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ATOM/1160: Deutsche AKW nicht sicherer als japanische - Super-GAU auch bei uns möglich (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / Gemeinsam gegen Atomenergie - Hamburg, 15. März 2011

Deutsche AKW sind nicht sicherer als japanische

Warum der Super-GAU auch bei uns passieren kann


"Bei uns gibt es keine Tsunamis" - mit solchen Sprüchen will uns die Atomlobby weismachen, dass eine Atom-Katastrophe wie in Japan in Deutschland nicht passieren könne. Tatsächlich ist es um die Sicherheit in deutschen AKW keineswegs besser bestellt als um die in den japanischen Reaktoren.


Alle Sicherheitssysteme versagen

Japan ist ein technologisch hochentwickeltes Land. Die AKW in Japan hatten wie die Reaktoren hierzulande mehrere Sicherheitssysteme. Angeblich waren sie wie die hiesigen "sicher", das heißt gegen alle denkbaren Störfälle mit mehrfachen und redundanten Sicherheits- und Notsystemen gesichert. Tatsächlich haben in Fukushima und anderswo alle diese Systeme versagt. Denn es kommt immer schlimmer, als man denkt.


Gleiches Bauprinzip, gleiches Alter

Die AKW Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel und Krümmel sind im Prinzip baugleich mit den Reaktoren in Fukushima-Daiichi und Tokai. Die technische Konstruktion der Reaktoren stammt aus den 1960er-Jahren, ans Netz gingen sie wie ihre japanischen Pendants in den 1970ern (Krümmel Anfang der 1980er). Größere AKW = größere Gefahr

Die Havarie-Reaktoren des AKW Fukushima-Daiichi sind mit einer elektrischen Leistung von 460 Megawatt (Block 1) bzw. 760 Megawatt (Block 2 und 3) vergleichsweise klein. Selbst sie kleinsten AKW in Deutschland, Neckarwestheim-1, Brunsbüttel, Isar-1 und Philippsburg-1, haben um die 900 Megawatt. Die restlichen 13 Reaktoren liegen bei 1.200 bis 1.500 Megawatt. Im Falle eines Störfalls in Krümmel müsste die Notkühlung hier also dreimal so viel Hitze abführen wie in Fukushima-Daiichi-1. Entsprechend größer ist auch das radioaktive Inventar.


Japanische AKW sind deutlich erdbebensicherer als die AKW hierzulande

Die AKW in Japan waren angeblich für Erdstöße bis mindestens Stärke 7,75 auf der Richterskala ausgelegt. Stärkere Beben hielt man für undenkbar. Die Reaktoren in Deutschland sind deutlich schwächer gebaut. Das AKW Biblis B etwa ist nur für die schwächere Hälfte der dort zu erwartenden Erdbeben ausgelegt, konkret bis zu Bodenbeschleunigungen von 1,5 m/s². Tatsächlich zu erwarten sind am Standort Biblis aber mindestens doppelt so starke Erdstöße.

Das AKW Mülheim-Kärlich, das ebenfalls nur gegen die schwächere Hälfte der Erdbeben ausgelegt war, wurde gerichtlich stillgelegt - weil das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz den Erdbebenschutz für unzureichend erachtete.

In den 1980er-Jahren waren in Biblis zwei weitere Reaktoren (Block C und D) geplant. Die Behörden verlangten damals bereits einen deutlich stärkeren Erdbebenschutz als bei den Blöcken A und B. Auch dies zeigt: Deren Schutz ist völlig unzureichend.

Ähnlich die Situation im AKW Neckarwestheim. Das steht auf äußerst brüchigem Grund: Kalkgestein, in dem das Grundwasser zudem jedes Jahr bis zu 1.000 Kubikmeter neue Hohlräume auswäscht - nachgewiesenermaßen auch unter dem AKW. Geologen zufolge ist bei solchen Bodenverhältnissen mit 30 Prozent stärkeren Erdstößen zu rechnen als es die Behörden bei Genehmigung und Bau der Reaktoren berücksichtigt haben. Siehe dazu die Pressemitteilung von .ausgestrahlt vom 11.3.2011.

