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ENERGIE/1526: Saisonale unterirdische Wärmespeicher können Kohlekraftwerke bei Wärmeversorgung ersetzen (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 28.11.2017

Saisonale unterirdische Wärmespeicher können Kohlekraftwerke bei der Wärmeversorgung ersetzen

Nationales Symposium zur "Energiespeicherung im geologischen Untergrund" an der Uni Kiel


Heute (Dienstag, 28. November) trafen sich rund 100 Expertinnen und Experten in Kiel, um sich über den Status quo und über zukünftige Bedarfe an unterirdischen Energie- und Wärmespeichern auszutauschen.

Der aus Klimaschutzgründen dringend notwendige Umbau des Energieversorgungssystems hin zu erneuerbaren Energiequellen bringt nicht nur die Herausforderung eines stark fluktuierenden Energieangebotes mit sich. Sehr bedeutend ist auch die Frage, wie die erforderlichen Energiemengen für den Wärme- und Mobilitätssektor, die derzeit ungefähr die dreifache Energiemenge des Stromsektors benötigen, ohne massive Umweltauswirkungen nachhaltig dargestellt werden können. Aktuell zeigt sich die Relevanz dieser Frage bei den Diskussionen über den Kohleausstieg. Was die Stromerzeugung betrifft, wäre er möglich, seine Konsequenzen für die Wärmeversorgung werden jedoch kaum wahrgenommen.


Die Grafik zeigt unterirdische Varianten von Energiespeichern in natürlichen geologischen Formationen - Grafik: © ANGUS-Projekt (AG Bauer)

Grafik: © ANGUS-Projekt (AG Bauer)

Die Energiewende sieht vor, dass die Energieversorgung in Deutschland bis 2050 zu 60 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt wird. Insbesondere für die Wärmeversorgung müssten daher zusätzliche erneuerbare Quellen sowie industrielle Ab- oder Prozesswärme oder Wärme aus der Gebäudeklimatisierung erschlossen werden, um fossile Energien und somit Kohlekraftwerke ersetzen zu können. Heute (Dienstag, 28. November) trafen sich rund 100 Expertinnen und Experten in Kiel, um sich über den Status quo und über zukünftige Bedarfe an unterirdischen Energie- und Wärmespeichern auszutauschen. Anlass ist die Fortführung des Projekts ANGUS (Auswirkungen der Nutzung des geologischen Untergrundes als thermischer, elektrischer oder stofflicher Speicher), das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bis Ende 2020 mit 6,6 Millionen Euro gefördert wird. Das Projekt wird durch das Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) koordiniert. Die Verbundpartner kommen von der Hochschule Flensburg, von der Europa-Universität Flensburg, von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig.

Dr. Robert Habeck: "Wir haben als Gesellschaft die Aufgabe, den Klimaschutz umzusetzen. Die Zeit galoppiert uns davon. Deshalb müssen wir vorangehen: Wir müssen nicht nur die Erneuerbaren Energien und Stromnetze ausbauen, sondern die nächsten Phasen beginnen. Die Energiewende ist nämlich keine reine Stromwende, sondern wir müssen sie mit Wärme, Verkehr und Industrie verzahnen. Dazu müssen wir auch den Blick auf unterirdische Speichermöglichkeiten richten, denn die Nutzung an der Oberfläche stößt auch an Grenzen. Landwirtschaft, Infrastruktur, Gewerbegebiete, Energiewende und vieles mehr - die Konflikte strapazieren die Kompromissfähigkeit des Landes. Deshalb gilt es, die Potenziale, die der Untergrund für Energiewende und Klimaschutz bietet, umweltverträglich zu nutzen."

Kiels Universitätspräsident Professor Lutz Kipp betonte bei der Eröffnung des Symposiums, dass die Hochschulen und Forschungsinstitutionen gerade bei der globalen Schicksalsfrage des Klimawandels gefordert seien, noch stärker als bisher ihre Aufgabe in einer aufgeklärten Gesellschaft auszufüllen: "An der Kieler Universität stellen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen dieser Herausforderung in der Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung ebenso wie in der Ausbildung von Fachkräften. Wenn Entschädigungszahlungen für abgeschaltete Windmühlen von zum Teil 300 Millionen Euro jährlich weit höher sind als der Etat aller schleswig-holsteinischen Hochschulen zusammen, dann besteht dringender systemischer Optimierungsbedarf, den wir als Universität gerne mitgestalten."

Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Symposiums waren Wärmeversorgungskonzepte für Städte. Professor Andreas Dahmke von der CAU stellte fest: "Die regenerative Wärme- und Kälteversorgung von Städten ist auch international einer der bedeutendsten Hebel für die Energiewende und einer der Schlüssel für den Kohleausstieg. Die Nutzung saisonaler unterirdischer Wärmespeicher eröffnet dabei die Möglichkeit, Wärmekraftwerke basierend auf fossilen Brennstoffen sogar schon mittelfristig teilweise ersetzen zu können". Professor Sebastian Bauer, ebenfalls CAU, ergänzte: "Es existieren in Städten gerade in den Sommermonaten eine Reihe potenzieller Wärmequellen, deren Einbindung in die städtische Wärmeversorgung möglich wird, wenn saisonale Wärmespeicher verfügbar sind. Heute sind wir soweit, dass wir bei relativ geringer Raumbeanspruchung von weniger als 10 Prozent der oberen 200 Meter des geologischen Untergrunds Wärme- und Kältespeicher mit den entsprechend großen Kapazitäten errichten und deren Umweltauswirkungen, wenn auch mit gewissen Unsicherheiten behaftet, prognostizieren können."

Grundvoraussetzung dafür sei jedoch ein großräumiges und nachhaltiges Wärmemanagement des Untergrundes, ist sich Bauer sicher. Wie die Projektarbeiten zeigten, könnten unterirdische Energiespeicher sehr große Speicherkapazitäten und ein breites Spektrum an Be- und Entladeraten bieten. Damit könnten diese Speicher auf unterschiedliche Arten in die Energiesysteme integriert werden und dort sowohl lang- als auch kurzfristige Speicherdienste erbringen. Professor Olav Hohmeyer (Universität Flensburg) erklärte dazu: "Unterirdische Energie- und Wärmespeicher stellen bei der Energiesystemtransformation wesentliche Bausteine für eine 100-prozentige regenerative Energieversorgung dar. Sie können auch bei der Kopplung des Wärme- und Stromsektors einen Beitrag zur Integration erneuerbarer Energiequellen leisten."

Entsprechende erste Beispiele und Konzepte für die Einbindung saisonaler Wärmespeicher wurden während des Symposiums von Kai Radmann (CONSULAQUA Hamburg) für Hamburg, von Gregor Bussmann (Bochum) für Nordrhein-Westfalen und von Bas Godschalk (Arnheim) für die Niederlande präsentiert, wo diese bereits im größeren Maßstab eingesetzt werden. Dr. Joachim Wege (HFK) unterstrich in der anschließenden Diskussionsrunde, dass nach seiner Meinung saisonale Wärmespeicher wie Dämmmaßnahmen betrachtet werden müssten, die Wohnungswirtschaft jedoch verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen bräuchte, um hier aktiv werden zu können.

"Der Einsatz unterirdischer Energiespeicher setzt einen nachhaltigen, geplanten und ressourcenschonenden Umgang mit dem geologischen Untergrund und damit die entsprechenden Planungsinstrumente voraus, um ungewollte Auswirkungen und Nutzungskonkurrenzen auszuschließen", so Professor Sebastian Bauer. Christiane Lohse und Bernd Kirschbaumer (beide Umweltbundesamt) betonten hierzu, dass bei einer verstärkten geothermischen Nutzung des urbanen Untergrundes zum Klimaschutz in der Stadt der Nachhaltigkeitsgedanke sowohl gegenüber dem Klima als auch den untertägigen Grundwasserressourcen gewahrt werden müsse.

"Da die Errichtung von urbanen Wärmespeichern kurzfristig möglich und aufgrund des Klimawandels auch gefordert ist, müssen die vorhandenen Kenntnisse und entwickelten Konzepte auch in die Anwendung gebracht werden", fasste Professor Andreas Dahmke die Diskussion zusammen. "Hierzu wird an der Universität Kiel derzeit das Geo-Energie Kompetenzzentrum gegründet, das als Ansprechpartner dafür dienen soll."


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2017-380-angus

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news685473

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution235

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 28.11.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2017

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