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ENERGIE/1420: Solarförderung gekürzt - Solarbranche stellt selber ein Konzept vor (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 161 - April/May 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Solarförderung gekürzt
Der Druck auf die Solarbranche war hoch, jetzt stellte sie selber ein Konzept vor

Von Vincent Nörig


Die Einspeisevergütung für Strom aus Photovoltaikanlagen soll ab Juli um bis zu 15 Prozent gesenkt werden. Diesen Vorschlag gaben Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und der Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Günther Cramer, Mitte Januar gemeinsam bekannt. Ende Februar winkte der Bundestag die Kürzung durch.

Schon seit längerer Zeit steht die Solarindustrie in der Kritik. Die hohen Förderkosten sind für viele ein Anlass, die erneuerbaren Energien insgesamt als zu teuer abzulehnen. Dass die Atomenergie jedoch deutlich stärker subventioniert wird als die Solarbranche, ist in der Öffentlichkeit kaum Anlass für Diskussionen. Die Förderkosten für Atomstrom tauchen schließlich auf keiner Rechnung auf, ganz im Gegensatz zur Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Dennoch ist die Aufregung verständlich, denn zuletzt stieg die Umlage von 2,05 Cent/kWh auf 3,5 Cent/kWh für 2011. Für viele ist es also gerechtfertigt, dass die Solarförderung gekürzt wird. Das ist natürlich Ansichtssache, doch einige Zahlen, die in der breiten Öffentlichkeit als gültig angenommen werden, sind schlichtweg falsch.

So gab das Bundesumweltministerium im Dezember 2010 eine Aktualisierung der Langfristszenarien für erneuerbare Energien heraus. Darin wurde folgendes festgestellt: "Die von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) für 2011 festgelegte EEG-Umlage von rund 3,5 Cent/kWh liegt über den hier vorgestellten Ergebnissen. [...] Ohne diese bilanziellen Faktoren müsste die EEG-Umlage im Bereich von 2,7 bis 2,8 Cent/kWh liegen". Der Verbraucher zahlt also 0,7 bis 0,8 Cent pro Kilowattstunde zu viel, doch diese Tatsache ist kaum bekannt. Die fehlerhaft berechneten Mehrkosten sind jedoch weder die Schuld der Solarstromanbieter noch des Solarstroms selber. Die Übertragungsnetzbetreiber legen die Höhe fest, und diese sind unter anderem, vor allem im Südwesten Deutschlands, gleichzeitig Anbieter von Strom aus fossilen und atomaren Energiequellen.


Was sieht die Novelle im Detail vor?

Laut dem EEG sollte die Zulage für eingespeisten Strom ab 2012 jährlich um den festen Satz von neun Prozent gesenkt werden, zusätzlich war eine variable Senkung ab 2012 abhängig von der Marktlage vorgesehen.

Dieser variable Satz wird nun auf Juli 2011 vorgezogen. Als Grundlage für die Senkung dienen die Neueinspeisungen der Monate März, April und Mai, diese werden auf das gesamte Jahr hochgerechnet. Ergibt sich eine voraussichtliche Neueinspeisung von mindestens 3.500 MW, werden die Förderungen um drei Prozent gekürzt, bei 7.500 MW um 15 Prozent. Die Staffelung erfolgt in drei-Prozent-Schritten.

Für Norbert Röttgen und Günther Cramer ist die EEG-Novelle eine positive Entwicklung, allerdings kann dies nur im Vergleich mit einer Deckelung der Neueinspeisungen gemeint sein. Eine feste Mengenbegrenzung wäre besonders für kleine Firmen eine kaum zu tragende Belastung, und nicht zuletzt hat Deutschland die führende Rolle beim Ausbau der Solartechnik. Das bedeutet, dass die Entscheidungen der Regierung als Vorbild für andere Staaten dienen könnten.

Doch auch der energiepolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, Hans-Josef Fell, zeigt sich positiv gestimmt. Er hält eine Absenkung der Förderung für Photovoltaik grundsätzlich für richtig, man müsse allerdings darauf achten, die Zukunft der Industrie nicht zu gefährden.

Die Vertreter aus Politik und Solarbranche verabschiedeten die Novelle im Schulterschluss. Bürgernahe Initiativen beurteilen die Neuerung allerdings anders.

So erklärte uns Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des Solarfördervereins Deutschland e.V. (SFV): "Solarstromanlagen auf Deutschlands Dächern speisen mittags bereits die elektrische Leistung von mehr als sieben, von acht, ja sogar von 11 Atomkraftwerken ins Stromnetz ein. Vorausschauende Energiepolitik müsste jetzt die Einrichtung dezentraler Stromspeicher fördern, um den immer reichlicher fließenden Solarstrom bis in die Abend- und Nachtstunden zu strecken. Aber die schwarz/gelbe Regierung will lieber die Solarenergie bremsen. Je niedriger die Einspeisevergütung ist, desto weniger Solaranlagen werden gebaut und umso länger können die Atomanlagen laufen. Das ist rückwärts gewendete Energiepolitik".

Für viele ist die Novelle also nur eine Einschränkung des Ausbaus der Solarenergie. Tatsächlich sollte sich die Regierung fragen, ob die derzeitige Energiepolitik den erneuerbaren Energien die Möglichkeiten bietet, die sie brauchen. Dass Anbieter von konventionellem Strom in solchem Maß Einfluss auf das Image von Solarenergie nehmen können, ist schwer vertretbar.

Ob die vorgezogene Kürzung den Boom der Solarzellen aufhalten kann, ist jedoch fraglich. Die nahende Senkung der Einspeisevergütung könnte einen Run auf die Solaranlagenbauer auslösen, wie in den vergangenen Jahren auch.

www.sfv.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:

Ungewöhnliche Solaranlage in Wietow
Nicht im Bild: Atomkraftwerk


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 161 - April/Mai 2011
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011