Weitere Informationen zu den Erdbebengefahren in deutschen AKW
http://100-gute-gruende.de/lesen.xhtml?reason=25#25


Tsunami? In Deutschland genügt ein Sturm, um ein AKW lahmzulegen

Ein Stromausfall im Atomkraftwerk, der sogenannte station blackout, gehört zu den gefährlichsten Situationen in einem Reaktor. Ohne intakte Notstromversorgung fällt dann - wie in Japan - die Kühlung aus, es droht die Kernschmelze. Dafür braucht es aber keinen Tsunami. Als Auslöser genügt vielmehr schon ein simples Unwetter. Achtmal zwischen 1977 und 2004 führten Blitz oder Sturm in einem westdeutschen Atomkraftwerk zum Ausfall wichtiger Instrumente, zum gefürchteten Notstromfall oder gar, wie am 13. Januar 1977 im Atomkraftwerk Gundremmingen A, zum Totalschaden.

Weitere Informationen zu den Unwettergefahren in deutschen AKW
http://100-gute-gruende.de/lesen.xhtml?reason=25#25

Informationen zum Notstromfall im AKW Biblis B am 8.2.2004
http://www.ippnw.de/atomenergie/atomenergie-sicherheit/artikel/eac52fbf00/biblis-b-am-8-februar-2004-notstro.html



Ausfall im Viererpack

In deutschen sind genau wie in japanischen AKW wichtige Sicherheitssysteme stets mehrfach vorhanden, manche sogar viermal. Fällt eines aus, kann immer noch ein anderes einspringen - soweit die Theorie. In der Praxis versagen, siehe Japan, in bestimmten Situationen aber eben doch alle Systeme gleichzeitig ihren Dienst. Weil sie, wie in Japan, durch ein äußeres Ereignis alle zusammen beschädigt werden. Oder weil sie, wie 2006 im schwedischen AKW Forsmark der Fall, alle den gleichen Konstruktionsfehler haben. In Forsmark sprangen damals nach einem Kurzschluss in einer Schaltanlage außerhalb des AKW alle vier Notstrom-Dieselgeneratoren nicht an - es fehlten nur wenige Minuten bis zum Beginn der Kernschmelze.

In den älteren Reaktoren ist die Gefahr besonders groß: Sie verfügen über weniger Sicherheitsreserven und die einzelnen Stränge etwa der Notstromversorgung sind weder technisch noch räumlich sauber voneinander getrennt.


Notkühlsystem: mangelhaft

Um eine Kernschmelze und damit einen möglichen Super-GAU zu verhindern, muss der Reaktorkern selbst nach einer Schnellabschaltung noch tagelang mit Tonnen von Wasser gekühlt werden. Diese Aufgabe soll bei einem Unfall das Notkühlsystem übernehmen. Bei den älteren Reaktoren hat dieses System im Vergleich zu den neueren Modellen eine deutlich geringere Kapazität - die Wahrscheinlichkeit, dass der Reaktorkern nicht ausreichend gekühlt werden kann, ist hier also deutlich höher.


Ein Sicherheitsbehälter zum Dahinschmelzen

Das containment stellt den letzten Schutz vor dem Austreten radioaktiver Substanzen dar. In Fukushima ist es aus Stahl und von Beton umgeben - und schließt zumindest in zwei Reaktoren die Kernschmelze noch ein. Bei fast allen Reaktoren in Deutschland ist es hingegen nur aus Stahl. Käme es hier zu einem schweren Unfall, droht es schnell zu platzen. Bei den ältesten Reaktoren ist es zudem viel zu klein und seine Wände ziemlich dünn.

Ein spezielles Problem der alten Siedewasserreaktoren in Deutschland ("Baulinie 69": Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel, Krümmel) ist die Bodenwanne des Sicherheitsbehälters, die hier ebenfalls nur aus Stahl besteht. Der Reaktorkern kann sie bei einem Unfall binnen Minuten durchschmelzen, für eine Evakuierung bliebe dann überhaupt keine Zeit.

Quelle: http://www.ausgestrahlt.de/hintergrundinfos/akw-fukushima/artikel/847dbce927/deutsche-akw-sind-nicht-sicherer-als.html


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Quelle:
Presseerklärung, 15. März 2011
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: pressedienst@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2011