. im Halbfinale, das am 17. Februar in Manchester über die Bühne ging, eine Verletzung an der linken Schulter zugezogen, die eine Operation erforderlich machte. Nachdem zunächst eine Verschiebung bis Juni ausreichend erschien, erwies sich unterdessen, daß der Genesungsprozeß doch länger als erwartet dauert. Verletzungen im Bereich des Schultergelenks sind erfahrungsgemäß oftmals langwierig, zumal eine uneingeschränkte Belastbarkeit wiederhergestellt sein muß, bevor an einen Kampf zu denken ist.

Die Veranstalter sind bereit, Groves eine längere Frist einzuräumen, um das Turnier in der vorgesehenen Form abzuschließen. Sollte dies jedoch auch bis September nicht möglich sein, springt Chris Eubank als Ersatz ein. Mit dieser Alternative kann sich Callum Smith offenbar nicht anfreunden, da kein Titel auf dem Spiel stünde und sein eventueller Sieg weit weniger bedeutsam als ein Erfolg gegen George Groves wäre. Wie man einschränkend hinzufügen muß, würde letzteres höchstwahrscheinlich mit den Verletzungsfolgen des Gegners in Verbindung gebracht werden, so daß sich Smiths Ruhm ohnehin in Grenzen hielte.

Warum die Turnierleitung auf Chris Eubank als möglichen Ersatzmann verfallen ist und nicht einen Kandidaten außerhalb der Serie gesucht hat, wurde bislang nicht schlüssig erklärt. Aus Sicht des Publikums wäre es jedenfalls unerfreulich, käme mit Eubank ein Teilnehmer im Finale zum Zuge, der im Halbfinale ausgeschieden ist. Wenn es denn unbedingt sein muß, hätte man ebensogut Callum Smiths Halbfinalgegner Nieky Holzken nehmen können, der sich trotz seiner Niederlage gut geschlagen hat, was man von Eubank nicht gerade sagen kann. Doch auch diese Option wäre letzten Endes nicht verträglicher, da sich das Turnier selbst entwertet oder gar lächerlich macht, wenn es seinen eigenen Modus unterläuft.

Weit besser als Chris Eubank wäre der WBC-Champion David Benavidez aus Mexiko, der reguläre WBA-Weltmeister Tyron Zeuge aus Berlin, der britische IBF-Titelträger James DeGale, der IBF-Interimschampion Jose Uzcategui oder der mexikanische WBO-Weltmeister Gilbert Ramirez. Das ist freilich leichter gesagt als getan, da einer dieser namhaften Akteure gefunden werden müßte, der willens und bereit dazu wäre. Teuer wäre es allemal, da die Veranstalter viel Geld auf den Tisch legen müßten, was den finanziellen Rahmen des Turniers sprengen könnte. Im Prinzip ließe sich wohl leichter ein anderer guter, aber weniger prominenter Akteur verpflichten, der das Publikum zwar nicht vor Begeisterung an die Decke springen ließe, aber dennoch verdaulicher als Chris Eubank wäre.

Callum Smith räumt denn auch offen ein, daß aus seiner Sicht alles für einen Kampf gegen George Groves spricht. Daher bleibt ihm vorerst nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen, daß dieses Finale doch noch zustande kommt. Realistisch ist das aber nicht, da die Operation erst drei Monate zurückliegt und es je nach Schwere einer Schulterverletzung nicht selten über ein Jahr dauert, bis der betroffene Boxer in den Ring zurückkehren kann. Und auch dann wäre ein vorsichtiger Aufbaukampf angesagt, nicht aber das sofortige Finale eines anspruchsvollen Turniers.

In diesem Zusammenhang denkt man zwangsläufig an den britischen Schwergewichtler Dillian Whyte, der sich 2015 im Kampf gegen Anthony Joshua an der linken Schulter verletzte und einer Operation unterziehen mußte. Er legte damals eine Pause von sechs Monaten ein, ehe er im Juni 2016 mit Ivica Bacurin in den Ring stieg, einem ausgesucht leichten Gegner. War früher der linke Haken Whytes gefährlichste Waffe gewesen, so konnte er nun nicht annähernd dieselbe Wirkung entfalten und mußte sich vorwiegend seiner schwächeren Rechten bedienen. Erst im Dezember 2016 nahm er es wieder mit einem anspruchsvollen Gegner auf, als er auf Dereck Chisora traf. Die beiden lieferten einander einen verbissenen Kampf, aus dem Dillian Whyte umstritten als Sieger hervorging. Um Grunde scheint er erst heute wieder in einer ähnlichen körperlichen Verfassung wie vor seiner Verletzung zu sein, die drei Jahre zurückliegt. [1]

Wenngleich man die jeweiligen Genesungsprozesse natürlich nicht über einen Kamm scheren kann, wäre George Groves vermutlich schlecht beraten, im Herbst gegen Callum Smith anzutreten. Um ihn zu besiegen, müßte Groves voll wiederhergestellt sein und liefe dennoch Gefahr, sich abermals zu verletzen und womöglich seine Karriere zu ruinieren. Er ist 30 Jahre alt und könnte noch einige Zeit WBA-Weltmeister bleiben, wenn er sein Comeback umsichtig angeht. So bedauerlich es sein mag, daß er die Früchte seiner Turnierteilnahme vermutlich nicht ernten kann, wäre weit schlimmer, wenn er Finalkampf und Titel verliert, weil er noch nicht vollständig einsatzbereit ist.

Als Callum Smith am 24. Februar in Nürnberg zu seinem Halbfinalkampf gegen den nachnominierten Nieky Holzen antrat, zweifelte kaum jemand an seinem Erfolg. Der Gegner war eher ein Novize, was die Erfahrung als Boxer betraf, machte dieses Manko jedoch mit einer athletischen Verfassung und einer geschickten Kampfesweise in erheblichen Teilen wett. Er war kleiner und schwächer als der Favorit, der dennoch hart kämpfen mußte, um am Ende nach Punkten die Oberhand zu behalten. Smith riß an diesem Abend nicht gerade Bäume aus, so daß die Einschätzung laut wurde, er wäre in dieser Verfassung chancenlos gegen George Groves. Nun haben sich die Voraussetzungen grundlegend geändert, da der WBA-Weltmeister nicht nur mit einem gesunden Arm Smith in die Schranken weisen kann. Dieser hätte vor allem dann gute Aussichten zu gewinnen, wenn er die zweite Hälfte des Kampfes erreicht, in der Groves häufig Konditionsprobleme bekommt.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/05/callum-smith-willing-to-wait-for-george-groves-until-aug-sept/#more-263786

23. Mai 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang