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ATOM/1156: Atom-Moratorium - Sicherheitsüberprüfungen fanden längst statt (IPPNW)


IPPNW - Berlin, den 14. März 2011

Atom-Moratorium

Sicherheitsüberprüfungen für Atomkraftwerke fanden längst statt


Zum dreimonatigen Atom-Moratorium nimmt die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW wie folgt Stellung:

1. Umfangreiche periodische Sicherheitsüberprüfungen (PSÜs) werden auf der Grundlage des Atomgesetzes seit vielen Jahren für alle deutschen Atomkraftwerke durchgeführt. Für alle Reaktortypen liegen umfangreiche gutachterliche Stellungnahmen zum Sicherheitsstandard der Gesamtanlagen wie auch zu spezifischen Schwachstellen vor.

2. Alle deutschen Reaktortypen weisen zahlreiche gravierende Sicherheitsdefizite auf. Auch die zuletzt in Deutschland errichteten Konvoianlagen haben gefährliche Sicherheitslücken bei der Störfallbeherrschung, bei den Notfallmaßnahmen wie auch hinsichtlich der Kernschmelzfestigkeit. Ein Blick in die "Nachrüstliste" der deutschen Atombehörden vom September 2010 zeigt für Teilbereiche, wo es in deutschen Atomkraftwerken überall klemmt.

3. Die deutschen Atomkraftwerke entsprechen nicht dem atom- und verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Stand von Wissenschaft und Technik. Das ist der Bundesregierung bekannt und es muss ihr insofern auch klar sein, dass der Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland rechtswidrig ist.

4. Mit Neckarwestheim-1 in Baden-Württemberg und Biblis A in Hessen möchte die Bundesregierung jetzt möglicherweise zwei Atomkraftwerke ausgerechnet in den Bundesländern vorübergehend vom Netz nehmen, in denen eine Landtagswahl bzw. Kommunalwahlen stattfinden. In beiden Fällen handelt es sich um Atomkraftwerke der zweiten Druckwasserreaktor-Generation. Zu diesem Reaktortyp gehören aber auch die Anlagen Biblis B und Unterweser in Niedersachsen. In Niedersachsen wird derzeit aber nicht gewählt. Daher scheint das Atomkraftwerk Unterweser sicherer zu sein als Neckarwestheim-1. Eine solche an Wahlterminen orientierte Sicherheitsphilosophie ist selbstverständlich rechtswidrig.

5. Die Siedewasserreaktoren der Baulinie 69 (Isar-1, Phillippsburg-1, Brunsbüttel, Krümmel) zählen zweifellos zu den gefährlichsten deutschen Atomkraftwerken. Warum werden diese nicht stillgelegt? Auch in Bayern wird derzeit nicht gewählt. Ist der bayerische Siedewasserreaktor Isar-1 deswegen in den Augen der Bundesregierung besonders sicher?

6. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Lage nach dem Moratorium werde eine andere sein als vor dem Moratorium. Ist das so zu verstehen, dass Biblis A und Neckarwestheim-1 für die Bundesregierung und die Atomindustrie jetzt die Bauernopfer sind, um Wahlen nicht zu verlieren und ansonsten so weitermachen zu können wie bisher?

7. Wie glaubwürdig ist das Bekenntnis zu den erneuerbaren Energien, wenn das Erneuerbare-Energien-Gesetz beständig und systematisch ausgehöhlt wird und die vorrangige Einspeisung der Erneuerbaren beseitigt werden soll? Die Bundesregierung hat dem dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien den Kampf angesagt und es ist bislang nicht erkennbar, dass sich an diesem verantwortungslosen Kurs irgendetwas geändert hätte.


Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 14.03.2011
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2011