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VÖGEL/558: Stunde der Wintervögel mit Rekordbeteiligung (LBV)


Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) - Verband für Arten- und Biotopschutz

Presseinformation vom 20. Januar 2010

Stunde der Wintervögel mit Rekordbeteiligung

17.500 Bayern zählen eine halbe Million Vögel / Masseneinflug des Erlenzeisigs / Zugvögel trotzen kaltem Winter / Winterfütterung lockt Arten


Hilpoltstein. Im fünften Jahr brach die Stunde der Wintervögel alle Rekorde: 17.679 Bayern zählten am 6.1.2010 jeweils eine Stunde lang die Vogelwelt. Sie meldeten insgesamt 514.836 Vögel. Damit ist die diesjährige Stunde der Wintervögel die mit Abstand größte Vogelzählung, die jemals in einem deutschen Bundesland stattgefunden hat.

Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Teilnehmerzahl nochmals verdoppelt, so dass jetzt für jede Region in Bayern aussagekräftige Ergebnisse vorliegen. Neben vielen Meldungen aus dem gesamten Bundesgebiet nahm außerhalb Bayerns erstmalig BirdLife Österreich in Wien an der Vogelzählung teil. Dr. Heinz Sedlmeier, Leiter des LBV München, der die Aktion eigentlich nur für München entwickelt hatte, ist begeistert: "Beim Start der Zählung vor fünf Jahren hätte ich an eine solche Beteiligung nicht im Traum gedacht. Eigentlich wollten wir nur die unterschiedliche Stadt-Land-Verteilung unserer Wintervögel untersuchen. Jetzt haben wir ein flächenscharfes Ergebnis für ganz Bayern! Die Wintervogelzählung beweist, dass auch Laien hervorragend wissenschaftlich auswertbare Zählungen durchführen können, wenn eine ausreichend große Zahl teilnimmt und nur bestimmte Fragestellungen untersucht werden. Die Ergebnisse sind diesmal so gut, dass wir sie auch in Fachzeitschriften publizieren werden."

Die vielen tausend Internetnutzer zwangen am Tag der Zählung den Server des LBV mehrmals in die Knie und verfolgten danach die Entwicklung der Ergebnisse und den Live-Kommentar. Hunderte Emails, Anrufe, Faxe und Briefe mit Fragen und Erlebnissen rund um die Wintervögel gingen beim LBV ein.


Masseneinflug

Das außergewöhnlichste Ereignis der diesjährigen Zählung war zweifellos der Masseneinflug von Bergfink und Erlenzeisig nach Bayern. Der Erlenzeisig ist im Sommer bei uns selten. In diesem Winter kamen so viele Erlenzeisige - wahrscheinlich aus Skandinavien - bei uns an, dass der Vogel mit fast 30.000 Meldungen unter die Top Ten der bayerischen Wintervögel aufrückte. Im südwestlichen Alpenvorland lag der Vogel in einigen Landkreisen (Oberallgäu, Ostallgäu, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim) sogar auf Platz zwei oder drei. Offensichtlich "strandet" der Erlenzeisig bei seinem Zug nach Südwesten an den unüberwindlichen Alpen. Sehr viele Beobachter sahen den Erlenzeisig das erste Mal in ihrem Leben, so dass alle Geschäftsstellen des LBV telefonisch und mit Bildmaterial auf der Homepage Bestimmungshilfe leisteten.


Die Vogel-Hitparade der 20 am häufigsten gezählten Vögel in Bayern

Platz
Vogelart
Anzahl
Platz
Vogelart
Anzahl
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Haussperling
Kohlmeise
Grünfink
Amsel
Feldsperlinge
Blaumeise
Buchfink
Erlenzeisig
Bergfink
Rotkehlchen
76.238
62.221
51.40
51.357
38.847
37.192
31.970
28.947
17.108
10.271
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Türkentaube
Saatkrähe
Gimpel
Elster
Kleiber
Rabenkrähe
Schwanzmeise
Goldammer
Buntspecht
Stieglitz
9.884
8.395
8.344
7.739
7.659
7.391
6.076
5.996
5.830
5.451

Auf den ersten fünf Plätzen der Häufigkeits-Rangliste gab es diesmal starke Änderungen. An erster Stelle liegt jetzt der Haussperling, der die bisherige Spitzenreiterin, die Kohlmeise, auf Platz 2 verdrängt hat. Grund dafür ist, dass immer mehr Menschen in ländlichen Gegenden teilnehmen, wo der Spatz noch in größeren Mengen vorkommt. Auf Platz 3 vorgerückt ist der Grünfink, der nun vor der Amsel liegt. Der Feldsperling konnte Platz 5 behaupten. Bei den ersten fünf Plätzen zeigt sich ein klares Stadt-Land-Gefälle. Amsel und Kohlmeise lagen in den gesondert ausgezählten Stadtgebieten von München, Ingolstadt und Nürnberg weiter vorn als auf dem Land. Der Feldsperling und der Grünfink belegten dafür im ländlichen Raum Spitzenplätze. Offensichtlich profitieren Amsel, Kohl- uns Blaumeise von den vielen alten Bäumen im städtischen Bereich. Wildkrautfluren, größere Gärten und Bauernhöfe gibt es dagegen fast nur noch in kleineren Städten und Dörfern. Die darauf angewiesenen Haus- und Feldsperling sind deshalb nur noch dort häufig.

