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MELDUNG/2305: Schwergewicht - von der Dampfwalze überrollt ... (SB)



Jarrell Miller macht mit Tomasz Adamek kurzen Prozeß

Der US-amerikanische Schwergewichtler Jarrell Miller hat seine Weste sauber und die Tür zu einem Kampf um die Weltmeisterschaft gegen Anthony Joshua offengehalten. Bei einem vom Streamingdienst DAZN übertragenen Auftritt in der Wintrust Arena in Chicago setzte sich der 30jährige Favorit bereits in der zweiten Runde gegen den elf Jahre älteren Außenseiter durch. Während Miller damit seine Bilanz auf 22 Siege und ein Unentschieden ausbauen konnte, stehen für den in New York lebenden Polen, der früher Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht war, nunmehr 53 gewonnene und sechs verlorene Auftritte zu Buche.

Wie ungleich der Kampf von vornherein war, zeigten schon die höchst unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen. Vom beträchtlichen Altersunterschied ganz abgesehen wirkte der US-Amerikaner mit einer Größe von 1,93 m und einem Gewicht von 143 kg wie ein Riese gegenüber dem 1,87 m messenden und 102 kg wiegenden Polen. Miller walzte denn auch gleich in der ersten Runde auf den Gegner zu und bearbeitete ihn mit wuchtigen Schlägen zu Kopf und Körper, so daß er ihn sogleich zum Rückzug zwang. Adamek landete zwar einige Körpertreffer, die den US-Amerikaner jedoch überhaupt nicht beeindruckten, da er aufgrund seiner überaus massiven Statur nichts zu befürchten hatte. Dem Polen fehlte es zudem an Mobilität, die dringend erforderlich gewesen wäre, um sich von dieser Angriffswucht fernzuhalten. Angesichts seiner physischen Unterlegenheit war es verhängnisvoll, von Anfang an stehenzubleiben und sich dem Massaker zu überantworten.

Als Adamek bereits am Ende der ersten Runde wie ein Schlachtopfer wirkte, war klar, daß er mit dieser Kampfesweise geradewegs in den Untergang steuerte. Warum er nicht das Weite suchte war sicher auch darauf zurückzuführen, daß er schon in jüngeren Jahren nie zu den besonders beweglichen Boxern gehört hatte, die einen Gegner auf schnellen Füßen ausmanövrieren können. Er war stets ein Kämpfer, der den Schlagabtausch sucht, rasch Verletzungen davonträgt und sehr viel einstecken muß. Im Alter von 41 Jahren ist der Pole weniger denn je in der Lage, sich einem Kontrahenten wie Miller zu entziehen, selbst wenn er es wollte.

Als Adamek in der zweiten Runde einen weiteren wuchtigen Wirkungstreffer abbekommen hatte, zog er sich in die Seile zurück und brachte sich damit in eine hilflose Situation, aus der er nicht mehr entkommen konnte. Miller nahm in aller Ruhe Maß, versetzte ihm zuerst eine Linke und dann weitere Schläge mit der Rechten, bis der Pole auf ein Knie niedersank und es vorzog, sich vom Ringrichter auszählen zu lassen. Als er wieder auf die Beine kam, war der Kampf bereits beendet. Tomasz Adamek hatte nach einer vorzeitigen Niederlage gegen Eric Molina im April 2016 drei Auftritte gewonnen, war aber gegen Miller in jeder Hinsicht überfordert.

Ihm sei es darum gegangen, Spaß zu haben, so Jarrell Miller nach diesem leichten Gang. Die Politik raube dem Boxen jeglichen Spaß. Er hoffe jedenfalls, das Publikum gut unterhalten zu haben, und warte nun auf die Chance, Anthony Joshua vor die Fäuste zu bekommen. Eddie Hearn halte seine schützende Hand über ihn, doch da der britische Promoter ein Mann sei, der zu seinem Wort stehe, sei er zuversichtlich, daß dieser Kampf kommen werde, übt sich der US-Amerikaner in Geduld und Zuversicht. [1]

Wohl trifft es zu, daß ihn Hearn, der auch sein Promoter ist, mehrfach ins Gespräch gebracht und zeitweise sogar als ersten Anwärter für einen Kampf gegen Joshua im Frühjahr bezeichnet hat. Doch das ist unverbindlich und Schnee von gestern, da Eddie Hearn seine Pläne laufend neu konfiguriert. Fest steht lediglich, daß der Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF seine Titel am 13. April 2019 im 90.000 Zuschauer fassenden Londoner Wembley-Stadion verteidigen wird. Ursprünglich sollte Manuel Charr den Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Dezember gegen Fres Oquendo verteidigen, doch da er unterdessen bei einer Trainingskontrolle der VADA positiv getestet worden ist, mußte er den Gürtel zurückgeben. Miller könnte gegen Oquendo um den vakanten Titel kämpfen und im Frühjahr einen weiteren Kampf austragen, um dann womöglich im Herbst endlich auf Anthony Joshua zu treffen.

Anthony Joshua hat zuletzt den russischen Pflichtherausforderer Alexander Powetkin besiegt und soll im April entweder gegen Dillian Whyte oder Deontay Wilder antreten. Whyte trifft am 22. Dezember entweder auf seinen Landsmann Dereck Chisora oder den Kubaner Luis Ortiz. Da er in beiden Fällen Gefahr liefe, den Kampf zu verlieren, könnte es Hearn am Ende doch noch vorziehen, Jarrell Miller im April mit Joshua in den Ring zu schicken.

Unterdessen hat sich Tyson Fury mit einem skurrilen Angebot zu Wort gemeldet, der Jarrell Miller dazu einlädt, für 100.000 Dollar ein Sparring mit oder ohne Handschuhe im Trainingslager in Big Bear mit ihm zu absolvieren. Er habe ihn einst bei einem Sparring in Lancester siebenmal niedergeschlagen und werde das nun zehnmal schaffen. So laute die Wette, der Sieger bekomme die volle Summe. Was könnte er mit dieser seltsamen Offerte bezwecken, außer sich und seinen Kampf gegen Deontay Wilder am 1. Dezember im Staples Center in Los Angeles ins Gespräch zu bringen? Sollte er sich ernsthaft mit Miller messen wollen, liefe er Gefahr, sich dabei eine Verletzung zuzuziehen, so daß sein Auftritt mit dem WBC-Weltmeister gestorben wäre.

Eddie Hearn hat vorhergesagt, daß Fury sein Trainingslager nicht überstehen werde, ohne sich zu verletzen und daraufhin den Kampf gegen Wilder absagen zu können. Damit unterstellt er natürlich, daß sich der Herausforderer für seine ebenso spektakuläre wie waghalsige Initiative von vornherein eine Hintertür offengelassen hat. Zur Vorbereitung auf Deontay Wilder, der 2,01 m groß ist, aber nur um die 100 kg auf die Waage bringt, wäre Jarrell Miller aufgrund seiner Physis jedenfalls eine denkbar schlechte Wahl. Ginge es gegen Dereck Chisora oder Dillian Whyte, sähe die Sache anders aus. Letzten Endes kann man nur vermuten, daß Tyson Fury jede Gelegenheit nutzt, die Konkurrenz madig zu machen, aber nicht ernsthaft davon ausgeht, daß sich Miller auf diesen absurden Wettstreit einläßt. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/10/jarrell-big-baby-miller-stops-tomasz-adamek-results/

[2] www.boxingnews24.com/2018/10/tyson-fury-challenges-jarrell-miller-to-a-100-000-spar/

8. Oktober 2018


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