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VÖGEL/484: Globaler Gefährdungsgrad der Vögel weiterhin extrem hoch (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009

Globaler Gefährdungsgrad der Vögel weiterhin extrem hoch - Keine Entwarnung

Von Peter Herkenrath


BirdLife International kann keine Entwarnung geben: Weiterhin sind zu viele Vogelarten vom Aussterben bedroht. Das neue Jahrbuch der seltenen Vögel (Rare Birds Yearbook 2009) informiert ausführlich über die Gefährdungsgrade bedrohter Vogelarten und ihre Einstufung in der globalen Roten Liste. In der höchsten Kategorie "vom Aussterben bedroht" finden sich 190 Vogelarten, von denen acht Arten neu aufgenommen werden mussten.


Im letzten Jahr veröffentlichten IUCN und BirdLife International die neue Rote Liste weltweit bedrohter Vogelarten. Insgesamt gelten nun 1226 Vogelarten als gefährdet, das entspricht 12,4% der 9856 von BirdLife anerkannten Arten.

Vier der bedrohten Arten sind im Freiland bereits ausgestorben und konnten nur in Gefangenschaft überleben (Kategorie "extinct in the wild"): Mituhokko Mitu mitu, Guamralle Gallirallus owstoni, Socorrotaube Zenaida graysoni und Hawaiikrähe Corvus hawaiiensis. 190 Arten sind akut vom Aussterben bedroht (Kategorie "critically endangered"), 363 Arten gelten als stark gefährdet (Kategorie "endangered") und 669 als gefährdet (Kategorie "vulnerable"). In der Vorwarnliste (Kategorie "near threatened") sind 835 Arten aufgeführt, darunter neuerdings auch Großer Brachvogel Numenius arquata und Provencegrasmücke Sylvia undata.

Änderungen im Gefährdungsgrad sind bei vielen Arten durch eine verbesserte Kenntnis der Bestandssituation begründet. Seit der ersten Roten Liste aus dem Jahr 1988 wurden 225 Vogelarten aufgrund tatsächlicher Verschlechterung ihrer Bestandssituation innerhalb der Kategorien hochgestuft, lediglich 32 Arten konnten in günstigere Gefährdungskategorien verschoben werden, weil sich ihre Lage tatsächlich verbessert hat. Gegenüber der letzten Roten Liste weltweit bedrohter Vogelarten von 2004 mussten acht Arten neu als "vom Aussterben bedroht" eingestuft werden: Tristanalbatros Diomedea dabbenena, Löffelstrandläufer Eurynorhynchus pygmeus, Tachiraameisenpitta Grallaria chthonia, Newtonraupenfänger Coracina newtoni, Guamkrähe Corvus kubaryi, Galapagosspottdrossel Mimus trifasciatus, Akekee Loxops caeruleirostris und Goughammerfink Rowettia goughensis. Sechs Arten konnten aus der höchsten Gefährdungsstufe in eine niedrigere entlassen werden: Kragenwachtel Odontophorus strophium, Marquesasfruchttaube Ducula galeata, Purpurrückenkolibri Aglaeactis aliciae, Goldkehlpitta Pitta gurneyi, Mato Grosso-Bodenameisenwürger Clytoctantes atrogularis und Somalidrossel Turdus ludoviciae. Allerdings hat sich nur bei der Marquesasfruchttaube die Situation tatsächlich verbessert; alle anderen Abstufungen gehen auf neue Erkenntnisse der Bestandssituation zurück. So wurden neue Populationen der Goldkehlpitta in der Größenordnung von 5000 bis 8500 Paaren in Birma entdeckt, während die vorher einzige bekannte Population in Thailand auf nur noch circa zehn Paare zurückgegangen war.

Die vom Aussterben bedrohten Arten sind vor allem durch Landwirtschaft, Waldabholzung, eingeschleppte Fremdarten und zunehmend auch durch den Klimawandel gefährdet, wie z. B. der Akekee. Die Art kommt nur auf der Insel Kaua'i in Hawaii mit geschätzten 2500 bis 4500 Individuen vor und lebt vor allem in Bergwäldern in mehr als 1100 m Höhe. Diese Zone galt bisher als mückenfrei, sodass Pockendiphterie und Vogelmalaria dort nicht vorkommen, beides Krankheiten, die von Moskitos übertragen werden und sich für viele Vogelarten als tödlich erwiesen haben, besonders auf Hawaii. Der Klimawandel ermöglicht es Moskitos nun in Höhen von derzeit 1200 m zu leben, eine weitere Höhenausbreitung ist zu befürchten. Zudem sind Gelege und Jungvögel durch zunehmende Starkregenfälle bedroht.

