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FORSCHUNG/293: Die "Neuen" geben sich kryptisch - Folgen invasiver Arten oft kaum abzuschätzen (idw)


Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - 24.01.2019

Die "Neuen" geben sich kryptisch: Die Folgen invasiver Arten sind oft kaum abzuschätzen


In Neuseeland und auf anderen Inseln sind es Ratten, in Europa ist es beispielsweise der Kamberkrebs, der die Krebspest überträgt: Invasive Arten können heimische Tier- und Pflanzenarten an den Rand der Ausrottung bringen. Oft bleiben sie lange Zeit unentdeckt, oder ihre schädigenden Einflüsse sind nicht gleich offensichtlich. Dieser Umstand - der im Englischen als "crypticity" bezeichnet wird - ist eine große Herausforderung für das Management von Artengemeinschaften und den Schutz der Biodiversität. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam.

An der Studie waren Forschende der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der Freien und der Technischen Universität Berlin, der Universität Potsdam, des Indian Institute of Science in Bangalore in Indien sowie der Universität Wien in Österreich beteiligt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Trends in Ecology & Evolution veröffentlicht.

Mit den verheerenden Folgen der Invasion der Mittelmeer-Miesmuschel in Südafrika hätte zu Beginn niemand gerechnet; es folgte ein Massensterben der Krabbenart Ovalipes trimaculatus. Die unvorhersehbare Eigenschaft der Muschel: sich an den Augenstielen und Mündern der Krabbe festzusetzen. Die ökologischen Effekte gebietsfremder Arten auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt können dramatisch sein. Ein großes Problem für den Umgang mit invasiven Arten ist, dass sie oft im Verborgenen leben, oder dass ihre schädigenden Eigenschaften erst zeitverzögert offensichtlich werden. Diese zum Teil unvorhersehbaren Prozesse machen es schwierig, Ausmaß, Folgen und Risiken von biologischen Invasionen abzuschätzen und effektive Schutzmaßnahmen zu planen. Ein internationales Forschungsteam hat ein Rahmenkonzept entwickelt, wie man mit dieser Unsicherheit umgehen kann.

"Gebietsfremde Arten sind nicht pauschal problematisch. Viele solcher Arten schätzen wir, beispielsweise einige Nutzpflanzen wie die Kartoffel, die im 16. Jahrhundert nach Europa kam. Manche gebietsfremde Arten können jedoch heimische Arten und Artgemeinschaften bedrohen", erklärt Jonathan Jeschke, IGB-Forscher und Mitautor der Studie, die ambivalente Rolle der Neuankömmlinge (Neobiota). Jeschke koordiniert auch das "Invasion Dynamics Network (InDyNet)", ein internationales Netzwerk von Forschenden, die sich mit zeitlichen Dynamiken biologischer Invasionen beschäftigen, und in dessen Rahmen die aktuelle Studie entstanden ist.

Ob eine invasive Art schnell erkannt wird, hängt von ihren ökologischen Eigenschaften, ihrem neuen Lebensraum und den Umständen der Einschleppung ab. Wenn zum Beispiel die eingeschleppte Art einer heimischen Art äußerlich sehr ähnlich sieht, können Fachleute oft nur mittels genetischer Analysen den Unterschied feststellen. Viele Arten bleiben auch lange unentdeckt, weil sie selten vorkommen oder schlecht zugängliche Lebensräume besiedeln - aquatische Ökosysteme beispielsweise. Auf der politischen Agenda ist der Umgang mit gebietsfremden Arten zum Beispiel in den Aichi-Zielen oder in den Zielen für Nachhaltige Entwicklung verortet. Dabei wird die "crypticity" jedoch bisher zu wenig berücksichtigt, finden die Autoren der Studie.

"Wir haben ein Set an Forschungsmethoden und Instrumenten zusammengestellt, um schädigende Arten und Eigenschaften sowie die räumlich-zeitlichen Veränderungen besser zu erfassen. Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler können beispielsweise die Forschung dabei unterstützen, invasive Arten zu finden; Langzeitmonitoring und -forschung wiederum dabei helfen, kritische Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen", sagt Ivan Jaric, Wissenschaftler der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Hauptautor der Studie. Jaric und sein Forschungsteam werden zukünftig darauf hinwirken, dass ihre Vorschläge in Managementkonzepte für gebietsfremde Arten Eingang finden.

Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):

Das Leibniz-IGB ist das bundesweit größte Forschungszentrum für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten angesichts sich rasch ändernder Umweltbedingungen, die Renaturierung von Ökosystemen, die Biodiversität aquatischer Lebensräume sowie Technologien für eine ressourcenschonende Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das Leibniz-IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft.

www.igb-berlin.de/


Originalpublikation:
Ivan Jaric, Tina Heger, Federico Castro Monzon, Jonathan M. Jeschke, Ingo Kowarik, Kim R. McConkey, Petr Py?ek, Alban Sagouis, Franz Essl. Crypticity in Biological Invasions. Trends in Ecology & Evolution, 2019.
https://doi.org/10.1016/j.tree.2018.12.008

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - 24.01.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2019

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