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FORSCHUNG/329: Standpunkt - Kohle bleibt für viele Jahre entscheidender Energieträger (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

STANDPUNKT: An der Kohle kommt keiner vorbei!


Wir alle wissen: Das Grundproblem in der Klima- und Energiepolitik sind die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas. Ihre Verbrennung setzt Treibhausgase frei, die das Klima gefährden. Und unser Energiesystem ist zum großen Teil von den Fossilen abhängig, die vielfältig genutzt werden: Wärme und Kühlung, Verkehr und Mobilität sowie zahlreiche mit Strom verbundene Leistungen. Die geringere Nutzung fossiler Energieträger ist daher erklärtes Ziel der Klimapolitik. Um bis zu 80 Prozent sollen bis 2050 die Emissionen in den Industrieländern gesenkt werden. Auch wichtige Schwellenländer erkennen mittlerweile das Ziel der Begrenzung der Erderwärmung an. Besonders im Fokus ist die Kohle, da die mit ihr einhergehenden CO2-Emissionen noch höher sind als beim Erdöl oder beim Erdgas.

Und doch - ob es uns passt oder nicht: An der Kohle kommt absehbar - keiner vorbei! Sie bleibt für viele Jahre entscheidender Energieträger. Ihr Vorkommen konzentriert sich auf die großen Länder USA, Kanada, Russland, Indien, China, Südafrika und einige Staaten Europas - der "Kohlegürtel" in Europa reicht von Deutschland über Tschechien, Polen und die Balkanstaaten bis nach Griechenland und die Türkei - und sie reicht vermutlich noch weit länger als 100 Jahre. Sie garantiert Versorgungssicherheit und kostengünstige Energieversorgung. Dabei werden die Weichen für die nächsten 40 bis 50 Jahre in den kommenden Jahren gestellt. Insbesondere zwischen 2015 und 2030 stehen Erneuerungen der Kraftwerkparks weltweit an. Es ist jetzt schon erkennbar, dass neue Kraftwerke in starkem Maße auf Kohle setzen - nach Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) steigt die Energienachfrage bis 2030 um 45 Prozent, wovon 85 Prozent durch die Fossilen gedeckt werden. Die Kohle deckt heute 39 Prozent der Weltenergieproduktion ab und macht ein Drittel des Anstiegs aus.

Wir können vor dieser absehbaren Entwicklung nicht die Augen verschließen und so tun, als würde uns ohne größere Probleme ein Ausstieg aus den Fossilen - und damit auch aus der Kohle gelingen. Aber was heißt das für die Politik? Und was für die Forschung? Zunächst: In der Politik wird es auf Jahre hinaus ein zähes Ringen um Vermeidungsmaßnahmen, deren Kosten und die Verteilung der Kosten geben. Ich erwarte nicht, dass auf der Klimakonferenz in Kopenhagen der große Durchbruch erreicht wird. Dafür sind die durch langfristige Investitionen gebundenen Mittel zu hoch und ein Abweichen vom einmal eingeschlagenen Weg würde sehr teuer. Zudem erwartet jedes Land immer nur von anderen Maßnahmen, ist aber selbst nicht bereit, Kosten dafür aufzubringen.

Alle Anstrengungen im Bereich der Kohle - seien es Steigerungen des Wirkungsgrades von Kohlekraftwerken, seien es Neuentwicklungen zur Trennung und Speicherung von Kohlendioxid - müssen eine große Rolle spielen. Wenn die weltweiten Energiesysteme so stark auf Kohle ausgerichtet sind, geht das gar nicht anders. Dies bedeutet, dass die Kraftwerkseffektivität, die im weltweiten Durchschnitt gerade einmal 29 Prozent beträgt, auf 50 Prozent oder mehr zu steigern ist, was dem heute erreichbaren Stand der Technik entspricht. Das bedeutet weiter, dass über die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid zumindest als Übergangstechnologie - intensiv nachgedacht und geforscht werden muss. Das ist insofern schwierig, als die geschätzten Kosten hierfür zurzeit bei bis zu 70 Euro pro Tonne vermiedenen CO2 liegen. Und es bedeutet, dass im Rahmen internationaler Verhandlungen Technologietransfer eine große Rolle spielen wird.

Für Forschung und Politik ergibt sich hieraus, dass es den Königsweg in eine CO2-freie Zukunft so schnell nicht geben wird. Es wird darauf ankommen, Forschungsanstrengungen in verschiedenen Bereichen zu unternehmen, zum einen im Bereich der Kohle selbst, aber auch bei anderen Wegen zur Verringerung von CO2. Eine große Rolle spielt hier die Landnutzung, die immerhin zu 30 Prozent für die Entstehung von CO2 verantwortlich ist. Und es ist schließlich unabwendbar, sich mit den Folgen des Klimawandels auseinanderzusetzen und Strategien zur Anpassung zu entwickeln. Gerade in den genannten Bereichen versucht das UFZ, zentrale Beiträge beizusteuern.    Jörg Aberger


Prof. Dr. Bernd Hansjürgens lehrt Volkswirtschaftslehre und Umweltökonomie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Am UFZ ist er Programmsprecher des Helmholtz-Programms "Terrestrial Environment" und Leiter des Departments Ökonomie. In seiner Forschung befasst er sich u. a. mit dem Emissionshandel sowie Architekturen in der internationalen Klimapolitik.

Telefon: 0341/235-1233 o. -1259
e-mail: bernd.hansjuergens@ufz.de
www.ufz.de/index.php?de=1643


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Grafik: Weltweiter Energiebedarf bis 2030


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Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 26
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010