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WALD/159: Von der Parforcejagd zum Waldumbau (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 207 - Dezember 2018 / Januar 2019
Die Berliner Umweltzeitung

Natur
Von der Parforcejagd zum Waldumbau
Der Wermsdorfer Forst in Nordsachsen ist Waldgebiet des Jahres 2018

von Jörg Parsiegla


Bereits im vergangenen März wurde dem Wermsdorfer Forst die Auszeichnung "Waldgebiet des Jahres" zuerkannt. Der Bund Deutscher Forstleute (BDF), die Vertretung aller Forstbeschäftigten in Deutschland, würdigt damit jedes Jahr ein vorbildlich und nachhaltig bewirtschaftetes Waldökosystem mit all seinen Funktionen, seiner Bedeutung für die Menschen und den Naturhaushalt. Mit dem Wermsdorfer Wald fiel die Wahl des BDF zum ersten Mal auf einen Wald im Freistaat Sachsen. Titelträger vergangener Jahre waren der Frankenwald (2017), der Usedomer Küstenwald (2016) und der Grunewald (2015).

Hügelig und wasserreich

Der etwa 5.100 Hektar umfassende Wermsdorfer Wald liegt im Nordosten des Forstbezirks Leipzig im Dreieck zwischen Wurzen, Grimma und Oschatz. Geologisch gehört er zum Nordsächsischen Platten- und Hügelland, das als Altmoränenlandschaft durch flachwellige bis hügelige Moränenplatten der Elster- und Saale-Kaltzeit mit einzelnen Durchragungen des Grundgebirges gekennzeichnet ist. Etwa 80 Prozent des Waldes sind Staatsbesitz, die restlichen gut 900 Hektar entfallen kleinteilig auf mehrere hundert Privatbesitzer.

Das namensgebende Wermsdorf, ein staatlich anerkannter Erholungsort im Landkreis Nordsachsen, wird von dem fast durchgängigen Waldgürtel annähernd hufeisenförmig umschlossen. Nur im Süden bleibt die Ortslage offen, sie wird hier durch das Wermsdorfer Teichgebiet begrenzt. Durchschnittlich liegt der Wald zwischen 150 und 220 Metern über dem Meeresspiegel. Höchste Erhebung ist der Collmberg am Nordostrand des Gebietes mit 313 Metern. Eine kleine Teichkette - ausgehend von der nördlichen Ortslage - quert in Ost-West-Richtung auch den Wald selbst und verlässt ihn Richtung Sachsendorf als Mühlbach.

Der Wermsdorfer Wald hat eine sehr wechselvolle Geschichte, lange war sein Schicksal an die sächsischen Kurfürsten und späteren Könige geknüpft. In dieser Zeit entstanden das noch in Relikten vorhandene Schneisensystem - ursprünglich gedacht für die Parforcejagd, eine Hetzjagd mit Hundemeute - und das Jagdschloss Hubertusburg, in dem 1763 der Siebenjährige Krieg für beendet erklärt wurde.

Rückkehr zum Laubwald

Als 1822 Heinrich von Cotta, Begründer der Forstakademie Tharandt, den Wald taxierte, war das Gehölz stark heruntergekommen, zu großen Teilen zerstört und sehr verlichtet. Cotta verringerte den Wildbestand und die Viehhütung im Wald wesentlich, führte Kahlschläge zur Verjüngung des Waldes ein und trieb die planmäßige Umwandlung der Laubwaldreste in schnell wachsenden Nadelwald voran - ein damals übliches Vorgehen, um dem allgemeinen Holzmangel zu begegnen.

Hundert Jahre später, 1922, kam es nach mehreren Dürrejahren und Zuwachsrückgängen durch Insektenbefall zur Abkehr von der Fichtenwirtschaft, die sich um 1900 bereits auf 90 Prozent des Baumbestandes ausgedehnt hatte. Heute überwiegt durch das Wirken mehrerer Förstergenerationen mit 51 Prozent wieder Laubholz, für 2040 sind 60 Prozent angepeilt. Inzwischen gehört der Wermsdorfer Wald dem Staatsbetrieb Sachsenforst.

Gesellschaftlich verbunden

Das Waldgebiet des Jahres muss neben einer guten forstwirtschaftlichen Bilanz auch wichtigen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Da wundert es nicht, dass sich Forstleute und Waldeigentümer des Wermsdorfer Waldes offenbar in besonderer Weise der Bildungs- und Erholungsfunktion ihres Forstes verpflichtet fühlen. So haben Öffentlichkeitsarbeit und Waldpädagogik einen hohen Stellenwert.

Bei über anderthalb Millionen Menschen im unmittelbaren Einzugsgebiet des Forstes pflegen die Forstmitarbeiter über die Medien den intensiven Kontakt zu interessierten Bürgern und Verbänden sowie zur Politik. In fast täglichen Pressemeldungen und auf jährlich rund 100 Veranstaltungen wird über Hintergründe und Anliegen der täglichen Arbeit im Wald sowie über Schnittstellen zur multifunktionalen Forstwirtschaft in der Region informiert. Das geschieht zum Beispiel bei geführten Wanderungen, Pflanzaktionen oder auf Messen rund um Wald und Forst. Fast 1.000 Schüler nehmen jährlich an den Waldjugendspielen im Wermsdorfer Wald teil.

Als Teil des Forstbezirks Leipzig hat der Wermsdorfer Wald Anteil an der Ausbildung von Waldarbeitern, beschäftigt junge Erwachsene im Freiwilligen Ökologischen Jahr und gibt akademischen Praktikanten Gelegenheit, erste Berufserfahrungen zu sammeln.

Aufräumen nach Friederike

Ausgerechnet im Jahr der Titelträgerschaft erwischte das Orkantief Friederike den Wermsdorfer Wald hart. Der Sturm, der am 18. Januar über Deutschland hinwegzog, warf hier rund 80.000 Festmeter Holz - weit über 100.000 Einzelbäume. An einem einzigen Nachmittag wurden Holzmassen zu Fall gebracht, die die Förster in den nächsten sechs bis acht Jahren gezielt ernten und umbauen wollten.

Vor allem die Kuppen sind im Wermsdorfer Wald nun ziemlich kahl, Würfe und Brüche mit Flächengrößen bis zu zwei Hektar bestimmen das Bild. Der Schwerpunkt der Schäden liegt im Nadelholz, aber auch Laubbäume und vor allem starke Buchen sind nicht nur einzeln, sondern auch bestandsweise geworfen worden.

Somit ändert der Wermsdorfer Wald sein Gesicht schneller als geplant und wird weiter in Richtung Laubmischwald entwickelt - der Waldumbau ist damit wichtiger als je zuvor.


Weitere Informationen: www.wald-des-jahres.de

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Quelle:
DER RABE RALF
29. Jahrgang, Nr. 207, Seite 8
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2018

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