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TIERHALTUNG/593: Eier, woher kommt ihr? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 366 - Mai 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Eier, woher kommt ihr?
Nach jedem Skandal stellt sich die Frage nach den Produktionsstrukturen und es eröffnet sich Chancen für Regionalität.

von Marcus Nürnberger



Die negativen Schlagzeilen zu Überbelegung und schlechtem Gesundheitszustand von Legehennen, auch im Biobereich, haben für viele wieder einmal die Frage nach der Herkunft ihrer Eier in den Vordergrund gerückt. Wie die Erfahrungen aus vielen vorangegangenen Lebensmittelskandalen gezeigt haben, ist die Beschäftigung vieler Verbraucher mit der Herkunft und den Produktionsbedingungen ihrer Lebensmittel aber nur eine kurzzeitige Erscheinung. Das Umdenken im Laden, der Griff zu den teureren, und deshalb vermutlich auch für die Hennen besseren, Eiern aus Boden-, Freiland- oder Biohaltung ist für viele schon der weitestgehende Schritt. Die wirklichen Strukturen und Größenordnungen der Eierproduktion bleiben den meisten für immer verborgen.


Wunderschöne Hühner

Max Engelwald ist ein Überzeugungstäter. Er hält seine Hühner im Freiland. Sein Mobilstall mit den 225 Hennen setzt er einmal die Woche um. "Die Hühner zerstören sonst die Grasnarbe und graben bis zu einem halben Meter tiefe Löcher", berichtet der Hühnerhalter seine Erfahrungen. Die Eier vermarktet er direkt. Ein ausgedienter Sandwichautomat ersetzt den Hofladen. Die Kunden kommen, werfen ihr Geld ein und bekommen die Eier aus dem Automaten. Bis zu 80 Kilometer fahren seine Kunden um seine Eier, und Milch vom Partnerbetrieb, ebenfalls selbst gezapft, am Automaten zu holen. "Am Wochenende ist immer die Hölle los." Da verlängern sich die Zeiten für das Eiersammeln der noch warmen Eier aus den mit Dinkelspelzen eingestreuten Legenestern enorm. Die vielen Besucher wollen die Hühner anschauen, haben Fragen. Auch Max Engelwald stellt gerne eine Frage. "Wie viele Hühner glauben Sie, sind das?" Die Antworten liegen zwischen 60 und 80 Stück. Wenn die Besucher erfahren, dass es über 200 Tiere sind, sprechen nicht wenige von Massentierhaltung. Das zeigt, wie unklar dieser Begriff verwendet wird und wie sehr er von den individuellen Vorstellungen und Erfahrungen des Betrachters abhängt. Dabei werden in bäuerlichen Legehennenbetrieben üblicherweise Herden mit 3.000 Tieren gehalten. Und selbst wenn ein Betrieb zwei derartige Herden hat würde keiner, der mit der Materie vertraut ist, von Massentierhaltung sprechen.