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Für 167 der vom Aussterben bedrohten Arten werden Naturschutzmaßnahmen durchgeführt, von denen bisher 117 dieser Arten nachweislich profitiert haben. Die Bestände des Azorengimpels Pyrrhula murina beispielsweise sind auf den ursprünglichen Wald auf der Azoreninsel S’o Miguel beschränkt, wo geschätzte 200 bis 300 Individuen leben. Dieser Lebensraum ist durch Abholzung und eingeschleppte, invasive Pflanzenarten wie Zieringwer stark gefährdet. Die Sociedade Portuguesa para o Estudo das Aves (SPEA, BirdLife-Partner in Portugal) beobachtet die Population, bekämpft eingeschleppte, sich ausbreitende Pflanzen und pflanzt heimischen Wald nach.


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Rare Birds Yearbook 2009

Erik Hirschfeld (Hrsg.). MagDig Media Limited, 2008.
ISBN 978-0-9552607-5-9. 276 Seiten.
Bezug: www.rarebirdsyearbook.com.
GBP 18,95, davon gehen 4 GBP an die Preventing
Extinctions-Kampagne von BirdLife International.

Ende 2008 ist zum zweiten Mal, in Zusammenarbeit mit BirdLife International, das Rare Birds Yearbook erschienen. Es stellt die 190 global vom Aussterben bedrohten Vogelarten vor. 60 Arten, die bereits im Rare Birds Yearbook 2008 (s. Besprechung in DER FALKE 2008, H. 4) behandelt wurden und für die es keine neuen Informationen gibt, werden nur noch aufgelistet. Für alle anderen Arten gibt es auf einer halben oder ganzen Seite neben Kurzinformationen zur Bestands- und Gefährdungssituation sowie zur Erforschungs- und Gefährdungsgeschichte eine Verbreitungskarte und mindestens eine Abbildung. Doch das Buch bietet noch viel mehr: Aufsätze zum Kalifornischen Kondor Gymnogyps californianus und zum Affenadler Pithecophaga jeffreyi, zum Verhältnis von Religion, Tradition und Vogelschutz und ein Interview mit Nigel Collar von BirdLife International zur Rolle der biologischen Vielfalt und zur Bedeutung von lokalem Engagement im Vogelschutz. Genauer vorgestellt werden auch eine Auswahl der stark gefährdeten (endangered) Arten, z. B. Würgfalke und Rothalsgans, sowie einige Artenschutzprojekte von BirdLife-Partnerorganisationen, darunter auch die Arbeit des NABU für den Weißstorch. Listen der vom Aussterben bedrohten Arten nach Ländern geordnet und Angaben zu Reiseveranstaltern, die Reisen in die entsprechenden Gegenden anbieten, runden das Buch ab. Wer beim Vogelschutz über den eigenen Tellerrand hinausblicken möchte, dem kann das Buch wärmstens empfohlen werden, zumal der Preis erfreulich niedrig liegt. Vogelfotografen sind eingeladen, an einem Wettbewerb zu Fotos von gefährdeten Vogelarten teilzunehmen; weitere Informationen unter www.rarebirdsyearbook.com.


State of the World's Birds. Indicators for Our Changing World

BirdLife International, Cambridge, UK, 2008. 26 S. Als Download unter http://www.birdlife.org/publications/index.html erhältlich. Anlässlich der BirdLife-Weltkonferenz im September 2008 stellte BirdLife diese Broschüre vor, die einen reich bebilderten Überblick über die Lage der Vogelwelt gibt. Viele Grafiken und Beispiele veranschaulichen, wie sich die Situation der Vogelwelt entwickelt hat, warum so viele Vogelarten im Rückgang befindlich sind und was getan werden kann und getan wird, um bedrohten Arten zu helfen.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009
56. Jahrgang, März 2009, S. 108-109
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2009