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ATOM/1320: Gorleben muss raus! Die Endlagersuche geht in eine vorentscheidende Phase (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau I-II/2020 - 43. Jahrgang, Ausgabe 1073
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Serie Endlagersuche - Geologie
Gorleben muss raus!
Die Endlagersuche geht in eine vorentscheidende Phase

von Wolfgang Ehmke


Gorleben
Wenn die Bundesgesellschaft für Endlagerung gegen Ende des Jahres den so genannten Zwischenbericht vorlegt, könnte für Gorleben nach über vierzigjähriger Geschichte das Aus als Standort für ein Atommüll-Endlager kommen. Wolfgang Ehmke erläutert, warum das sogar so kommen muss.


Im Herbst wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)[1] einen vorentscheidenden Bericht auf den Tisch legen. In diesem "Zwischenbericht" werden Gebiete aussortiert, die für die Endlagerung nicht in Frage kommen. Oder andersherum gesagt: Es werden Teilgebiete benannt, die näher untersucht werden sollen.

Grundlagen für den Zwischenbericht

Dafür wertet die BGE zurzeit geologische Daten aus, die sie von den geologischen Landesämtern erhalten hat. Die Fülle - über eine Million Daten - täuscht über das Kernproblem hinweg: das sogenannte "Tiefendefizit". Denn Bohrungen beispielsweise, die tiefer als 300 Meter reichten, gibt es gar nicht in Hülle und Fülle - die sind aber für die Endlagersucher/-innen von großer Bedeutung, weil laut dem Standortauswahlgesetz (StandAG) ein tiefengeologisches Lager in Salz, Kristallin oder Ton die hochradioaktiven Abfälle aufnehmen soll.

Gesucht wird - im Politsprech - ein "bestmöglicher" Standort. Im Gesetzestext wird das etwas anders benannt, dort wird eine Klassifizierung von "günstig" über "bedingt günstig" bis "weniger günstig" vorgenommen. Bleibt zu hoffen, dass mit "günstig" ein "bestmöglicher" Standort gemeint ist.

Dabei sind von der BGE verschiedene Kriterien anzuwenden, die im Standortauswahlgesetz vorgegeben werden. Das sind zum einen die Ausschlusskriterien (zum Beispiel Vulkanismus, Erdbebengefahr, Störungszonen oder die Schädigung durch den Bergbau und Bohrungen) sowie die Mindestanforderungen an das Wirtsgestein (Mächtigkeit, Tiefe etc.). Darüber hinaus müssen in diesem ersten Verfahrensschritt aber auch die sogenannten geowissenschaftlichen Abwägungskriterien zur Anwendung gebracht werden. Ob über Salzgestein eine durchgängig wasserabschirmende Tonschicht vorhanden ist, fällt unter die Abwägungskriterien. Fehlt diese, fiele dieser Standort unter die Rubrik "weniger günstig".

Ausweisung von Teilgebieten

Während der "Tage der Standortauswahl" der BGE im Dezember 2019, dieser bundeseigenen Firma, die mit der Endlagersuche betraut ist, wurde klar, dass die Teilgebiete, die im Anschluss näher unter die Lupe genommen werden sollen, zunächst weit gefasst werden. Kritiker/-innen befürchten, dass die Größe der Gebiete so gewählt werden soll, dass an möglichen Standorten nicht sofort Alarm geschlagen wird. Im nächsten Schritt werden die analogen Daten herangezogen, um die obertägig zu erkundenden Standorte zu benennen.

In der Zwischenzeit wird die "Fachkonferenz Teilgebiete" tagen, die sechs Monate Zeit hat, um auf drei Sitzungen eine Stellungnahme zum Zwischenbericht abzugeben. Vieles ist noch ungeklärt. Die Zahl der Teilgebiete, deren Zuschnitt. Und die Verfahrensfragen sind ohnehin noch ungeklärt. Wie sollen kommunale Vertreter/-innen, Menschen aus Umweltverbänden und Bürgerinitiativen auf Augenhöhe mit Behördenvertretern und Wissenschaftler/-innen den Diskurs führen, ohne untergebuttert zu werden?

Gorleben im Gesetzestext

Der Salzstock Gorleben-Rambow blieb nur im Suchverfahren, so wurde immer wieder beteuert, weil sonst das Standortauswahlgesetz mit der breiten Zustimmung durch die Unionsparteien, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht zustande gekommen wäre. Diese Kröte hat die Anti-Atom-Bewegung schlucken müssen. In Ergänzung zum sogenannten "iterativen" Verfahren, das die möglichen obertägig und untertägig zu erkundenden Standorte Schritt für Schritt "einkreist", wird im Paragraf 36 StandAG der besondere Status des bisherigen Endlagerstandorts Gorleben beschrieben. Er kann demnach in jeder Stufe des Auswahlverfahrens herausfallen, also auch schon in dieser ersten Stufe des Verfahrens. Die BGE nennt übrigens jenen Tag, an dem sie den Zwischenbericht vorlegt, den "Tag X".

Was gegen Gorleben spricht

Gegen die Eignung des Salzstocks Gorleben-Rambow spricht zum einen eine "aktive Störungszone". Dazu gehört auch ein Einbruchsee in Rambow. Geologisch gesehen handelt es sich dabei um eine "holozäne Subrosionssenke". Diese liegt zentral in einer durch Störungen begrenzten tektonischen Grabenzone, die nicht nur den See flankiert, sondern die sich mit Nordost-Südwest-Verlauf weiter Richtung Elbe erstreckt.

Und schließlich gab es eine Vielzahl von "Bohrungen", die nichts mit der Endlagersuche zu tun haben: aus der Zeit des "Kalifiebers" vor 100 Jahren, aus der Suche nach Gas und Öl und als Folge hydrogeologischer Untersuchungen. Bohrungen eröffnen Wasserwege, über die radioaktive Partikel in die Biosphäre gelangen können. Es gibt also "Ausschlusskriterien", die gegen Gorleben sprechen. Und es gibt ein "Abwägungskriterium", das ist das fehlende Deckgebirge über dem Salz.

Gorleben muss raus!

Die BGE hat angekündigt, dass sie in ihrem Zwischenbericht zum bisherigen Standort Gorleben Stellung nehmen wird. Das war bereits eine wichtige Weichenstellung. In dieser und den folgenden Ausgaben der Gorleben Rundschau liefern wir Argumente für das Ausscheiden des Salzstocks Gorleben-Rambow aus dem Suchverfahren - ohne den Blick für das gesamte Verfahren aus den Augen zu verlieren. Dazu bieten wir eine Veranstaltungsreihe an.

Den Anfang macht der Geologe Ulrich Kleemann mit seinem Beitrag zu den "aktiven Störungszonen". Dieter Schaarschmidt und Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) geben einen Überblick zum Thema "Bohrungen".

"Fällt Gorleben in dieser Stufe des vergleichenden Verfahrens heraus, würde das Suchverfahren enorm an Glaubwürdigkeit gewinnen", verlautet die BI. "Ob es soweit kommt, hängt auch von uns und unserem Engagement ab. 'Verbalargumentativ' und 'demonstrativ' mischen wir uns ein."

Fachkonferenz Teilgebiete

Doch selbst wenn Gorleben im dritten Quartal 2020 aufgegeben wird, bliebe das Wendland unmittelbar betroffen. So könnten Salzstöcke in unmittelbaren Nachbarschaft in den Fokus der Endlagersuche geraten wie im Raum Gülze-Sumte und Waddekath.

Im Anschluss an den Zwischenbericht tritt die "Fachkonferenz Teilgebiete" lediglich dreimal innerhalb von sechs Monaten zusammen und soll eine Stellungnahme dazu erarbeiten.

Das erscheint der BI Lüchow-Dannenberg viel zu wenig und viel zu kurz. Sie fordert darum angemessene Fristen für die Arbeit der "Fachkonferenz Teilgebiete" und Arbeitsmöglichkeiten für die Kommunen, Umweltinitiativen und die Zivilgesellschaft auf Augenhöhe und keine weitere Hinhaltetaktik. "Unter den gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen erwarten wir, dass zum Salzstock Gorleben-Rambow im dritten Quartal 2020 klar Stellung genommen wird und dass der Standort bei der Benennung der Teilgebiete herausfällt."


Anmerkung

[1] BGE - Die Bundesgesellschaft für Endlagerung ist designierter Vorhabenträger und Betreiber von Endlagern für radioaktive Abfälle. Sie gehört zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE).

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Quelle:
Gorleben Rundschau - I-II/2020 - Januar, Februar 2020, Seite 20 - 21
Lizenz: CC BY NC SA
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2020

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