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FORSCHUNG/973: Planet der Pilze - neue Erkenntnisse über eine bislang unterschätzte Vielfalt (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 22.10.2013

Planet der Pilze - neue Erkenntnisse über eine bislang unterschätzte Vielfalt



Mikroskopisch kleine Pilze sind überall auf der Erde in riesigen Mengen zu finden - und kaum bekannt. In einer jetzt in der Fachzeitschrift New Phytologist online veröffentlichten Metastudie hat ein Team des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) mehrere Arbeiten analysiert, die mit neuen genetischen Methoden verschiedenste Pilzgemeinschaften erfassen. Zwischen den in den Einzelstudien dokumentierten insgesamt mehreren Tausend Pilzarten fanden sich fast keine Überlappungen. Zudem scheint nicht einmal die Hälfte der Mikroorganismen bekannt zu sein - und damit auch nicht ihre ökologische Funktion. Hieraus ergeben sich neue Fragen in Bezug auf Umweltveränderungen und Klimawandel.

In einer Metastudie verschaffte sich ein Team des Frankfurter Forschungszentrums BiK-F einen globalen Überblick über die noch immer wenig bekannte Welt der Mikropilze. Ein neues Verfahren (Metabarcoding mit Hilfe von Hochdurchsatz-Sequenzierung) ermöglicht es, die Erbinformationen von für das bloße Auge unsichtbaren Artengemeinschaften von Mikroorganismen zu entschlüsseln. Mehrere auf dieser Methode basierende Untersuchungen von Pilzgemeinschaften in Ökosystemen verschiedener Regionen der Erde lagen bereits vor. "Unsere Studie ist jedoch die erste, die mehrere Einzelstudien miteinander vergleicht und damit Aussagen über die globale Verbreitung von Pilzen erlaubt", erläutert Prof. Dr. Imke Schmitt, die Leitautorin am BiK-F in Frankfurt/M und Professorin am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität.

Oben ein Pilz mit Stil und Hut, unten die Vergrößerung eines Schimmelpilzgeflechts auf Brot - Abb.: © J. Krohmer

Pilze können in verschiedenste Formen aufweisen, deren bekannteste wahrscheinlich die Ständerpilze sind. Mit dem bloßen Auge ebenfalls gut erkennbar sind die weniger beliebten Schimmelpilze. Die weitaus größte Zahl der Pilze lassen sich aber nur durch die molekulargenetische Bestimmung erfassen, da sie mit bloßem Auge kaum sichtbar und schon gar nicht identifizierbar und kultivierbar sind. Um solche Pilze geht es in der vorgestellten Studie.
Abb.: © J. Krohmer

Viele Unbekannte, aber kaum "Global Player" unter den Pilzen

Neun Studien zu Pilzgemeinschaften aus aller Welt wurden verglichen, wobei die Art der Datensätze entscheidend für die Aufnahme in die Metaanalyse war, und nicht der Ort der Bestandsaufnahme. So kamen Studien aus Alaska, Hawaii, den kontinentalen USA und Europa zusammen. In jeder der Studien war die Gesamt-DNA einer Erdprobe oder eines Pflanzenblatts genetisch analysiert und dabei jeweils Hunderte bis mehrere tausend Pilzarten gefunden worden. Die Geninformationen wurden mit Gendatenbanken abgeglichen. Es zeigte sich, dass weniger als die Hälfte der Artinformationen einer bereits erfassten Pilzart zugeordnet werden konnte. "Das heißt, dass es eine Unmenge Pilzarten gibt, die noch nicht in genetischen Datenbanken erfasst sind, und deren ökologische Funktion wir nicht kennen", resümiert Schmitt. "Wenn wir diese große lokale Biodiversität auf die globale Diversität hochrechnen können wir von einer wirklich enormen, noch nicht annähernd erforschten Artenvielfalt bei Pilzen ausgehen." Gleichzeitig, und auch das ist ein erstaunliches Ergebnis des Frankfurter Teams, sind nur wenige Arten global verbreitet. Bislang war unklar, ob in verschiedenen Studien nicht immer wieder dieselben Arten erfasst wurden. Die Analyse zeigte nun, dass die meisten nur in jeweils einer einzigen Studie gefunden wurden. Die wenigen Pilzarten, die in drei oder mehr Studien auftauchten, konnten meist keiner bereits wissenschaftlich beschriebenen Art zugeordnet werden. "Dies zeigt, wie ungenügend unsere Kenntnisse selbst derjenigen Arten sind, die wahrscheinlich eine weitere Verbreitung haben", betont Imke Schmitt.

Neue Fragen zu Umweltveränderungen aufgeworfen

Bisher unbekannt waren auch die Verbreitungsmuster der Mikroorganismen, da sie häufig nicht kultivierbar beziehungsweise für das bloße Auge gar nicht sichtbar sind. Eines der Ziele der Frankfurter Metastudie waren daher neue Erkenntnisse über die Verbreitungsmuster bei Pilzen. So konnten die Wissenschaftler des BiK-F zeigen, dass - basierend auf den neun miteinander verglichenen Einzelstudien - die geographische Diversität von Pilzen vom Äquator zu den Erdpolen hin abnimmt. Das entspricht weitgehend den Verbreitungsmustern höherer Pflanzen und Tiere. Bei ihnen sind bekanntermaßen die Tropen die artenreichsten Ökosysteme, während der Artenreichtum zu Antarktis und Arktis hin abnimmt. Die Studienergebnisse werfen nun neue Fragen auf: Höchstwahrscheinlich werden die komplexen Pilzgemeinschaften durch Umweltveränderungen und Klimawandel beeinflusst, z. B. könnten sich einige Arten weiter ausbreiten und andere verdrängt werden. Da Pilze sehr oft in enger Gemeinschaft mit höheren Pflanzen oder Tieren leben - sei es als Symbionten, Parasiten oder Krankheitserreger - , stellt sich die Frage, wie sich solche Veränderungen auf die Tier- und Pflanzenwelt oder auch auf die Funktionen des Gesamtökosystems auswirken. Um diese möglichen Folgen von Umweltveränderungen und Klimawandel absehen zu können und zu verstehen, müssen daher Pilzgemeinschaften stärker in den Fokus der Forschungen rücken. Imke Schmitt fasst zusammen: "Dieser Aspekt des globalen Wandels konnte bislang bei Projektionen und Modellierungen überhaupt nicht berücksichtigt werden, doch dank der neuen technischen Möglichkeiten kann sich das nun ändern."

Publikation:
Meiser, A., Bálint, M. & Schmitt, I. (2013): Meta-analysis of deep-sequenced fungal communities indicates limited taxon sharing between studies and the presence of biogeographic patterns. New Phytologist. Article first published online, DOI: 10.1111/nph.12532

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news557745
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 22.10.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2013