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ATOM/615: BfS-Präsident eröffnet Infostelle an der Schachtanlage Asse II (BfS)


Bundesamt für Strahlenschutz - Pressemitteilung, 5. Januar 2009

Sicherheit für Mensch und Umwelt ist Maßstab für die Stillegung der Asse - Öffentlichkeit wird über alle Schritte informiert

BfS-Präsident Wolfram König eröffnet Infostelle direkt an der Schachtanlage


"Die Sicherheit für Mensch und Umwelt ist der Maßstab bei der Schließung der Asse". Das sagte der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, heute bei der Eröffnung der Asse-Infostelle, die direkt neben der Schachtanlage in Remlingen eingerichtet wurde und allen Bürgerinnen und Bürgern offen steht. "Wir werden die Öffentlichkeit über alle Schritte bei der Schließung der Asse informieren".

Es gelte, verloren gegangenes Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. "Das können wir nur schaffen, indem wir transparent über alle Maßnahmen informieren. Die neue Infostelle wird dabei eine zentrale Rolle spielen", betonte König. Nachdem das BfS zum Jahreswechsel Betreiber der Asse geworden ist, wird ein Neuanfang in der Informationspolitik gemacht. Jeder Interessierte kann aktuelle Informationen über das weitere Vorgehen in der Asse bekommen. Zusätzliche Erläuterungen bietet das BfS mit Vorträgen, neuen Computeranimationen und Schautafeln.


Bei der Schließung der Asse stellt sich das BfS drei entscheidenden Aufgaben:

1. Herstellung der Langzeitsicherheit: Die Herausforderung dabei ist, die radioaktive Strahlung der Abfälle in der Schachtanlage von der Biosphäre abzuschirmen. Es darf zu keinem Zeitpunkt unkontrolliert Radioaktivität aus den Abfällen in die Umwelt gelangen.

2. Strahlenschutz: Das BfS ergreift alle Mittel, um die Strahlenbelastung der Bevölkerung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort so niedrig wie möglich zu halten. Keine Maßnahme zur Sicherung oder Schließung der Asse darf Menschen vermeidbaren Gefahren aussetzen.

3. Öffentlichkeitsbeteiligung: Bei der Schließung der Asse ist die Öffentlichkeit von Anfang an Partner des BfS. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf Information und Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Schließung der Schachtanlage.


Um die bestmögliche Lösung zu finden, werden alle wesentlichen Maßnahmen des BfS zuvor von Gutachtern begleitet und die Ergebnisse veröffentlicht.

Für die Organisation des Betriebs ist die neue Asse GmbH - Gesellschaft für Betriebsführung und Schließung der Schachtanlage Asse II - gegründet worden, die direkt dem BfS unterstellt ist. Das Personal auf der Asse soll weiterbeschäftigt werden, um wichtiges Know-how zu erhalten. Die Neugründung der Asse GmbH macht den schnellen Übergang des Personals vor Ort in die Verantwortung des BfS überhaupt erst möglich.


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Hintergrundpapier
Bundesamt für Strahlenschutz
Stand: 1. Januar 2009 1

Übersicht Schachtanlage Asse II

Geschichte
Bergbau

Die Schachtanlage Asse II ist ein Salzbergwerk, das etwa 30 Kilometer nördlich des Harzes im Asse-Heeseberg Höhenzug liegt. Zwischen 1908 und 1925 wurde im Schacht Asse II das Kalisalz Carnallitit abgebaut. Die feuchten Rückstände aus der Kaliproduktion wurden in das Bergwerk zurückgebracht, um die Abbaukammern wieder zu verfüllen. Parallel dazu wurde auch Steinsalz abgebaut. Von 1916 bis 1964 entstanden in der Südflanke des Grubenbaus insgesamt 131 Abbaukammern mit einer Größe von ca. 3,4 Mio. cbm, die zunächst nicht wieder verfüllt wurden.

