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STADT/318: Kreatives Gärtnern - Miteinander im Grünen (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 1/2012
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Kreatives Gärtnern
Miteinander im Grünen

Interviews: Severin Zillich



Städtisches Gärtnern hat in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren. Auch der BUND betreut vielerorts Gartenprojekte. Zwei Initiatorinnen stellen wir Ihnen hier vor. Generationenschulgärten werden gemeinsam von Schulen und ehrenamtlichen Seniorpartnern geplant und betrieben.

Frau Goldschmidt, wie kamen Sie auf die Idee eines Generationenschulgartens? Gab es dafür Vorbilder?

Nicht direkt. Als selbstständige Umweltpädagogin war ich auf der Suche nach einer Projektidee, für die ich einen Träger finden kann. Die Bundesgartenschau in Koblenz lieferte einen schönen Anlass, um ein Projekt zu installieren, das auch nach der Buga bleibt und der Stadt etwas bringt. Zufällig wurde ich um einen Artikel über die Integrationsleistung von Schulgärten gebeten und habe mich - als begeisterte Gärtnerin - tief in die Materie eingearbeitet. So entstand die Idee, die Schulgärten in Koblenz zu neuem Leben zu erwecken.

Gab es denn schon welche?

Kaum - nur hier und da bastelten kleine Grüppchen auf fast verwaisten Arealen herum. Als Lernort aber waren Schulgärten in unserer Stadt nicht mehr präsent. Mit der Pensionierung engagierter Lehrer war die ökologische Schulgartenbewegung der 80er Jahre den Bach runtergegangen, alle Projekte waren eingeschlafen. Die Bildungspolitik findet Schulgärten zwar ganz nett, fördert sie aber nicht explizit. Hier wollte ich eine Initiative starten, interessierte Schulen vernetzen und Hilfe von außen organisieren. Als ideale Partner boten sich ältere Menschen an: Sie haben viel gärtnerische Erfahrung und verfügen oft noch über Kulturtechniken, die man für ein Leben aus dem Garten braucht. Als Projekt-träger habe ich den BUND Rheinland-Pfalz gewonnen, auch die Kreisgruppe hat mich sehr unterstützt.

Wie lautet Ihre Bilanz nach der zweiten Gartensaison? Haben sich die geplanten Synergien erfüllt?

Richtig eingeschlagen hat das Projekt an den Schulen, ein Dutzend Schulen jeder Couleur macht mit. Da ist unheimlich viel passiert seit dem Start im Juni 2010, inspiriert auch von der Buga. Doch ist es schwieriger als gedacht, genügend Seniorpartner für unsere Gärten zu finden. Statt einzelner Personen suchen wir nun eher Institutionen, die als Partner langfristig bereitstehen -das kann ein Altenheim sein, aber auch der Karnevalsfrauenverein...

Sind die Schulgärten denn auf eine Beratung durch erfahrene Gartenveteranen angewiesen?

Und ob! An die Anlage eines Komposthaufens hat sich anfangs kaum jemand getraut. Auch die Grundsätze des umweltgerechten Gärtnerns waren erstaunlich unbekannt: Was in den Schulen anfangs an torfhaltiger Blumenerde verbraten wurde! Mit diesem Bedarf an Basisaufklärung hatten wir nicht gerechnet, wir mussten erst einmal eine Fortbildung organisieren.

Was passiert, wenn Ihre Projektstelle zum Jahresende ausläuft? Werden die Gärten wie geplant zu »dauerhaften Lernorten in Schulnähe«?

Da bin ich ganz zuversichtlich. Wir haben einen Verein gegründet, der dieses schulische Netzwerk unterstützt. Denn im Verbund sind die Schulen stark - bittet man gemeinsam um Spenden, dann kommt auch etwas.

In der Altstadt hat die Stadt Koblenz zudem einen großen Modellgarten für das GenerationenschulgartenNetzwerk geschaffen. Möglich wurde dies durch die Förderung einer Stiftung, die uns der Landesgeschäftsführer des BUND vermittelte.

Generationengärten gibt es einige in Deutschland. Einmalig aber sind die Generationenschulgärten in Koblenz. Sie bieten die Chance, Kinder aus allen Schichten an die Natur heranzuführen und für die Kulturtechnik des Gärtnerns zu gewinnen. Erfunden hat sie die Umweltpädagogin Birgitta Goldschmidt (siehe Bild oben). Mehr dazu www.bund-rlp.de (Themen & Projekte > Umweltbildung)

Raute

Interkulturelle Gärten wollen zu einem neuen Verständnis von gesellschaftlicher Integration beitragen und zudem die Kleingärtnerei fördern.

