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ENERGIE/1464: Interview mit Eicke Weber, Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / gemeinsam gegen atomenergie - Rundbrief 18 / Herbst 2012

"Solarstrom ist gefährlich für Konzerne"
Eicke Weber, Chef des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme, über Strompreissteigerungen, laute Brüller gegen die Energiewende und leise Nutznießer derselben

Interview: Armin Simon



Herr Weber, die EEG-Umlage wird im nächsten Jahr um 1,69 Cent steigen. Plötzlich diskutieren alle über die angeblich hohen Kosten der Energiewende. Was ist da los?

Prof. Dr. Eicke Weber: Ehrlich gesagt bin ich darüber sehr erstaunt. Natürlich, die EEG-Umlage steigt, und zwar ähnlich, wie es viele erwartet hatten. Aber die Stromkosten sind auch Anfang 2012 gestiegen um etwa denselben Betrag, und da hat kein Mensch geschrien, denn der Anstieg hatte damals nichts mit der EEG-Umlage zu tun. Ich sehe hinter dem Ganzen eine ziemlich gut organisierte Kampagne, mit dem Ziel, die Energiewende schlecht zu machen, ganz speziell das EEG.

Bundeskanzlerin Merkel hat vor einem Jahr versprochen, dass die Umlage nicht steigen werde.

Dieses Versprechen war von Anfang an nicht haltbar. Wenn wir erneuerbare Energien zubauen, dann ist es völlig klar, dass auch die EEG-Umlage steigt. Aber das fügt sich ein in die Strompreissteigerungen, die wir sowieso haben werden. Und für viele davon ist nicht die EEG-Umlage verantwortlich, sondern ganz andere Faktoren.

Trotzdem ist auch die Energiewende nicht umsonst.

Gerade beim Strom hat man aber ungeheuer viele Möglichkeiten, einzusparen. Außerdem: Der Durchschnittshaushalt verbraucht etwa 3.500 Kilowattstunden pro Jahr. Er wird damit 2013 knapp fünf Euro mehr an EEG-Umlage im Monat zahlen als bisher. Das finde ich angemessen, wenn man bedenkt, dass uns das hilft, unabhängig von fossil-atomaren Energien zu werden. Wir haben steigende Benzinpreise, Ölpreise, Gaspreise. Kein Mensch sagt, dass wir uns deswegen kein Gas mehr liefern lassen sollen. Diese Diskussion ist in höchstem Maße politisch motiviert.

Politisch?

Es gibt eine ganz klare Richtung, aus der das kommt: Das sind die großen Stromkonzerne, denen die Energiewende das Geschäftsprinzip verhagelt. Das einzige, an dem die noch verdienen können, ist Offshore-Windkraft. Und Sie hören ja, wie immer beklagt wird, dass das nicht schnell genug ausgebaut wird - dabei sind die Kosten von Offshore-Windstrom höher als die von Solarstrom.

Während die einen klagen, die erneuerbaren Energien seien so teuer, behaupten die anderen, sie würden den Börsenstrompreis drücken. Was ist denn nun richtig?

Beides. Die Einspeisung der erneuerbaren Energien erhöht das Stromangebot. Wenn die Nachfrage konstant bleibt, geht der Preis runter. Durch die erneuerbaren Energien ist der Börsenstrompreis um ungefähr 1,2 Cent pro Kilowattstunde gesunken. Großverbraucher profitieren davon; zugleich sind sie von der EEG-Umlage weitgehend befreit. Anders Haushalte und kleine Betriebe: Bei denen kommen die sinkenden Börsenstrompreise nicht an, weil die Energieversorger sie nicht weitergeben. Und sie zahlen alle die volle Umlage.

Die Anzahl der von der Umlage befreiten Unternehmen ist zuletzt massiv gestiegen.

Das belastet die, die übrig bleiben, also die jetzt so beklagten Kleinverbraucher, natürlich umso mehr. Es gibt Firmen, die ihre stromverbrauchenden Prozesse in eigens gegründete Unternehmen auslagern, damit die dann von der Umlage befreit werden. Die Regierung lässt sich über den Tisch ziehen von der Industrie. Und sie hat gar nicht viel dagegen, weil sie ja öffentlichen Druck gegen das EEG erzeugen möchte. Zumindest bei einigen Verantwortlichen erkenne ich da Absicht.

Auch Rot-Grün hat Ausnahmen für industrielle Großverbraucher ins EEG geschrieben. Aluminiumhütten etwa, hieß es, würden sonst einfach ins Ausland abwandern.

Neulich hat eine bekanntgegeben, sie weite ihre Produktion in Deutschland deutlich aus, weil es hier für sie dank der erneuerbaren Energien und der deswegen gesunkenen Industriestrompreise wieder attraktiv geworden ist. Erinnern Sie sich noch an das Geschrei von der angeblich drohenden "Deindustrialisierung"? Die, die da geschrien haben, wussten es damals schon besser!

Wenn die Industrie so profitiert, warum macht sie dann so kräftig Stimmung gegen das EEG?

Da gibt es verschiedene Interessenverbände. Die energieintensive Industrie selbst hält sich im Moment richtig ruhig. Die weiß genau, was sie davon hat. Das laute Geschrei kommt von anderen.

Könnte man die Senkung der Börsenstrompreise nicht berücksichtigen bei der Berechnung der Umlage, damit auch wir Kleinverbraucher was davon hätten?

Das ist ein Fehler des EEG, ja. Das Problem ist, dass man methodisch kein sehr sauberes Verfahren gefunden hat, um den Betrag wirklich präzise zu errechnen.

