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ATOM/1208: Das Sicherheitskonzept Castor ist gescheitert (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 702-703 / 30. Jahrgang, 7. April 2016 - ISSN 0931-4288

Atommüll-Zwischenlagerung
Das Sicherheitskonzept CASTOR ist gescheitert

Von Thomas Dersee


Die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle muss auf den Prüfstand. "Der Bundesrat hält eine intensive Befassung der Bundesregierung mit der Frage der weiteren Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle einschließlich bestrahlter Brennelemente über bisherige Genehmigungszeiträume hinaus für dringend geboten, da die Suche und Inbetriebnahme eines Endlagers für insbesondere hoch radioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz absehbar noch Jahrzehnte dauern wird. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, die erforderlichen Voraussetzungen für die absehbare Verlängerung der Zwischenlagerung zu erarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass diese verlängerte Zwischenlagerung auf den dafür notwendigen Zeitraum beschränkt bleibt." So steht es in einem Beschluss des Bundesrates vom November 2015.(1)

Der eigentliche Kern: Das Konzept der oberirdischen Zwischenlagerung von hochradioaktivem Atommüll in Castor-Behältern ist am Ende.

Dirk Seifert, Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (Die Linke), kommentiert dazu in seinem Blog www.umweltfairaendern.de: "Die Atommüll-Kommission des Deutschen Bundestags arbeitet fleißig, um nach über 40 Jahren Atomenergienutzung in irgendeiner fernen Zukunft die dauerhafte Lagerung der atomaren Hinterlassenschaften zu regeln. Derweil legte die Bundesregierung per Beschluss im August 2015 das 'Nationale Entsorgungsprogramm' vor. Darin deutet sie selbst an, dass die bisher praktizierte Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle zumindest zeitlich völlig aus dem Ruder laufen werde und deutlich länger dauern dürfte, als bislang behauptet. Für 40 Jahre sind die Castor-Lager an den AKW-Standorten genehmigt. Mitte der 2040er Jahre laufen sie allesamt aus und ein 'Endlager' wird bis dahin in keinem Fall zur Verfügung stehen. Das Datum 2051 für die Inbetriebnahme eines solchen Dauerlagers, wie es im Standortauswahlgesetz geschrieben ist, hält kaum ein Experte für realistisch.

Kein Geheimnis - obwohl als Geheimschutzmaßnahmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit geplant - ist inzwischen auch: Die Sicherheit der Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle muss dringend verbessert werden. Seit 2011 gehen die bundesdeutschen Behörden von Gefahrenlagen aus, denen die Castor-Lager nicht gewachsen sind. An allen Atommülllagern mit hochradioaktiven Abfällen laufen entsprechende Nachrüstungen oder sind im Genehmigungsverfahren. 'Härtungen' werden vorgenommen, Wände zusätzlich stabilisiert, Mauern vor den Gebäuden zusätzlich errichtet. Nicht überall klappt das: In Lubmin bei den EnergieWerkenNord könnte es nach dem Scheitern eines entsprechenden Nachrüstkonzepts sogar zum vollständigen Neubau einer Castorhalle kommen.

Noch weniger gesichert sind die so genannten zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus. Hinzu kommt: Die Genehmigungen für diese Lager laufen bereits Mitte der 30er Jahre aus.

Die laufenden Maßnahmen der Behörden zeigen: Das ist Geschichte. Heutige panzerbrechende Waffen sind nicht nur in der Lage, die Mauern einer derzeitigen Castor-Halle zu durchschlagen. Sie würden auch einen dahinter befindlichen Castor zerstören und die gesamte Radioaktivität unmittelbar freisetzen. Und diese Waffen können derart schnell nachgeladen werden, dass ein Terror-Kommando ohne weiteres mehrere Schüsse schnell hintereinander abfeuern könnte.

Weil das so ist, werden in aller Stille und Verschwiegenheit die bestehenden Castor-Lager mit neuen Schutzmauern nachgerüstet. Darüber, dass damit das bisherige Sicherheits-Konzept mit einem als unzerstörbar angesehenen Castor-Behälter klammheimlich aufgeben wird, sprechen die Staatsorgane lieber nicht.

Kein Wunder also, wenn Schleswig-Holsteins Atomminister Robert Habeck zwar warnt, dass die Terror-Gefahren derart drängend sind, dass es unterirdische Lösungen möglichst schnell brauche. Dabei aber elegant verschweigt, dass die Bedrohungs-Szenarien und Sicherheitslücken bei der Zwischenlagerung von Atommüll und auch beim Betrieb der Atommeiler derart groß sind, dass eine Katastrophe derzeit nicht ausgeschlossen werden kann.

Das ganze Dilemma wurde beim Gerichtsverfahren um das Castor-Lager am AKW Brunsbüttel deutlich. Am Ende hob das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Betriebsgenehmigung auf. Ein Urteil mit gravierenden Folgen, auch wenn die Behörden das runter zu spielen versuchen: Wie können Genehmigungen für Atommülllager künftig erteilt werden, wenn der Geheimschutz selbst Gerichten Einsicht verweigert und eine Prüfung staatlicher Sicherheitsmaßnahmen nicht mehr möglich ist? Die Kosten für Nachrüstungen tragen die (privatwirtschaftlichen) Betreiber. Wie viel sind sie bereit zu zahlen?

Die Bundesregierung spricht im 'Nationalen Entsorgungsprogramm' erstmals von einem neuen 'Eingangslager' im Zusammenhang mit dem zu findenden 'Endlager'. Die Rede ist von 500 Castoren, die da rein sollen und die für Jahrzehnte dort oberirdisch verbleiben, bis sie irgendwann untertage gebracht werden könnten. Doch insgesamt wird es 1.900 Castor-Behälter geben, wenn das letzte AKW abgeschaltet wird. Die Bürgermeister aller Atommüll-Standorte wissen das und fordern ein betriebsbereites neues Zwischenlager spätestens dann, wenn die Genehmigungen der heutigen Lager auslaufen. Das haben sie auf ihrer Sitzung im Januar 2016 in Kassel jüngst bekräftigt. Und auch der Bundesrat weiß angesichts des Beschlusses vom November 2015, dass die Tage der heutigen Zwischenlager gezählt sind."


Anmerkung

(1) Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm), Beschluss des Bundesrates, Drucksache 390/15 vom 06.11.2015.
http://umweltfairaendern.de/wp-content/uploads/2016/02/Bundesrat-NaPro-0390-15B.pdf


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_16_702-703_S06-07.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, April 2016, Seite 6 - 7
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2016

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