Zugvögel trotzen hartem Winter

Immer mehr Zugvögel trotzen den zuletzt harten Wintern. Ein sensationelles Bespiel ist die Meldung eines Schwarzstorches aus Kronach. Gerade von diesem Zugvogel, der normalerweise südlich der Sahara überwintert, ist kaum eine Überwinterung aus Deutschland bekannt, für Bayern ist das völlig neu. Das sind nicht nur Einzelfälle. Der Star, früher ein typischer Zugvogel, wurde in den Weinbaulagen Unterfrankens in großer Zahl gemeldet. Der Hausrotschwanz, dem man früher nicht zutraute, den kalten bayerischen Winter überleben zu können, wurde 338 Mal festgestellt. Ein Halsbandsittich im südlichen Oberbayern ist ein weiterer deutlicher Hinweis auf diese Entwicklung, da diese ursprünglich tropischen Vögel bisher nur im warmen Rhein-Main-Gebiet überleben können. Weitere Beobachtungen dieser Art sind einige gemeldete Rotmilane, die sonst nach Spanien ziehen.

Die Stadt als Lebensraum

Die Großstadt ist kein gutes Pflaster für den Spatz: München steht mit seinen erschreckend niedrigen Spatzenzahlen nicht mehr allein, denn auch in den inneren Stadtbezirken Wiens sieht es nicht besser aus. Nachdem auch London bei seinem "Big Garden Birdwatch" Ähnliches gemeldet hat, ist der Grund für den Spatzenrückgang nun ziemlich eindeutig identifiziert. Die modernen, stark versiegelten Innenstädte bieten den Spatzen weder ausreichend Brutgelegenheiten noch genügend Nahrung. München und London haben deshalb schon mit Artenhilfsprojekten begonnen, Wien wird nun auch darüber nachdenken müssen. Ganz anders sieht es für den Buntspecht aus. Er verstädtert zunehmend (Platz 11 in München / 19 in Bayern) und ist inzwischen in manchen Stadtteilen häufiger als im Wald.

Winterfütterung

Insgesamt wurden 57 verschiedene Vogelarten an Futterstellen festgestellt, im Durchschnitt 9,1 Arten. Ohne Futterstelle waren es nur sechs Arten. An Futterstellen werden auch knapp 50% mehr Vögel gezählt als in Gärten ohne Futterstelle. Besonders stark nutzen Stieglitz, Feldsperling und Buchfink das menschliche Angebot. Rabenkrähe, Saatkrähe und Elster kommen weniger häufig ans Futterhaus, weil sie in den Siedlungen genug andere Nahrungsquellen finden.

An den Futterstellen finden sich auch ehemals reine Zugvögel, die sich im Zuge der Klimaerwärmung auf eine Überwinterung in Bayern umstellen könnten: Mönchsgrasmücke, Zilpzalp, Star, Heckenbraunelle und Hausrotschwanz. Aus England ist bereits bekannt, dass die Kombination aus milder werdenden Wintern und Vogelfütterung sogar zur Entstehung neuer Arten führen kann, was dort bei der Mönchsgrasmücke beobachtet wird.

Um diese Entwicklungen bald erkennen zu können, wird der LBV die Wintervogelzählung fortsetzen und lädt die bayerischen Naturfreunde schon jetzt herzlich ein, auch nächstes Jahr wieder mitzuzählen.

Scherzmeldungen

Wie jedes Jahr gingen auch heuer einige Scherzmeldungen ein. Von einem Futterhäuschen in Baldham, Landkreis Ebersberg, wurden zwei "Schnapsdrosseln (2-beinig)" gemeldet. In Eggental, Landkreis Ostallgäu, wurde ein Graupapagei beobachtet, allerdings als Zähler in der warmen Stube.

Glückliche Gewinner

Natürlich gab es für die Teilnehmer auch etwas zu gewinnen. Den 1. Preis, ein Fernglas im Wert von 1.600 Euro von Swarovski-Optik, gewann Herr Burgarth aus Obing. Über den 2. Preis, eine Digitalkamera von Foto-Video Sauter, darf sich Herr Wittmann aus Forstinning freuen. Weitere Zähler gewannen Zubehör für die Winterfütterung.

weitere Informationen im Live-Kommentar unter www.stunde-der-wintervoegel.de

Erlenzeisig-Weibchen (Foto: Frank Derer)

Erlenzeisig-Weibchen (Foto: Frank Derer)

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Quelle:
Presseinformation, 20.01.2010
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
Verband für Arten- und Biotopschutz
Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel. 09174/4775-0, Fax 09174/4775-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2010