Unter allen erneuerbaren Energien zieht vor allem die Photovoltaik den Vorwurf auf sich, sie sei zu teuer.

Der war vor einigen Jahren sicherlich berechtigt, da kostete die Kilowattstunde noch 30, 40, 50 Cent. Aber es ging um relativ kleine Mengen, weswegen das absolut erträglich war. Derzeit kommen jährlich sechs bis sieben Gigawatt Neuanlagen hinzu - ich freue mich darüber! Gerade aufgrund des enormen Wachstums sind die Kosten ja schneller als erwartet gesunken. Der Einspeisepreis liegt inzwischen bei um die 15 bis 16 Cent. So sind auch diese großen Mengen leicht verdaubar. Die jetzt angekündigte Erhöhung der EEG-Umlage etwa ist nur zu einem kleinen Teil durch Photovoltaik verursacht. Und künftig wird die mit Preisen von zehn Cent und weniger auch bei uns eine der günstigsten regenerativen Stromquellen werden. Die Lasten, die wir auf uns genommen haben, zahlen sich so aus.

734 Firmen zahlen so gut wie keine EEG-Umlage, weil sie angeblich sonst ins Ausland abwandern, darunter: Vattenfall-Braunkohletagebau, Kraftwerk Obernburg GmbH (E.on-Gaskraftwerk), Flughafen Stuttgart, Uni Göttingen, Brauerei Bitburger, Infraserv (Energieversorgung Industriepark Hoechst), Südsalz (Saline Bad Reichenhall), Uniklinik Heidelberg, Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung, Geothermie Unterhaching, ... Im kommenden Jahr werden dreimal so viele Unternehmen von der EEG-Umlage befreit.
Q: BAFA, 30.3.

Warum steht sie dennoch so in der Kritik?

Weil sie die gefährlichste Technologie für die großen Stromversorger ist. Die haben in der Vergangenheit ihren Hauptprofit mittags gemacht, wenn viel Strom nachgefragt wird, den sie dann sehr teuer verkaufen konnten. Die Photovoltaik liefert zwar erst fünf Prozent unseres Stroms, das meiste davon aber eben gerade zurückhalten Mittagszeit. Das ist das Dumme für die Stromkonzerne: Solarstrom hilft überproportional, den Strompreis und damit ihren Profit runter zu halten. Ich kann gut verstehen, dass die ihre ganze Macht einsetzen, um dafür zu sorgen, dass er nicht weiter wächst.

1,29 Cent niedriger könnte die EEG-Umlage 2013 sein, wenn die Ausnahmen für die Industrie abgeschafft würden.
Q: BEE, 26.9.

Geht der Ausbau der erneuerbaren Energien zu schnell?

Je schneller es geht, umso besser für unseren Planeten. Wir haben nicht nur das Atomkraft-, sondern auch noch das Klimaproblem. Da geht es auch um globale Wetterinstabilitäten. In Amerika gabs jetzt wieder einen Sturm mit an die 300 Kilometer pro Stunde: Da bleibt nichts mehr stehen!

0,69 Cent der EEG-Umlage kompensieren allein den Rückgang der Börsenstrompreise durch die Einspeisung erneuerbarer Energien.
Q: BEE, 26.9.

Der derzeitige konventionelle Kraftwerkspark ist nicht flexibel genug, um die noch stärker schwankenden Einspeisungen der erneuerbaren Energien in Zukunft auszugleichen. Was tun?

Natürlich brauchen wir ein anderes Stromnetz. Wir haben aber 20 Jahre Zeit, das umzubauen. Wir werden zu gewissen Zeiten Überschussstrom haben, mit dem wir Wasserstoff erzeugen und Warmwasserspeicher aufheizen können, und für andere Zeiten Gaskraftwerke vorhalten müssen, die wir dann mit dem Wasserstoff und eventuell daraus erzeugten Methan betreiben. Langfristig erwarte ich die großräumige elektrische Vernetzung der Welt. Dann können wir die Sonnenenergie tatsächlich zu jeder Tageszeit nutzen ...

26 Prozent des Stroms stammte im ersten Halbjahr 2012 aus erneuerbaren Energien.
Q: AGEE-Stat, 26.7.

Ihr Institut hat ausgerechnet, dass eine Energieversorgung aus erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2050 nur halb so teuer ist wie eine fossilatomare. Wie das? Wir haben dann ja keine Brennstoffkosten mehr, sondern bloß noch Ausgaben für Wartung und Erhalt der Anlagen. Das kostet uns in etwa so viel, wie wir heute für Energie ausgeben. Die EEG-Umlage entfällt, Sonne, Wind, Wasser und Biomasse garantieren uns eine stabile Energieversorgung - abgekoppelt von den laufenden Kostensteigerungen der fossil-atomaren Energien.

19 Cent pro Kilowattstunde können Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen für ihren Strom erhalten. Für Solarstrom aus Großanlagen gibt's nur noch 12,46 Cent.
Q: EEG-Umlage

Und wenn wir nicht auf erneuerbare Energien umsteigen?

Dann wird es ungefähr doppelt so teuer. Und das sind gewaltige Geldmengen.


Prof. Dr. Eicke Weber ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und Inhaber des Lehrstuhls für Physik/Solarenergie an der Uni Freiburg. Er war einer der Experten, die die "Ethikkommission zur Atomkraft" nach Fukushima anhörte.

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Quelle:
Rundbrief 18, Herbst 2012, S. 8-9
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2012