Versuchseinlagerung

1965 übernahm das Institut für Tieflagerung (Rechtsnachfolger ist das Helmholtz Zentrum München, HMGU) im Auftrag des Ministeriums für Bildung und Forschung die Schachtanlage. Auftrag war zunächst, die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu erforschen. Die ersten Abfälle wurden 1967 eingelagert. Bis 1978 wurden 124.494 Gebinde mit schwachradioaktiven Abfällen (LAW) und 1.293 Gebinde mit mittelradioaktiven Abfälle (MAW), also insgesamt 125.787 Fässer mit Atommüll in das Bergwerk gebracht. Die schwachradioaktiven Abfälle (LAW) lagern in zehn Abbaukammern in der Südflanke des Grubenbaues sowie in zwei Kammern im Zentralteil. Die LAW-Abfälle machen etwa 60 Prozent der radioaktiven Gesamtaktivität der eingelagerten Abfälle aus. Die anderen etwa 40 Prozent der Aktivität gehen auf die mittelradioaktiven Abfälle zurück, die in einer einzelnen Kammer lagern. Sie bestehen aus verhältnismäßig kurzlebigen Radionukliden. Der größte Teil der rund 45.000 Kubikmeter radioaktiven Abfalls stammt aus den damaligen Kernforschungszentren Karlsruhe und Jülich. Ihr Gesamtgewicht liegt bei 89.000 Tonnen. Die Gesamtaktivität der radioaktiven Abfälle in der Asse betrug 2008 etwa 2,7*1015 Becquerel (Quelle: HMGU). Eine Rückholung der Abfälle war zum Zeitpunkt der Einlagerung nicht vorgesehen.

Die Einlagerung fand ihr Ende, nachdem 1976 das Atomgesetz geändert wurde: Nun war ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren als Voraussetzung für die Einlagerung radioaktiver Abfälle vorgeschrieben. Als 1978 die Übergangsfrist ablief, wurde die Einlagerung beendet. Rechtsgrundlage für den Betrieb des Bergwerks blieben das Bergrecht und die Strahlenschutzverordnung.

Das Bergwerk
Stabilitätsprobleme

Während des Salzabbaus entstanden in der Schachtanlage Asse II zahlreiche Abbaukammern, die in der Südwestflanke des Bergwerkes dicht übereinander liegen. Teilweise reichen die Abbaukammern in den Salzschichten bis auf fünf Meter an das Nebengebirge heran. Auch die Abstände zwischen den Kammern betragen teilweise nur wenige Meter.

Der hohe Durchbauungsgrad und die Nähe der Abbaukammern zum Nebengebirge verursachen heute das größte Problem in der Asse. Die Bewegung des Berges drückt die Abbaukammern zusammen, dadurch lockern sich das Salz- und Nebengebirge auf. So sind Klüfte entstanden, durch die Grundwasser fließen kann, das im Bereich der Salzstruktur salzgesättigt ist. Seit 1988 dringen diese Zutrittswässer im oberen Teil der Südflanke, in etwa 500 bis 575 Meter Tiefe, in das Bergwerk ein. Hinzu kommt, dass die Abbaukammern selbst durch die Gebirgsbewegung instabil werden. Teilweise sind die Decken zwischen den Abbaukammern bereits eingebrochen. Ohne zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen droht das Bergwerk einzustürzen. Auch unkontrollierte Grundwassereinbrüche sind zu befürchten, bei denen dann auch nachfließendes Süßwasser weitere Lösungsprozesse auslösen könnte.

Stabilisierungsversuche

Der ehemalige Betreiber der Asse, das Helmholtz Zentrum München, hat mit der Verfüllung der Abbaukammern durch Blasversatz mit Salzgrus erste Maßnahmen zur Stabilisierung des Bergwerks unternommen. Ihre Wirkung entfaltet sich jedoch wegen des hohen Porenvolumens des Salzversatzes erst später. Zudem haben sich durch Setzung des Salzgruses Hohlräume, sogenannte Firstspalte, unter den Kammerdecken gebildet. Um eine stabilisierende Wirkung kurzfristiger zu erreichen, plant das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), diese Firstspalte mit einem Spezialbeton zu verfüllen. Dadurch wird das Hohlraumvolumen verringert und eine schnellere Tragwirkung erreicht. Weitere Möglichkeiten der Stabilisierung werden geprüft.

Zutrittswässer

Insgesamt fließen am Tag rund zwölf Kubikmeter Zutrittswässer in das Bergwerk ein. Der größte Teil (zirka zehn Kubikmeter) wird auf der 658- Meter-Sohle gefasst. Diese Zutrittswässer treten direkt aus dem Nebengebirge zu und haben daher keinen Kontakt zu den Abfällen gehabt. Etwa 1,44 Kubikmeter am Tag werden auf der 725-Meter-Sohle aufgefangen. Ein geringer Anteil (zirka 0,22 Kubikmeter pro Tag) wird auf der 750-Meter-Sohle gesammelt. Dort lagert ein Teil der radioaktiven Abfälle. Ein direkter Zutritt dieser Wässer in die Einlagerungskammern ist bisher nicht nachgewiesen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass dieser Fall auf der 750m-Sohle eingetreten sein könnte. Die in den tieferen Bereichen gefassten Lösungen werden im Bergwerk gesammelt und später zur Herstellung von Stützbeton genutzt.

