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PFLANZEN/153: König des Weges - Der Spitzwegerich ist Arzneipflanze 2014 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 182 - Oktober / November 2014
Die Berliner Umweltzeitung

König des Weges
Der Spitzwegerich ist Arzneipflanze 2014

Von Jörg Parsiegla



Bei einer Durchsicht der letzten RABE RALF-Ausgaben fiel dem Verfasser dieser Zeilen auf, dass auf den Natur-des-Jahres-Seiten der Zeitung ein ganz wichtiger (Pflanzen-)Vertreter bislang unerwähnt blieb: Der Spitzwegerich wurde bereits letzten Herbst (2013) von Wissenschaftlern der Universität Würzburg ("Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde mit Verweis auf die in ihm enthaltenen antibakteriellen und blutstillenden Wirkstoffe zur "Arzneipflanze des Jahres 2014" gewählt. Das Wildkraut ist einfach so universell einsetzbar, dass schon ganze Abhandlungen darüber geschrieben wurden. Aber der Reihe nach ...

Alte Volksmedizin

Verschiedene Wegerich-Arten werden schon seit Jahrtausenden in der Heilkunde genutzt, ganz besonders der Breit- und der. Spitzwegerich. In einer Mitteilung des Studienkreises heißt es: "Heute wissen wir, dass der Spitzwegerich die stärkste Wirkung besitzt. Seine zahlreichen Inhaltsstoffe lassen positive Effekte bei Katarrhen der Atemwege und Entzündungen von Mund und Rachenschleimhaut sowie bei Wunden. erwarten. Pharmakologische Laboruntersuchungen belegen diese Effekte."

Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) war ursprünglich nur in Europa beheimatet. Inzwischen ist er weltweit verbreitet. Er kommt häufig auf Fettwiesen, in Parkrasen, an Wegen und in Äckern vor. Nach dem Ökologen Heinz Eilenberg ist der Spitzwegerich eine "Klassencharakterart der Grünland-Gesellschaften".

Die auch Spießkraut, Lungenblattl oder Schlangenzunge genannte Pflanze gehört zur Familie der Wegerichgewächse (Wegerich, althochdeutsch von wega = Weg und rih = König). Der Spitzwegerich ist ein tief wurzelnder Hemikryptophyt (Pflanzen, deren Überdauerungsknospen an der Erdoberfläche liegen, in der Regel sind diese von Schnee, Laub oder Erde als Witterungsschutz bedeckt). Er ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 5 bis 50 Zentimetern erreicht. Die in einer grundständigen Rosette stehenden Laubblätter sind ungestielt, der Form nach lanzettartig, das heißt spitz und schmal. Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Auf einem langen Blütenstandsschaft steht dann ein dichter, walzenförmig-ähriger Blütenstand. Die verhältnismäßig kleinen, unscheinbaren Blüten sind zwittrig. Daher ist sowohl eine Windbestäubung als auch eine Bestäubung durch pollensuchende Insekten möglich. Die Verbreitung der klebrigen Samen erfolgt über Tierpfoten, Schuh- und gegebenenfalls Räderwerk. Ebenso möglich ist eine vegetative Vermehrung durch Wurzelsprossen.

Wirkstoffe im Einzelnen

Vom Spitzwegerich werden fast ausschließlich die Blätter verwendet. Zu ihren wichtigsten Inhaltsstoffen - und das macht die Pflanze interessant und nützlich - gehören die Iridoidglykoside Aucubin und Catalpol, die eine entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung zeigen. Hinzu kommen Schleimstoffe und Gerbstoffe (letztere mit 6,5 Prozent Anteil die größte Inhaltsstoffgruppe) mit einer einhüllenden, also reizmildernden und adstringierenden (zusammenziehenden, somit blutstillenden) Wirkung. Damit ist der Spitzwegerich sowohl innerlich als auch äußerlich, bei entzündlichen Veränderungen der Haut, so etwa bei Insektenstichen (hier auch als Soforthilfe) und Ekzemen, selbst bei Neurodermitis, sowie sonstigen Entzündungen oder kleinen offenen Wunden einsetzbar. Weitere Inhaltsstoffe, die an der Heilwirkung des Spitzwegerichs beteiligt sein könnten, sind lautAussage des Studienkreises Flavonoide, Kaffeesäurederivate, Saponin, Kieselsäure, Mineralstoffe (Zink und Kalium) sowie Vitamin C.

Bei Husten, Erkältung und Heiserkeit wird Spitzwegerich in Form von konzentrierten Extrakten als Hustensaft oder als Tee angewendet. Zur Herstellung von Teeaufgüssen werden die Blätter oder das ganze Kraut gesammelt und getrocknet. Für Spitzwegerichsaft presst man die frischen Blätter aus. Möchte man Spitzwegerichsirup erhalten, kocht man die Blätter und Blüten zusammen mit Zucker und/oder Honig auf. Neben seiner arzneilichen Verwendung lassen sich die frischen Blätter (vor der Blüte geerntet) des Spitzwegerichs auch als Gemüse nutzen. Bekannt ist dieser Gebrauch insbesondere aus Notzeiten, zum Beispiel nach Kriegen.

Aus der Apotheke

Der Bedarf der pharmazeutischen Industrie an der Droge ist hoch und wird im Wesentlichen aus umfangreichen Kulturbeständen gedeckt. Die pulverisierte Droge ist auch Bestandteil von Salben. Achtung: Die antibiotische Eigenschaft ist von der Zubereitung abhängig. Das oben erwähnte Aucubin ist nur im frischen Pflanzenpresssaft sowie in kalt zubereiteten wässrigen Auszügen vorhanden. Als Apotheken-Produkt ist Spitzwegerich im Wesentlichen in Form von Hustentee, Pastillen" Frischpflanzensaft oder Sirup erhältlich. Wer die Pflanze in Eigenregie anwenden möchte, sollte sicherstellen, dass ihre Blätter trocken gelagert werden.

Für einige der genannten Anwendungsgebiete liegen klinische Studien vor, um von einer Wirksamkeit des Spitzwegerichs auszugehen. Diese wurde dann meist von mindestens einer der maßgeblichen internationalen Bewertungskommissionen (ESCOP - englisch für europäischer Dachverband der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie, HMPC - englisch für europäisches Medizinkräuterprodukte-Komitee oder die Weltgesundheitsorganisation WHO) verbindlich festgestellt. Für andere Anwendungsgebiete sind nicht alle Kriterien erfüllt, die für eine volle Beweiskraft notwendig sind (zum Beispiel harntreibendes Mittel, Durchfall, Leberleiden, Magenkrämpfe, Furunkel, allgemeine Immunstärkung). Die lange Anwendungstradition in der Volksmedizin und in der ärztlichen Erfahrungsheilkunde sprechen jedoch eindeutig für die vielfältigen Heilwirkungen des Spitzwegerichs.

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 182 - Oktober/November 2014, S. 17
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2014