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MELDUNG/2320: Halbmittelgewicht - durchwachsener Auftritt ... (SB)



Kell Brook besiegt Michael Zerafa einstimmig nach Punkten

Der Brite Kell Brook hat sich vor heimischem Publikum in Sheffield in einem Ausscheidungskampf des Verbands WBA im Halbmittelgewicht einstimmig nach Punkten gegen den Australier Michael Zerafa durchgesetzt (118:110, 119:109, 117:111). Wenngleich das eindeutige Ergebnis die Überlegenheit des 32jährigen Lokalmatadors angemessen widerspiegelt, war sein Auftritt gegen den sechs Jahre jüngeren Außenseiter keineswegs überzeugend. Brook erhebt nach wie vor den Anspruch, zur Elite im Halbmittelgewicht und Weltergewicht zu gehören, und hatte gehofft, sich dieses als handhabbar eingestuften Kontrahenten dank einer souveränen Demonstration seines Könnens problemlos entledigen zu können. Nachdem im Vorfeld die Frage aufgeworfen worden war, wieso der Australier überhaupt in den Genuß dieser Qualifikation gekommen war, deren Sieger neuer Pflichtherausforderer der WBA ist, hielt er sich gegen den hohen Favoriten wesentlich besser als erwartet. Während für Brook nun 38 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, hat Zerafa 25 gewonnene und drei verlorene Auftritte vorzuweisen. Der Kampf wurde vom Streamingdienst DAZN übertragen, mit dem Promoter Eddie Hearn einen hochdotierten Zehnjahresvertrag abgeschlossen hat. [1]

In der elften und zwölften Runde brachte der Außenseiter immer wieder seine Rechte ins Ziel, so daß er zumindest den letzten Durchgang klar zu seinen Gunsten gestalten konnte. Wäre Zerafa frühzeitiger mit derselben Entschlossenheit und Dringlichkeit zu Werke gegangen, hätte er Brook enorme Probleme bescheren und vielleicht sogar für eine faustdicke Überraschung sorgen können. Um das Timing des Briten war es an diesem Abend in der Sheffield Arena ausgesprochen schlecht bestellt, seine Deckung wirkte löchrig, und von einer Beinarbeit war wenig zu sehen. Gemessen an seiner Vorstellung gegen Sergej Rabtschenko im März schien er beträchtliche Teile seines Könnens eingebüßt zu haben.

Wie man zu seiner Ehrenrettung anführen könnte, hat er in jüngerer Zeit sein Gewicht recht drastisch reduziert, um sich in die Lage zu versetzen, Anfang nächsten Jahres gegen seinen Landsmann Amir Khan oder einen anderen namhaften Weltergewichtler anzutreten. Khan besteht darauf, diesen lukrativen Kampf keinesfalls im Halbmittelgewicht auszutragen, um nicht von vornherein benachteiligt zu sein. Deshalb blieb Brook keine andere Wahl, als sich auf diese Bedingung einzulassen, will er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, dieses in England seit Jahren geforderte Duell endlich auszutragen und dabei kräftig Kasse zu machen. Jedenfalls könnte der Gewichtsabbau zur Erklärung beitragen, warum Kell Brook offensichtlich Substanz und Schlagwirkung eingebüßt hatte.

Wie er hinterher im Gespräch mit Sky Sports ratlos räsonierte, wisse er auch nicht, ob er zuviel erwartet, überambitioniert geboxt oder einfach einen schlechten Tag erwischt habe. Er habe sich ein wenig wie Wladimir Klitschko in dessen Kampf gegen Tyson Fury gefühlt, da er einfach nicht in die Gänge gekommen sei. Andererseits fühle er sich wie neugeboren und habe seine Freude am Boxen wiedergefunden, fügte er wenig überzeugend hinzu.

Brook konnte zwar Runde für Runde Treffer landen, war aber nicht in der Lage, den robusten Australier dabei in Mitleidenschaft zu ziehen. Zerafa hat seine Karriere größtenteils im Mittelgewicht und sogar im Supermittelgewicht verbracht, war aber 2018 ins Halbmittelgewicht heruntergekommen. Seine Nehmerqualitäten ließen nichts zu wünschen übrig, da der Brite nicht in der Lage war, ihm ernsthaft etwas anzuhaben, außer seinen Punktvorsprung beständig auszubauen. Kell Brook hat dank dieses Erfolgs Anspruch auf einen Titelkampf gegen den amtierenden WBA-Weltmeister Jarrett Hurd. Den wird sein Promoter jedoch zu verhindern wissen, dem klar sein muß, daß sein Boxer in dieser Verfassung Kanonenfutter für den US-Amerikaner wäre.

Ein Kampf gegen Amir Khan wäre die optimale Lösung, da ihn das britische Publikum begeistert aufnehmen würde und Brook durchaus Chancen hätte, die Oberhand zu behalten. Beide Boxer haben den Zenit ihres Können überschritten und hätten im Grunde schon vor Jahren aufeinandertreffen müssen, als Brook noch IBF-Champion im Weltergewicht war. Die Verhandlungen mit Khan gestalten sich jedoch schwierig, da dieser auch auf einer vertraglich vereinbarten Klausel besteht, wonach die Gewichtszunahme nach dem offiziellen Wiegen rund vier Kilo nicht überschreiten dürfe. Mit dieser Bedingung will er natürlich verhindern, daß Brook sich durch Rehydration einen allzu großen Vorteil verschafft. Der will sich bislang nicht darauf einlassen, weshalb Amir Khan bereits für den Fall eines Scheiterns ihrer Verhandlungen einen Kampf gegen den WBO-Weltmeister Terence Crawford im Munde führt, der im März über die Bühne gehen könnte.

Das brächte Brook in Zugzwang, da dann der Ruf laut würde, er solle von seiner Position als Pflichtherausforderer Gebrauch machen und sich mit Jarrett Hurd messen. Deshalb drängt er darauf, gegen Khan anzutreten, und wirft ihm vor, er laufe abermals weg. Für Kell Brook stellt sich grundsätzlich das Problem, daß er mit hochklassigen Gegnern allein schon aus konditionellen Gründen nicht mehr mithalten kann. Das zeigte sich bei den vorzeitigen Niederlagen gegen Gennadi Golowkin und Errol Spence wie auch in der Sheffield Arena gegen Michael Zerafa, nur daß diesem die Schlagwirkung fehlte, um den Briten auf die Bretter zu schicken. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/12/kell-brook-defeats-michael-zerafa-results/

[2] www.boxingnews24.com/2018/12/kell-brook-decisions-michael-zerafa/

9. Dezember 2018


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