Frau Profijt, sie haben mit der BUND-Kreisgruppe Mönchengladbach den »Allerweltsgarten Alsbroich« initiiert und mit aufgebaut. Was ist das Besondere daran?

Unser Garten ist ein interkultureller Gemeinschaftsgarten, in dem wir kleine Parzellen für jeweils eine Saison vergeben. Daneben gibt es den Kompost, einen Geräteschuppen und ein Rasenstück für Feste, die gemeinsam gepflegt werden. Die Gärtnerinnen und Gärtner sollen sich als Gemeinschaft verstehen, das ist unser Integrationsanspruch. Da die Vorstellungen, was auf den einzelnen Parzellen passiert, ganz unterschiedlich sind, braucht es sehr sehr viel Kommunikation und jemanden, der das koordiniert.

Stößt Ihr Angebot auf Interesse?

Ja, wir haben sehr viel Nachfrage nach den Parzellen. Häufig zeigen sich türkische Frauen interessiert, deren Männer dann ein Veto einlegen, was sehr schade ist. Aber auch so haben wir die Parzellen immer vergeben.

Das Umfeld des Gartens bildet eine Kleingartenanlage. Unterstützen die Nachbarn die Ziele Ihres Projektes?

Die Nachbarn sind eigentlich sehr hilfsbereit und geben gerne Tipps für den Anbau. Wenn allerdings die Gemeinschaftsaufgaben zu wünschen übrig lassen - etwa der Kompost überquillt -, werden manche Anlieger pingelig. Der Vorstand der Gartenkolonie bringt unserem Garten zum Glück viel Kulanz entgegen.

Wo liegt derzeit Ihre größte Baustelle?

Wir suchen gerade jemanden, der sozialpädagogisch und auch interkulturell geschult ist und unseren Garten in der neuen Saison betreut. Der Zeitaufwand für diese Koordination darf nicht unterschätzt werden. Zumal das Konfliktpotenzial in einem solchen Garten -und zwischen seinen Nutzern und den benachbarten Kleingärtnern - doch größer ist, als wir erwartet hatten. Es dauert, bis sich so viele und so unterschiedliche Leute zusammengerauft haben.

Nutzen Sie den Allerweltsgarten auch dazu, um für ökologisches Gärtnern zu werben?

Im Allerweltsgarten selbst wird ökologisch gegärtnert. Und wir haben fest vor, Impulse in die Kleingartenanlage zu setzen. Vorläufig aber sind wir noch zu sehr mit dem Aufbau unseres Gartens beschäftigt.

Haben Sie Verbündete gewonnen?

Wir arbeiten eng mit der Familienbildungsstätte der Stadt zusammen, die gute Kontakte zu Menschen aus anderen kulturellen Milieus unterhält. Sie schreibt für uns die Parzellen aus, schließt Verträge und wickelt die Buchhaltung ab, was wir als Kreisgruppe juristisch nicht könnten. Die Stiftung Interkultur hat uns mit 1 000 Euro gefördert, damit wir den Schuppen errichten und erste Gerätschaften anschaffen konnten.

Was empfehlen Sie anderen BUND-Gruppen, die einen solchen Garten ins Leben rufen wollen?

Über alles, was man zur Gründung eines interkulturellen Gartens wissen muss, informiert die Stiftung Interkultur unter www.stiftung-interkultur.de. Wichtig ist sicher die Kooperation mit einer städtischen Beratungsstelle für Mitbürger nichtdeutscher Herkunft -die sind am besten mit unserer Zielgruppe vernetzt. Erleichtert hat den Start auch, dass uns die Gartenanlage die Infrastruktur bereitgestellt hat und wir nicht bei Null auf einer Brache beginnen mussten.

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Jutta Profijt hat den Allerweltsgarten initiiert. Hier bearbeiten Lunia und Stefan Zawadka, die aus Polen stammen, ihre Parzelle.

Guerilla Gardening
Eine ganz andere Form des städtischen Gärtnerns pflegt die BUNDjugend in Nordrhein-Westfalen. Auf sterilen Grünflächen platziert sie »Samenbomben« heimischer Wildpflanzen und bringt mit einfachen Mitteln Farbtupfer ins Grau der Stadt. »Guerilla Gardening« versteht sich als politischer Protest: Mit Hilfe von Gartengeräten und Pflanzgut entstehen bunte und lebendige Oasen - als Zeichen gegen die Tristesse des Stadtgrüns, als kleine Denkmale für Passanten und als Trittsteine für die urbane Artenvielfalt. Zum Einsatz sollten nur Samen aus regionaler (Bio-)Herkunft kommen. Mehr unter www.bundjugend-nrw.de/guerilla und 0 29 21 / 3 36 40

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Quelle:
BUNDmagazin 1/2012
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2012