Im Juni 2008 wurde der Abtransport der Zutrittswässer gestoppt. Bevor die auf der 658-Meter-Sohle gefassten, aus dem Nebengebirge zutretenden Wässer wieder aus der Asse abtransportiert werden dürfen, müssen sie "freigemessen" werden. Das heißt, dass ihr Gehalt an Radionukliden strengen Freigrenzen unterworfen ist.

Umfangreiche Messungen haben ergeben, dass diese Freigabewerte für Tritium, das die Wässer während langer Verweildauern untertage aus der Grubenluft aufnehmen, auch in der Vergangenheit lediglich zu sechs Prozent ausgeschöpft waren. Damit können die Zutrittswässer gemäß der Strahlenschutzverordnung wieder an Entsorgungsunternehmen abgegeben werden. Eine Gefahr für die Bevölkerung bestand dabei zu keiner Zeit. Gleichwohl hat das BfS ein neues technisches Konzept entwickelt, um die Aufnahme von Radionukliden in den Zutrittswässern weiter zu reduzieren. Dieses neue Laugenmanagement ist gekennzeichnet durch eine sehr kurze Verweildauer der gesammelten Zutrittswässer unter Tage und die Umstellung der Belüftung des Grubengebäudes. Da die Speicherkapazitäten unter Tage ausgeschöpft sind, werden die Zutrittswässer derzeit in oberirdischen Spezialbehältern gesammelt. Auch diese sollen auf der Asse verbleiben und sollen unter Tage für Betonarbeiten eingesetzt werden (Stabilisierungsmaßnahmen).

Kontaminierte Laugen

Seit 1994 ist bekannt, dass sich vor Einlagerungskammer 12 auf der 750- Meter-Sohle ein Sumpf aus radioaktiv kontaminierter Salzlösung gebildet hat. Diese Flüssigkeit stammt nicht aus den Zutritten und sollte mit diesen nicht verwechselt werden. Die Kontaminationen der Salzlösung stammen, wie neuere Untersuchungen zeigen, aus den Abfällen der Einlagerungskammer 12. Diese Lösung mit Kontaminationen oberhalb der Freigabewerte bleibt unter Tage und wird dort gesondert überwacht. Weitere kontaminierte Bereiche gibt es in den Strecken der 750m-Sohle. Die gemessenen Werte liegen ebenfalls teilweise oberhalb der Freigabewerte. Die Kontamination resultiert aus Unfällen während der Einlagerung der radioaktiven Abfälle 1967-1978. Diese Lösungen verbleiben unter Tage und werden zur Herstellung von Stabilisierungsbeton genutzt. Das HMGU hatte als ehemaliger Asse- Betreiber kontaminierte Salzlösungen aus dem Sumpf vor Kammer 12 ohne Umgangsgenehmigung nach Strahlenschutzverordnung innerhalb des Bergwerkes transportiert. Sie waren von der 750-Meter-Sohle aus durch ein Bohrloch in den sogenannten Tiefenaufschluss in etwa 975 Meter Tiefe gebracht worden. Dieses Vorgehen wurde am 18.6.2008 vom NMU gestoppt.

Suche nach Stilllegungsoptionen
Stilllegungskonzept des HMGU

Die Einlagerung in der Asse begann, ohne dass es ein Stilllegungskonzept für die Zeit danach gegeben hätte. Nach heutigem Recht wäre das undenkbar, da ein Stilllegungskonzept mit Nachweis der Langzeitsicherheit Voraussetzung für ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren ist.

Das HMGU setzte bei seinen Stilllegungsplänen für die Asse auf eine gezielte Flutung. Eine mit Magnesiumchlorid gesättigte Lösung sollte den Druck in den Abbaukammern erhöhen und so die Bewegung des Gebirges verlangsamen. Die chemische Zusammensetzung der Lösung sollte zudem dafür sorgen, dass die Flüssigkeit weder die Kali- (Carnallitit-), noch die Steinsalzvorkommen angreift. Das Flutungskonzept nahm einen Kontakt der radioaktiven Abfälle mit Flüssigkeiten in Kauf. Dies birgt die Gefahr, dass die Flüssigkeiten radioaktive Substanzen aus den Abfällen herauslösen. Die Eigenschaften der Magnesiumchloridlösung sollten die Herauslösung von Radionukliden allerdings reduzieren. Zusätzlich wurden sogenannte Strömungsbarrieren geplant und teilweise auch schon errichtet. Sie sollten verhindern, dass kontaminierte Flüssigkeit in größeren Mengen aus den Einlagerungskammern herausgedrückt wird und von dort in die Umwelt gelangt. Die Arbeiten an diesem Stilllegungskonzept sind inzwischen eingestellt worden.

