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WALD/190: Das Ende der Fichte? (ARA Magazin)


ARA Magazin 25, 2019/20 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Das Ende der Fichte?
Klimawandel und Waldschäden in Deutschland


Nach zwei extrem trockenen Sommern sind die Auswirkungen des Klimawandels auch in den deutschen Wäldern nicht mehr zu übersehen. Besonders hart hat es die Fichten getroffen, insbesondere dort, wo sie in Reinbeständen stehen.

Während Forstverbände staatliche Hilfen und den Anbau fremdländischer Baumarten fordern, sehen Umweltverbände und kritische Wissenschaftler größere Chancen in naturnahen Wäldern.


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vielerorts Fichten angepflanzt. Eigentlich ist es ein Gebirgsbaum, der bevorzugt in feuchten und kühlen Lagen wächst. Weil sie aber anspruchslos und zudem ein besonders rentabler Holzlieferant ist, wurde sie auch in tieferen Lagen angebaut - in der Regel in Monokulturen. Der "Brotbaum" der deutschen Forstwirtschaft ist heute die häufigste Baumart in unseren Wäldern - und droht jetzt zum Opfer des Klimawandels zu werden.

2018 war das trockenste Jahr seit der Wetteraufzeichnung. Wenn den Fichten das Wasser fehlt, bilden sie weniger Harz. Damit fehlt ihnen die wichtigste Abwehr gegen den Borkenkäfer, der sich insbesondere in Monokulturen rasant vermehrt. Wenn dann ein weiterer heißer und trockener Sommer folgt, sind die Schäden verheerend. Allein das "Käferholz" der vergangenen zwei Jahre wird auf über 70 Millionen Kubikmeter geschätzt - eine Menge, die sonst innerhalb eines Jahres geerntet wird.

Das Ende der Holzäcker?

Die Erfahrung, dass der derzeitigen Situation nicht mit einem weiter-so-wie-bisher begegnet Werden kann, mussten Waldbesitzer in Brandenburg machen. Nach Waldbränden wurde dort alles Holz abgeräumt und der Boden zum Teil sogar gepflügt. Die dann neu gepflanzten Kiefern sind zum größten Teil bereits im ersten Jahr abgestorben.

Ganz anders sah es in einem nahegelegenen Waldstück aus. Auch dort hatte das Feuer gewütet, aber in dem mit Munition belasteten Gebiet ließ man die verkohlten Baumstämme einfach liegen. im Schutz der Baumreste keimten nach kurzer Zeit bereits Pionierbaumarten wie Birken, Pappeln oder Weiden Ihr Laub wird helfen, dass sich der Boden regenerieren kann und in ihrem Schatten werden weitere Baumarten nachfolgen.

So kann ein kostengünstiger und ökologisch sinnvoller Waldumbau gelingen. Sein Ziel müssen naturnahe Mischwälder sein, die besser mit den steigenden Temperaturen und den sich verändernden Niederschlägen zurechtkommen.

Höchst umstritten ist dagegen das von verschiedenen Forstverbänden geforderte Pflanzen von wärmetoleranteren Baumarten aus anderen Weltregionen. Die aus Nordamerika stammende Douglasie macht heute bereits drei Prozent der deutschen Forste aus. Sie gilt als wuchsstark und könnte die ausfallenden Nadelholzmengen ersetzen. Da ihre langfristigen Auswirkungen auf andere Tier- und Pflanzenarten des Waldes noch nicht bekannt sind, sollte sie allerdings nur in kleineren Beständen gepflanzt werden.

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wäre dagegen, wenn der Wald nicht mehr in erster Linie Gewinnerwartungen erfüllen müsste. Selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat angekündigt, dass in den Staatsforsten zukünftig nicht mehr die Gewinnabführung, sondern die Stärkung der Klimafunktion oberstes Ziel sein soll. Statt der bisher geplanten Einnahmen von bis zu 30 Millionen Euro jährlich reicht nun einen "schwarze Null".

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Aufräumen und Aufforsten ist nicht die Lösung

Das ist das Fazit von Prof. Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, das er in seiner Stellungnahme für den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages zieht. Die öffentliche Anhörung fand am 4.11.2019 statt.

"Aus der Sicht eines Ökologen, der sich seit Jahrzehnten mit dem Klimawandel und seinen Folgen für die Natur beschäftigt, fällt auf, dass die veritable Systemkrise, in der sich der Wald befindet, von vielen Entscheidungsträgern, aber auch Forstpraktikern und -wissenschaftlern unterschätzt wird.

Der sich beschleunigende Klimawandel bedeutet zunehmende Extreme, die kurzfristig erhebliche Schäden verursachen können und nicht vorhersagbar sind. Sie betreffen überaus komplexe Ökosysteme, die aus Abertausenden von interagierenden Arten bestehen. Bei aller Modellierungskunst der Wissenschaften ist es völlig unmöglich, aus der Vergangenheit zu extrapolieren, was in Zukunft passiert.

Vor sehr wenigen Jahren verkündete das von Forstwissenschaftlern unterstützte Bundeslandwirtschaftsministerium die frohe Botsthaft, dem Wald gehe es so gut wie lange nicht. Warnungen und kritische Stimmen wurden ignoriert.

Jetzt - im Angesicht der nicht zu leugnenden Waldkrise - scheint das alles vergessen. Nun kommen von den gleichen Akteuren simple Lösungsvorschläge, die schnelle Heilung versprechen. Wiederum werden allerdings ganze Wissensbereiche ausgeblendet. So geschehen beim sogenannten Nationalen Waldgipfel und ebenso in einigen der dazu vorliegenden Anträge.

Unser Wald leidet nicht nur darunter, dass es immer öfter heiß und trocken wird. Er ist auch ein zerschnittener Flickenteppich im Kontakt mit sich stark erwärmenden und trockenen Offenlandflächen. Arten und Biomasse von Tieren reduzieren sich dramatisch. Vielen Wäldern fehlen Vielfalt, intakte Böden, Humus, Totholz und alte Bäume. Das Kronendach ist aufgelichtet, der Wald selbst durch zahllose Waldwege und Rückegassen parzelliert.

Wird wirklich geglaubt, dies alles wirke sich nicht auf die Funktionstüchtigkeit der Wälder aus? Dann könnte es auch plausibel erscheinen, dass die Waldkrise dadurch beherrschbar wird, dass mehr Holz aus dem Wald entnommen wird, dass er stärker aufgelichtet wird, dass Pestizide nicht nur im 0ffenland, sondern auch im Wald ausgebracht werden, dass Böden durch Kahlschläge und die Entfernung des sogenannten Schadholzes stark geschädigt werden und weiter austrocknen. Dann erscheint auch der Glaube schlüssig, dass aus dem Pflanzen von exotischen Bäumen auf kahlen Böden ein klimawandelresistenter Wald hervorgehen kann.

Alternativ aber könnte es logischer erscheinen, dass die Selbstheilungskräfte des Waldes gestärkt werden müssen, die Böden, die ökologischen Netzwerke - und vor allem die Fähigkeiten des Waldes, sich selbst zu kühlen und Wasser zu speichern. Dann geht es jetzt darum, wie alle relevanten Wissensbereiche effektiv ins Krisenmanagement einbezogen werden müssen - und darum, wie Waldbewirtschafter unterstützt werden können, die Leistungsfähigkeit der Wälder zu bewahren. Das erfordert eine größere Besonnenheit und einen reiferen Umgang mit Wissen und Nichtwissen als bisher."

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Quelle:
ARA Magazin 25, 2019/20, Seite 3 - 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2019

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