Kontakt schafft Vertrauen

Viele Kunden waren es nicht, die auf den Hof von Bärbel Endraß kamen, um sich ihre Legehennen anzuschauen. Dabei hatte sich die Bäuerin aus Süddeutschland, nach bekannt werden der schlechten Haltungsbedingungen in Tiemanns Ställen, offensiv und schriftlich an ihre Kunden gewandt und zu einer Besichtigung aufgefordert. Trotzdem sind die Kunden nicht ferngeblieben. Wie immer nach Skandalmeldungen, stieg die Nachfrage auf dem Markt. Das große Vertrauen rührt offenbar aus dem direkten Kontakt. "Die Kunden kennen uns und vertrauen uns", ist sich die Bäuerin sicher. Im Gegensatz zu Max Engelwald, laufen im Stall der Familie Endraß 3.000 Hennen. Die Hühner sind der zentrale Betriebszweig. Ökonomisch rentabel sind sie, weil die Kükenaufzucht, die Vermarktung der Eier sowie die Schlachtung und der Verkauf der Suppenhühner in einer Hand liegen. Die Rentabilität der Eierproduktion hängt von einzelnen Cent ab, die ein Ei mehr oder weniger kostet. Ein wichtiger Kostenfaktor ist auch der Preis der Junghennen: günstige Tiere gibt es schon für sechs Euro. Die sind dann aber für die Freilandhaltung meist ungeeignet. Denn in der Kükenzeit gilt es für das zukünftige Freilandhuhn, zu lernen auf Sitzstangen zu klettern, zu rennen, zu scharren und vor allem nicht den eigenen Spieltrieb durch Federpicken an seinen Artgenossen auszuleben. Hierfür brauchen die Küken Platz, Strukturen wie Sitzstangen und Stroh zum scharren. Faktoren, die Zeit und Arbeit bedürfen und daher die Kosten für die Legehennen steigen lassen. Mit der eigenen Aufzucht haben Endraß' die Qualität ihrer zukünftigen Hennen selbst in der Hand. Geimpft wird nur, was vorgeschrieben und für die individuelle Situation unbedingt notwendig ist. Am Ende sind die Junghennen 4,75 Euro teurer als die günstigen Massenaufzuchten.


Verschiedene Vermarktungsebenen

Das Ende der Legeperiode ist meist auch das Ende des Hühnerlebens. Für viele Betriebe, ohne eigene Schlachterei, entsteht ein Entsorgungsproblem. Oft sind die Betriebe froh, wenn sie noch zwei Euro pro Althenne bekommen, die dann irgendwo in der Republik geschlachtet und weiter vermarktet wird. Nicht selten wird für die Hennen kein Erlös mehr erzielt. Spätestens hier zeigt sich, wie sehr sich die ökologische Eierproduktion an den konventionell-industriellen Vorgaben orientiert. Geringe Investitionskosten bei den Junghennen, hohe Legeleistung, möglichst kostenneutrale Verwertung der Althennen. Vor allem in Bezug auf die Herdengesundheit hat dieser Ansatz trotz seiner betriebswirtschaftlichen Logik negative Auswirkungen. Wenn die Legehenne am Ende nichts wert ist, braucht sie auch keinen Fleischansatz mehr zu haben. Linien, die rein auf die Eierproduktion ausgerichtet sind entsprechen genau dieser Anforderung. Kein Gramm Futter in Fleisch. Allerdings sind die Tiere von ihrer Konstitution weniger stabil und flexibel. Insbesondere kurzzeitiger Futter- bzw. Wassermangel und Futterumstellungen führen sofort zum Zusammenbruch, da die Tiere über keinerlei körpereigene Reserven verfügen. Ein Huhn, das am Ende als Lebensmittel verkauft wird, darf bzw. muss dagegen fleischiger sein. Der Verkauf deckt die höheren Futterkosten.


Unklare Grenzen

Die Lebensmittelströme sind gewaltig. Wer in der Stadt lebt, kann seine Eier nur selten direkt beim Erzeuger kaufen. Nicht selten stehen auch auf den Märkten nicht die Direktvermarkter, sondern kleinere Händler. Große Nachfrage deckt sich durch große Betriebsstrukturen. Im Discounter wird man wohl immer Ware aus durchrationalsierten Betrieben, auch Biobetrieben, bekommen. Für den Verbraucher bleibt es schwierig, die Grenzen zu erkennen. Umso mehr sind die Verbände, allen voran die Bioverbände, gefordert, klare Richtlinien zu erarbeiten, die eine bäuerliche Produktion sicherstellen. Schon jetzt sind viele bewusste Verbraucher von den Skandalen im Biobereich verunsichert. Sie orientieren sich zu regionalen Produkten, die ihnen mehr Sicherheit zu versprechen scheinen. Nur wenn es gelingt, die Produktionswirklichkeit mit dem Bild des Verbrauchers in Einklang zu bringen, kann sich eine stabile Beziehung aufbauen. Hierzu wird es nötig sein, sich von industriellen Strukturen auf der einen und von Bauernhofromantik auf der anderen Seite zu verabschieden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 366 - Mai 2013, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2013