Optionenvergleich

Nachdem das Stilllegungskonzept des HMGU öffentlich in die Kritik geraten war, wurde im März 2008 die Arbeitsgruppe Optionenvergleich (AGO) gegründet, an der das BfS federführend beteiligt ist. Die AGO sollte das Stilllegungskonzept des HMGU auf den Prüfstand stellen, Maßnahmen zur Verbesserung der Grubenstabilität entwickeln und Optionen für die Stilllegung untersuchen. Als Grundlage erstellten externe Sachverständige Gutachten über die Möglichkeiten, die mittelaktiven Abfälle aus der Asse zurückzuholen und das Bergwerk zu stabilisieren. Diese Gutachten werden nun ausgewertet. Auch die Folgen eines möglichen "Absaufens" der Grube werden derzeit untersucht. Als erste vom BfS vorgeschlagene Maßnahme wurde von der AGO die Firstspaltverfüllung als richtiger Schritt zur Erhöhung der Grubenstabilität befürwortet. Die Durchführung dieser Stabilisierungsmaßnahme wird bereits vorbereitet und im Laufe der nächsten Monate dann realisiert.

Betreiberwechsel

Zum 1. Januar 2009 hat das BfS die Betreiberschaft der Asse vom HMGU übernommen. Das BfS ist für die Endlagerung radioaktiver Abfälle zuständig und führt die Asse unter Atomrecht. Dieses stellt strengere Anforderungen an den Betrieb, die Stilllegung und den Strahlenschutz der Anlage als das Bergrecht. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Stilllegung der Asse ist nach Atomrecht zwingend vorgeschrieben. Zudem müssen verschiedene Stilllegungskonzepte geprüft werden. Vor allem für den Strahlenschutz bedeutet der Betreiberwechsel einen Neuanfang. Alle Flüssigkeiten, die aus der Asse herausgebracht werden, unterliegen einem strengen Freigabeverfahren. Die nach Strahlenschutzverordnung erforderlichen Kontroll- und Überwachungsbereiche werden neu eingerichtet. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden ständig auf eine mögliche radioaktive Belastung hin überwacht. Ziel des BfS ist es, trotz der Stabilitätsprobleme und des Flüssigkeitszutritts in die Schachtanlage die sicherste Möglichkeit für eine Stilllegung der Asse zu finden. Ob die Abfälle aus der Schachtanlage geholt werden oder in der Asse verbleiben müssen, ist Gegenstand umfangreicher Untersuchungen. Ein erstes Gutachten hat ergeben, dass die Rückholung der mittelaktiven Abfälle technisch machbar ist. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, ob dies auch für die schwachradioaktiven Abfälle gilt. Eine Rückholung kommt aber nur dann in Frage, wenn die Vorteile größer sind als die Risiken für die Bevölkerung und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit den Abfällen umgehen müssen. Entscheidend für die Wahl eines Stilllegungskonzeptes ist die Frage, wie lange die Grube stabil bleibt. Um Zeit zu gewinnen, plant das BfS, die Firstspalte in den Abbaukammern zügig zu verfüllen, in denen keine Abfälle lagern. Weitere Maßnahmen zur Stabilisierung werden geprüft.

Für die operativen Aufgaben hat das BfS die Asse GmbH - Gesellschaft für Betriebsführung und Schließung der Schachtanlage ASSE II - gegründet. Dadurch konnte eine zentraler Baustein des Kabinettbeschlusses umgesetzt werden: den Arbeitsplatzerhalt des Personals der Asse.

Weitere Informationen

Weitere Informationen über die Schachtanlage Asse II erhalten Sie unter http://www.bfs.de/de/endlager/asse.


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Quelle:
BfS-Pressemitteilung 01/2009, 05.01.2009
Herausgeber: Bundesamt für Strahlenschutz
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
38201 Salzgitter, Postfach 10 01 49
Telefon: 01888/333-1130, Fax: 01888/333-1150
E-Mail: info@bfs.de
Internet: http://www.bfs.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2009